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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 11.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Abb.: 18
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die vorliegende Studie thematisiert und vergleicht Totendarstellungen in gerichtsmedizinischen Kontexten der Kriminalreihe »Tatort« mit thematisch gleichen Darstellungen amerikanischer Kriminalserien. Neue Formen der visuellen Kodierung von Leichen im »Tatort«, die im Wesentlichen um das Jahr 2000 erstmalig auftraten, können einer neuen Entwicklung zugeordnet werden. Diese zeichnet sich durch hybride Darstellungen aus. In diesen Darstellungen werden typische Darstellungsweisen deutscher und amerikanischer Abbildungsmodelle kombiniert, bei welchem die dadurch hybridisierte Darstellung jedoch stets deutlich in einem deutschen Entstehungskontext zu verorten bleibt, da sie ästhetische Elemente der Inszenierung enthält, die in amerikanischen Darstellungen nicht vorkommen würden. Es wird die Ansicht vertreten, dass die neuen Leichendarstellungen sowohl deutscher wie amerikanischer Produktion, als Ausdruck einer wachsenden »Popularisierung des Todes« innerhalb der Gesellschaften gedeutet werden können. Diese, sich zumindest im westlichen Kulturraum ausbreitende Popularisierungstendenz, wird jedoch jeweils lokal vollzogen und nationalspezifisch überformt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Methodik und Erhebung: Analysemethoden: Einleitend soll geklärt werden, was der Hintergrund der Bildanalyse für diese Untersuchung ist. Der Vollzug bestimmter Darstellungsformen von toten Körpern kann als Teil der diskursiven Praxis einer Gesellschaft zu den Themen Sterben und Tod angesehen werden. Repräsentationen von Toten sind bildliche Aussagen, die gesellschaftliche Wirklichkeit einerseits wiedergeben und andererseits gleichzeitig erzeugen (vgl. Maasen, Mayerhauser & Renggli 2006). Folgende Analyseinteressen wurden deshalb bei der Erhebung der Leichendarstellungen in der Pathologie in der Reihe »Tatort« unter Bezugnahme auf die im Folgenden vorgestellten methodischen Verfahren verfolgt: Ausgehend von der Idee, dass die Bedeutung von medialen Artefakten nicht unbedingt dem entsprechen muss, was de facto dargestellt wird, liegt das Hauptinteresse in der Deskription, Rekonstruktion und Interpretation von gesellschaftlich konventionalisiertem Bildwissen. Die Bedeutung des Dargestellten geht immer nur aus dem Wie der Darstellung - aus der Inszenierung - hervor. Eine Bildanalyse muss deshalb mit der Differenz zwischen den denotativen und den konnotativen Bildgehalten operieren, wobei die konnotierte Botschaft diejenige ist, die eine Dechiffrierung erfordert. Aus diesem Grunde wurde die Analyse von Screenshots signifikanter Leichendarstellungen in einem Dreischritt durchgeführt, wobei auf erster Ebene die genaue vorikonographische Beschreibung der Bildinhalte bzw. Inhalte einer Einstellung innerhalb einer Filmsequenz vorgenommen wurde (Deskription). Erst auf der zweiten Ebene wurde unter Berücksichtigung der im ersten Schritt festgehaltenen Art und Weise der Inszenierung die ikonographische Bedeutungsanalyse der dargestellten Bildinhalte durchgeführt (Rekonstruktion). Im dritten Schritt schließlich wurden die Ergebnisse der beiden vorangegangenen Schritte auf ihre Kompatibilität mit aktuellen theoretischen Überlegungen geprüft und so kontextuell eingebettet und rückbezogen (Interpretation). Dieses Verfahren entspricht der struktural-hermeneutischen Symbolanalyse nach Müller-Doohm (2002:97). Es ermöglicht, unterschiedliche Idealtypen von Leichendarstellungen in der Pathologie zu bilden. Die Bildung von Idealtypen wiederum begünstigt einerseits qualitative Veränderungen der visuellen Kodierungsweisen von Leichendarstellungen in der Pathologie innerhalb der Reihe »Tatort« nachzuvollziehen. Andererseits ermöglichen sie die herausgearbeiteten deutschen Typen von Leichendarstellungen mit denen von Weber (2011) für amerikanische Krimiserien erarbeiteten zu vergleichen. Ein ähnliches Verfahren wurde angewendet, wenn zu analysierende Darstellungen sich über eine Filmsequenz erstreckten. In der vorliegenden Arbeit waren dies Szenen, in denen die forensische Sektion