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  • Ja, so war das damals …: Die St. Bonifatius-Gemeinde in Hamburg-Wilhelmsburg zu Zeiten des Pfarrers Krieter, 35 Zeitzeugen berichten aus den Jahren 1934 bis 1963

Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 312
Abb.: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

35 Zeitzeugen machen unwiederbringliche Aussagen, wie sie als Katholiken die Nazi-Diktatur, die Schrecken des 2. Weltkrieges und die ersten Jahre der Bundesrepublik Deutschland im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg erlebt haben. Neben der allgemeinen deutschen Geschichte und der Ortsgeschichte wird vor allem das Leben des Pfarrers Krieter und seiner Kirchengemeinde St. Bonifatius aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet. Die Interviews, die der Autor in den Jahren 2003 bis 2007 durchgeführt und wissenschaftlich gesichert hat, liefern eine bunte Folge von Erlebnissen und Eindrücken, die in einmaliger Art Vergangenheit zum Leben erwecken.

Leseprobe

Textprobe: Diedrich, Rudolf. geboren im Jahre 1921. zur Zeit des Gespräches wohnhaft in Hilkerode. Gespräch am 31. 3. 2004. Di. = Herr Diedrich, Kt. = Ulrich Krieter Die in Klammern geschriebenen Wörter / Texte sind zum besseren Verständnis des Lesers eingefügt. Das Gespräch wurde mittels Diktiergerät aufgezeichnet. Kt.: Herr Diedrich, wissen Sie etwas über das Geburtshaus des Pfarrers Karl-Andreas Krieter? Di.: Die erste Bäckerei in Hilkerode war die seines Vaters, Andreas Krieter. Die Familie Krieter betrieb auch schon einen Kolonialwarenladen. Die Verkaufsstelle der Bäckerei lag an der Straßenkreuzung ‘Hilkeröder Straße’ / ‘Im Ellertal’ und ‘Pfingstanger’. Das alte Wohnhaus, das vor dem 1. Weltkrieg abbrannte, stand weiter abseits von der Straße. Dort befand sich auch das Backhaus. Dieses alte Haus haben nicht die Krieters selbst gebaut. Sie haben es von einem Handelsmann Ballhausen gekauft, der nach Mecklenburg-Schwerin ‘ausgewandert’ ist, wahrscheinlich nach Ludwigslust. Das Grundstück, auf dem die hinteren Gebäude des Gasthauses ‘Wiener Hof’ - Stallungen und Nebengebäude - standen, war Eigentum der Familie Andreas Krieter gewesen. Das neue, heute noch stehende Haus wurde im Jahre 1909 unmittelbar an der Straße gebaut. Ich habe die Chronik der Feuerwehr von Hilkerode geschrieben. In dieser Chronik habe ich den damaligen Brand erwähnt. Das wäre das, was ich von dem Haus weiß. Kt.: Wann hat die Familie Krieter die Bäckerei aufgegeben? Di.: Der Bruder des Pfarrers, Otto Krieter, hat noch Bäcker gelernt. Er hat die Bäckerei dann aber aufgegeben (Backstauballergie) und hat sich mehr der Landwirtschaft gewidmet. Er hatte neben dem Kaufmannsladen auch noch einen Kohlenhandel. Otto Krieters Sohn - Karl-Otto Krieter, der im 2.Weltkrieg geblieben ist - hat schon mit zwei Pferden Landwirtschaft betrieben. Er ist eine kurze Zeit lang auf dem Gymnasium gewesen. Das hat ihm aber wohl nicht behagt. Ich bin beim Fußballspielen immer mit ihm zusammen gewesen, obwohl der Altersunterschied sehr groß war. Er war ein lustiger Vogel und hat mich immer gern aufgezogen. ‘Szepan’ hat er mich immer genannt. Kt.: Was wissen Sie sonst noch bezüglich Karl-Andreas Krieter? Di.: Ich bin Jahrgang 1921, im Jahre 1928 in die Schule gekommen. So weit ich mich erinnere, kam der Pastor Krieter in der schweren Zeit der Arbeitslosigkeit- noch vor der Nazi-Zeit - jedes Jahr einmal nach Hilkerode. Er bekam dann wohl auch eine Kollekte als Spende für seine ‘Diasporagemeinde’. Mein Vater hat dann immer gesagt: ‘ Ha bruket wedder Jeeld.’ Die Kollekte war dann wahrscheinlich auch nicht schlecht. Pastor Krieter predigte nämlich immer über ‘Die 7 Werke der Barmherzigkeit’. Das war seine Standardpredigt. Durch Pastor Krieter sind mir die 7 Werke der Barmherzigkeit bekannt geworden. Ich war mit Leib und Seele Messdiener und habe oft bei ihm die Messe gedient. Damals war Karl Voss der Pfarrer von Hilkerode. Die beiden, Pfarrer Voss und Pastor Krieter, müssen sich gut gekannt und wohl auch gemocht haben. Verglichen mit Pfarrer Voss kam mir Karl-Andreas Krieter sehr ‘trocken’, sehr ‘sachlich’ vor. Er sprach auch ziemlich eintönig. Natürlich sind das alles kindliche Erinnerungen aus lange vergangener Zeit. Kt.: Charakterisieren Sie bitte einmal den Pfarrer Voss? Di.: Pfarrer Karl Voss hat als Seelsorger in Hilkerode sehr große Verdienste, insbesondere für ‘die liturgische Bewegung’. Karl Voss hat dafür gesorgt, dass man in Hilkerode von der alten Form der ‘stillen Messfeier’ abgekommen ist, die vom Geistlichen lateinisch gehalten wurde, während die Gläubigen still den Rosenkranz beteten. Er hat die Gemeinschaftsmesse und den ‘Schott’ (Messbuch für die Hand der Gläubigen, mit deutscher Übersetzung der lateinischen Messtexte) in Hilkerode eingeführt. So war Hilkerode - das haben wir als Kinder schon empfunden - den Nachbardörfern Rhumspringe und Rüdershausen in Sachen Liturgie weit voraus. Bei uns wurden in diesen Gemeinschaftsmessen die ‘Wandlungsworte’ schon - während der Geistliche sie leise lateinisch sprach - laut auf Deutsch gesprochen und zwar meistens von einem Mädchen, das als ‘Vorbeterin’ fungieren durfte. Die Mädchen hatten nach Ansicht des Pfarrers eine bessere Stimme und Aussprache als die Jungen, deswegen wurden wohl vorwiegend Mädchen als ‘Vorbeter’ genommen. Die sprachen dann laut während der Wandlung: ‘ Am Abend vor seinem Leiden nahm er Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände...’