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Kunst & Kultur

Eva Mertens

Der Manga- und Animefan: Vorurteil und Wirklichkeit - Gestern und heute

ISBN: 978-3-8428-9824-0

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 05.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 190
Abb.: 21
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Seit Anbeginn haben die deutsche Manga- und Animeszene und ihre Mitglieder (Fans) mit Vorurteilen zu kämpfen. Glaubt man diesen, so entstammt der typische Manga- und Animefan den sogenannten bildungsfernen Schichten und ist ungebildet. Er liest nur deshalb Manga oder sieht eigentlich nur für Kinder geeignete Anime, weil er entweder nicht in der Lage ist richtige Literatur zu lesen oder weil er einfach nicht Willens ist, dies zu tun. Die Fans sind realitätsfremd, Nerds, die nur vor dem Computer hängen und sich vor dem wirklichen Leben verstecken, keine richtigen Freunde haben und sich zudem permanent verkleiden und dies entweder sehr aufreizend oder waffenstrotzend. Die Medien Manga- und Anime sind pervers und somit ihre Konsumenten auch. Die Fans sind weiblich, kreischen und kichern immerzu. Sie sind halt dumm, zurückgeblieben, sexbesessen oder gewaltverherrlichend. Aber ist das wirklich so? Wie sieht der typische Manga- und Animefan in der Realität aus? Und hat sich am Bild in der Gesellschaft vielleicht in den letzten Jahren etwas verändert? Was sind überhaupt Vorurteile und worin unterscheiden sie sich von Einstellungen und Stereotypen, mit denen sie nicht selten verwechselt werden? Was haben soziale Normen damit zu tun und welche Rolle spielt der Konformitätsdruck? Das vorliegende Buch hat es sich zur Aufgabe gemacht, genau diese Fragen zu klären.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Die Manga- und Animeszene, gesellschaftliche Wahrnehmung, Hauptgruppen und Umfang der Szene: Die Manga- und Animeszene ist eine noch sehr junge Szene und gleichzeitig eigentlich in Deutschland eine alte Szene. Setzt man die Entstehung der Punks entweder auf den Anfang der 1970er Jahre in den USA durch Iggy Pop oder aber 1976 in England durch Malcolm McLaren – ist bis heute umstritten – und die der Gothics für den Anfang der 1980er Jahre im Allgemeinen an , setze ich den Beginn der Manga- und Animeszene, wie sie sich heute darstellt auf das Ende der 1990er Jahre fest. Es gab allerdings bereits zu Beginn der 1980er Jahre Mangafans. Diese eher männlichen und IT-affinen Fans unterschieden sich jedoch stark von denen, der 2009-Umfrage zugrunde liegenden Mehrheit. Aber sie besaßen bereits deutlich früher erste Szenestrukturen in Form einer eigenen Plattform bzw. erster kommunikativer Verknüpfungen in der Vor-Internetzeit. Diese Fans gehörten in der Regel anderen Szenen wie der Comicszene, Japanszene oder der Fantasyszene an und waren dort nur Randerscheinungen. Bis etwa 2000 hatten die Mehrheit der nachfolgenden Fangruppen aufgrund von Alter (zu jung) und fehlenden Kenntnissen wie auch fehlender technischer Voraussetzungen, keinen Zugang zu den Strukturen der ersten Szene und den entsprechenden Kommunikationsnetzwerken. Erst durch die späteren Hypes und die hereinströmenden Neufans wurden allgemein zugängliche Strukturen geschaffen und Ur- und heutige Szene vermischten sich bzw. wuchsen zusammen. Bereits in den 1970er Jahren wurden Anime im deutschen Fernsehen gezeigt. Sehr bekannt und beliebt waren Speed Racer (1971), Wiki und die starken Männer (1974), Biene Maja (1976) oder Heidi (1977). Und während man sich bei den Manga durchaus von Anbeginn an der Herkunft bewusst war, traf dies auf die Anime nicht zu. Man wusste in aller Regel nicht, dass man es mit einem japanischen Erzeugnis zu tun hat und selbst wenn, sah man darin keine Relevanz. Dies