eines Leichnams thematisiert wird. Auch hier gelten dieselben Regeln für konnotative und denotative Gehalte wie bei der Bildanalyse. Der wesentliche Unterschied ist, dass die Inszenierung bei der Sequenzanalyse bewegter Bilder wesentlich durch das Zusammenspiel auditiver und visueller Gehalte bestimmt wird. Um dieses Zusammenspiel genau beschreiben und seine Elemente exakt erfassen zu können, wurde das in Abbildung 2 dargestellte Analyseschema verwendet. Es wurde in Zusammenarbeit mit Tina Weber unter Bezug auf Kuchenbuch (2005), Hickethier (2001), Bostnar, Pabst & Wulff (2008), Monaco (2000), Zettel (2008), Mikos & Wegener (2005) und Keppler (2006a) entwickelt. Auch bei der Analyse bewegter Bilder wurde wesentlich darauf geachtet, die vorikonographische von der ikonographischen Interpretation der Bildgehalte zu trennen und erst in einem dritten Schritt eine Interpretation des Gesehenen vorzunehmen. Diese Vorgehensweise ist anderen hermeneutischen Analysemethoden medialer Artefakte ähnlich und löst den Kunstgriff der anfänglichen Kontextfreiheit der Analyse, wie sie beispielsweise auch in Jürgen Raabs »Visueller Wissenssoziologie« (2008:158ff.) gefordert wird, ein. Die Ergebnisse der Sequenzanalysen können in dieser Arbeit leider aus Platzgründen nicht dargestellt werden. Dies kann in einem anschließenden Artikel nachgeholt werden. Das Untersuchungsmaterial: Die Kriminalfernsehreihe »Tatort«: Eine Reihe von Gründen sprechen für die Auswahl der Kriminalreihe »Tatort« als Untersuchungsmaterial. Die Reihe ist seit ihrer Einführung eines der Krimiformate mit den höchsten Einschaltquoten. Allein »von Januar bis Oktober 2010 erreichte die Sendung jeden Sonntagabend durchschnittlich eine Quote von 8,44 Millionen Zuschauern, was einem Marktanteil von 23,6% entspricht«, so eine Mitarbeiterin der ARD auf meine Anfrage vom November 2010. Vergleicht man die Einschaltquoten zur sonntäglichen Hauptsendezeit (20.15 Uhr), so stellt man fest, dass der »Tatort« die Fernsehangebote der privaten Sender zur selben Sendezeit hinsichtlich der Einschaltquoten häufig übertrifft. So erreichte der »Tatort« zum Beispiel am 14.11.2010 fast 10 Millionen Zuschauer (26% Marktanteil), während die privaten Sender deutlich unter diesem Marktanteil blieben (Markhauser 2010). Beachtenswert ist, dass »[selbst] beim jungen Publikum […] der Krimi [»Tatort«] mit 3,27 Millionen Zuschauern und 20,5% [Marktanteil ebenso] in einer Liga mit der privaten Konkurrenz [spielt]« (ebd.). Wegen ihrer breiten Rezeption und langen Laufzeit birgt die Reihe »Tatort« ein gut verallgemeinerbares Erkenntnispotential für eine soziologische Analyse der dadurch bildlich geteilten Wissensbestände. Vor diesem Hintergrund wurden, wie oben erläutert, folgende zentrale Fragestellungen verfolgt: Kann ein zeitlicher Verlauf (eine Entwicklung) der visuellen Kodierungen von Leichendarstellungen in der vierzigjährigen Laufzeit der Reihe nachgezeichnet werden? Ist in den letzten zehn Jahren im Vergleich zu den vorangegangenen deutschen Darstellungen der letzten 30 Jahre ein deutlicher Einfluss der amerikanischen Kodierungen auf die Deutschen auszumachen (Westernisierung oder Hybridisierung)? Um diese Fragen genauer beantworten zu können und da die Fülle des untersuchten Materials dies nahelegt, wurden offensichtliche Merkmale der gefundenen Darstellungen von Leichen in der Pathologie (Geschlecht, Ethnizität, Alter, …) auch statistisch erfasst. Die Erhebung wurde also als Mixed-Method-Verfahren realisiert, da dies sich für mediale Artefakte besonders mit seriellem Charakter als geeignetste Vorgehensweise herausgestellt hat (vgl. Hickethier 2001:31 und Müller-Doohm 1993:438-457). Es folgt eine genaue Darstellung des Auswahlverfahrens und Charakterisierung der Stichprobe.

Über den Autor

Patrick Schubert, B.A. wurde 1988 in Berlin geboren. Sein Studium der Soziologie und Informatik an der Technischen Universität und der Humboldt Universität in Berlin schloss der Autor im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen im Wissenschaftsbetrieb als studentische Hilfskraft an der Technischen Universität Berlin. Seine Tätigkeit motivierte ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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