. Sie sehen daran, wie modern der Pfarrer Voss schon gewesen ist. Pfarrer Voss rief zur damaligen Zeit auch die so genannten 4 Stände - Kinder, Jugendliche, Männer und Frauen – und die entsprechenden ‘Standessonntage’ ins Leben. Pfarrer Karl Voss war vor seiner Tätigkeit als Pfarrer von Hilkerode im Konvikt in Duderstadt als Lehrer tätig gewesen. Vermutlich ist er nach dem 1. Weltkrieg an das Konvikt gekommen. Das müsste man in den Unterlagen des Konvikts überprüfen. Von 1927 bis 1936 hat er hier in Hilkerode gewirkt. Kt.: Welcher Pfarrer war in Hilkerode zur Kinder- und Jugendzeit von Karl-Andreas Krieter tätig? Di.: Das war Pfarrer Ring. Er war für Hilkerode zunächst nur als Kaplan zuständig. Damals wohnte er wohl noch in Rhumspringe. Dann ist er der erste Pfarrer hier in Hilkerode geworden und ist es bis 1927 geblieben. Pfarrer Ring war sehr beliebt. Da Karl-Andreas Krieter hier in Hilkerode zur Volksschule gegangen ist, hat er Pfarrer Ring als seinen ersten Pfarrer erlebt. Pfarrer Ring hat dem Karl-Andreas Krieter wahrscheinlich auch - wie das damals so üblich war- zusammen mit dem damaligen Hauptlehrer der Schule, Georg Muth, den ersten Lateinunterricht gegeben. Das war früher so! Hilkerode hat ja sehr viele Geistliche hervorgebracht. Der Hauptlehrer suchte die begabteren Jungen aus und förderte sie - zusammen mit dem Pfarrer - nachmittags besonders. Das habe ich sogar noch selbst erlebt. Mein Hauptlehrer - Herr Rittmeyer - konnte sogar selbst gut Latein! Wir hatten morgens den Volksschulunterricht und nach dem Mittagessen - gegen ein oder zwei Uhr - sind wir dann wieder angetreten zum Lateinunterricht. Kt.: Nach der Volksschule hat Karl-Andreas Krieter in Duderstadt das Gymnasium besucht. Wahrscheinlich hat er während dieser Zeit auch in Duderstadt gewohnt, denn es gab damals ja noch keine öffentlichen Verkehrsmittel von Hilkerode nach Duderstadt, und zu Fuß war der Weg nicht täglich zu schaffen. Di.: Ich kenne etliche Jungen aus Hilkerode, die in Duderstadt im Konvikt gelebt haben. Vermutlich hat auch Karl-Andreas Krieter während der Gymnasialzeit im Konvikt gelebt. Fahrräder sind in Hilkerode erst nach dem 1. Weltkrieg aufgekommen. Seit dieser Zeit sind die meisten Schüler aus Hilkerode mit dem Fahrrad nach Duderstadt gefahren. Kt.: Karl-Andreas Krieter hat schon 1910 das Abitur gemacht. ‘Konvikt’ ist ja auch nicht gleich ‘Progymnasium’. Karl- Andreas Krieter hat - das weiß ich sicher - zunächst das Progymnasium in Duderstadt besucht. Di.: Es gibt ja eine Chronik des Gymnasiums Duderstadt, die meine Kollegin Bormann geschrieben hat. Die müssten Sie sich besorgen (Irene Bormann, Keine Schule wie jede andere, Geschichte des Staatlichen Gymnasiums in Duderstadt 1876- 2001, Duderstadt, 2001). Kt.: Das werde ich tun. Zunächst bleibt aber die Frage, wo er in Duderstadt gewohnt und wer die Kosten getragen hat. Die Familie Krieter selbst war eigentlich nicht vermögend genug. Meine Cousinen Hedwig und Marianne meinen, gehört zu haben, dass Pfarrer Ring den Karl-Andreas Krieter finanziell unterstützt habe. Di.: Das weiß ich nicht. Kt.: Können Sie zum Abschluss unseres Gesprächs eine Aussage zu ihrem persönlichen Eindruck von Pfarrer Karl-Andreas Krieter machen? Di.: Nach dem 2. Weltkrieg, als ich hier in Hilkerode Gelegenheit hatte, mit ihm ein wenig zu sprechen, erschien er mir als ein Mann, der in allem wusste, was er wollte. Er wirkte auf mich sehr zielbestimmt, sehr agil, sehr praktisch orientiert. Dieser Eindruck passt ja auch zu der Tatsache, die ich gehört habe, dass er in Harburg-Wilhelmsburg etliche Häuser gebaut hat. Hier in Hilkerode hat er ja auch sein ‘Ruhestandshaus’ gebaut. Er ist einmal an mich herangetreten, als wir hier im Holztal noch keine feste Straße, sondern nur Feldwege hatten, und hat zu mir gesagt: ‘Mensch, Diedrich, hier muss doch `mal eine richtige Straße her!’ Damals standen aber hier noch ganz wenige Häuser. Er ist diesbezüglich wohl auch an die Gemeinde herangetreten. Kt.: Haben Sie zu Pfarrer Karl-Andreas Krieter weiteren Kontakt gehabt, als er in Hilkerode im Ruhestand lebte? Di.: Eigentlich nicht. Wenn man sich zufällig traf, aber sonst eigentlich nicht.