änderte sich – obwohl sich vereinzelte Fans bereits in den Anfängen der 1990er Jahre dessen bewusst wurden ?, ab 1997 aber auch mehrheitlich sehr schnell. Im Allgemeinen wird der Beginn der Szene mit der Ausstrahlung der Zeichentrickfilmserie Sailor Moon bei RTL II im Mai 1997 festgesetzt, obwohl zu dem damaligen Zeitpunkt noch kein Szenebewusstsein und auch noch keine Struktur vorhanden waren. Beides entwickelte sich erst im Laufe der darauffolgenden Jahre. Aber diese Animeserie war der Beginn einer für Jahre nicht enden wollenden Hype-Serie, die eine unglaubliche Menge an Fans in die schnell entstehende und größer werdende Szene spülte. Ihre Strukturen entstanden um die Jahrtausendwende und schufen die Basis für das heutige Gebilde. Seit spätestens 2005 jedoch scheint sie zu stagnieren, da RTL II als ‘Mutter’ aller Animesender, es nicht mehr schaffte, diese Hypes zu erzeugen. Zwischenzeitlich hatte sich der Sender sogar völlig aus dem Animeprogramm zurückgezogen. Für das Ausbleiben der Hypes gab es viele Gründe. So hatte man, nach Aussage des Senders, alle geeigneten und bezahlbaren Serien bereits abgeschöpft. Die noch verfügbaren waren entweder nicht mit unseren Mediengesetzen vereinbar, zu speziell oder hatten für das von RTL II verwendete Format (fünf Mal in der Woche je 20 Minuten) zu wenige Einzelepisoden, um als interessant und geeignet zu gelten. Der Komplettrückzug wurde mit der auf ‘Let’s fun’ geänderten Firmenphilosophie, den schwankenden und sinkenden Einschaltquoten sowie den Problemen mit den Fans begründet, die aufgrund der, aus ihrer Sicht, unsachgemäßen ausgeführten Schnitt- und Synchronisationsumsetzungen Sturm liefen. Nachdem zwischenzeitlich bei RTL II wieder ein sanftes Umdenken begonnen hatte und der Anime in reduzierter Form wieder in sein Programm zurückgekehrt war, allerdings durch eine Verlegung ins Internet, gab der Sender kürzlich endgültig seinen Komplettausstieg aus dem Animeprogramm bekannt. Aus heutiger Sicht ist es jedoch faszinierend, dass es trotz des Relevanzverlustes des Muttersenders der Szene keinen sichtbaren Rückgang der Mitgliederzahl mehr zu verzeichnen gibt. Die Fans müssen also auf anderen Wegen in die Szene gelangen und bei weitem nicht so viele diese verlassen, wie aufgrund der Thematik und dem Aspekt ‘Jugendszene’ von vielen angenommen bzw. prophezeit wurde. Denn nichtsdestotrotz ist die deutsche Manga- und Animeszene auch heute noch eine große Szene. Das öffentliche Auftreten der Szene, ihre Außenwirkung, öffentliche Wahrnehmung: Alles in dieser Szene kreist um die zwei Medien Manga, Anime sowie Spiel. Das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit ist jedoch zumeist nur – vielleicht liegt die Ursache im Namen der Szene begründet – von den ersten beiden Medien geprägt. In der Öffentlichkeit wird die Szene oft durch eine Untergruppe (Subszene) wahrgenommen, deren Hauptmerkmal im Kostümieren (Cosplayen) liegt. Ziel des Cosplay (Kostüm) ist es, einen bestimmten Charakter aus einem Manga oder einem Anime (oder auch Spiel) möglichst detailgetreu zu repräsentieren. Hierzu nehmen die Fans sehr viel Mühen und Kosten auf sich, da es für viele Cosplayer Ehrensache ist, das Cosplay selbst herzustellen, einschließlich der dazugehörigen Accessoires wie Waffen, magische und andere typische Gegenstände. Diese Gruppe ist jedoch nur eine von vielen Untergruppen der Szene. Daneben finden sich Subszenen, die aus der Kombination von Musik und Filmsequenzen ein völlig neues Kunstprodukt in Form von Film- bzw. Videoclips zusammenstellen. Aber auch der Modellbau hat seine eigenen Subszenen in der deutschen Manga- und Animeszene (Model Kit), wie auch die Synchronisation (Dubber) oder das Unterlegen ausländischer Produktionen mit Untertiteln (Fansubber). Sehr große Subszenen sind Fanfiction und Fanart sowie das verbindende Element ‘Dojinshi’. Hier haben sich Subszenen gebildet, die bereits vorhandene Geschichten weiterschreiben, in Form von Text und Referenztext neue Geschichten um ihren Lieblingscharakter erstellen (Fanfiction) oder aber ganze Manga neu erfinden und schreiben / zeichnen (Dojinshi). Während die Produktion von Manga also das Schreiben mit dem Zeichnen verbindet, widmen sich diejenigen die Fanarts erstellen nur dem Aspekt Zeichnen. Die Spannbreite ist sehr groß und die Anzahl ebenso. Jeder denkbare Aspekt im Zusammenhang mit Manga, Anime oder den entsprechenden Spielen ist umformbar in das Konstrukt einer Subszene oder bereits in eine solche überführt. Damit hat die deutsche Manga- und Animeszene, ähnlich wie die Gothicszene , im Laufe der Zeit eine Vielzahl an Szenen in der Szene gebildet, die jedoch neben dem teilweise extravaganten Auftreten der Cosplayer und dem lebendigen der jüngeren Fans in der Öffentlichkeit meist nicht wahrgenommen werden. Geht man zum Beispiel während der Leipziger- oder Frankfurter Buchmesse in Richtung Comic-Halle, so ist es unmöglich, die kostümierten Mitglieder der Manga- und Animeszene zu übersehen, während aber jemand, der selbst Manga schreibt und / oder zeichnet, als Bestandteil der Szene nicht erkennbar ist. In Kassel zu Zeiten der Connichi, einer der ältesten Convention (Szenemesse) der Szene, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die Stadt den Fans und von der Wahrnehmung her den Cosplayern gehört. Dagegen fallen aber die ‘einfachen’ Fans, die Rollenspieler, die Anhänger des Figurenbaus (Model Kit) oder auch viele andere Mitglieder von Subszenen, die ebenfalls dieses Event besuchen, nicht auf. Gerade in den Anfangsjahren, als die Szene noch jung und man an das Erscheinungsbild der Cosplayer noch nicht gewöhnt war, trafen diese Fans nicht selten auf völliges Unverständnis. Den teilweise leichtbekleideten Mädchen und Jungen warf man Perversität und wegen ihres Hanges zur Verkleidung auch gerne Weltfremdheit und Realitätsflucht vor, sowie, wegen ihrer Vorliebe für vermeintliche Kinderliteratur bzw. -sendungen, Naivität und intellektuelle Rückständigkeit. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der szenetypischen Probleme, die sich auch in Vorurteilen äußern, auf einen Bruch mit gesellschaftlichen Verhaltenserwartungen, d.h. mit einem Abweichen von gesellschaftlichen Normen zurückzuführen ist. Es findet aus der Perspektive der gesellschaftlichen Mehrheitsgruppe der ‘Normalbürger’ ein Verstoß gegen die Konformität statt.

Über den Autor

Eva Mertens hat Germanistik und Sozialwissenschaften zunächst an der Universität zu Köln und später dann an der Universität Rostock studiert. Vor ihrem Studium war Frau Mertens verfügt über eine abgeschlossene Bankausbildung und hat vor allen Dingen im Finanz- und Versicherungs- sowie im Consultingbereich gearbeitet. Sie ist Gründerin und Projektleiterin des Ani-Ma-Projekts, dass seit 2009 im Umfeld der deutschen Manga- und Animeszene tätig ist. Das Ziel dieses Buches liegt darin, das Bild, dass Gesellschaft von dieser Großgruppe hat, mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen und damit Akzeptanz zu erzeugen. Das vorliegende Buch stellt einen weiteren Schritt in diese Richtung dar, indem es Vorurteile aufgreift und sie auf der Basis von Daten und Fakten auf ihren empirischen Bestand hin prüft. Derzeit arbeitet Frau Mertens, neben einem Projekt zur Generationenlage innerhalb der Szene, an ihrer Dissertation. Diese greift Veränderungen in der Szenelandschaft auf und zeigt am Beispiel der deutschen Manga- und Animeszene, wie diese sich strukturell auswirken.

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