Über den Autor

Ulrich Krieter wurde 1942 in Münster geboren. Weil er Vollwaise geworden war, wurde er 1952 von seinem Onkel, dem kath. Pfarrer K.-A. Krieter, als Pflegekind aufgenommen. Bis zu seiner Volljährigkeit lebte er im Pfarrhaus der Kirchengemeinde St. Bonifatius in Hbg.-Wilhelmsburg. So erwarb er einen profunden Erfahrungsschatz hinsichtlich katholischer Religions- und Lebensauffassung. Nach dem Abitur an dem von Jesuiten geleiteten Hamburger Gymnasium St. Ansgar studierte er die Fächer Geschichte und Pädagogik und - in einem Zusatzstudium ab 1970 - Sonderpädagogik und Sport. Neben seiner Lehrertätigkeit an Sonderschulen für körperbehinderte und lernbehinderte Kinder übernahm er Lehraufträge an Gymnasien, am Institut für Lehrerfortbildung Hamburg, an der Fachschule für Sozialpädagogik und an der Universität Hamburg. Als Lehrwart des Hamburger Volleyball-Verbandes in den Jahren 1974 bis 1982 veröffentlichte er ‘Materialien zur Trainerausbildung’. Das Fachbuch ‘Volleyball - Technik, Taktik, Training, Kondition’ erschien im Jahre 1982 im BLV-Verlag. Seit seiner Pensionierung beschäftigt sich Ulrich Krieter intensiv mit der katholischen Kirchengeschichte Hamburgs. In diesem Zusammenhang veröffentlichte er bisher mehrere wissenschaftliche Aufsätze und drei Bücher.

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