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Pädagogik & Soziales

Manfred J. Foerster

Bindungserfahrungen und Persönlichkeitsstörungen: Ursachen – Folgen – Wirkungen

Kriminalpsychologische Vorlesungen

ISBN: 978-3-95935-162-1

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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 12.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 164
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Beiträge entstammen einer kriminalpsychologischen Vorlesungsreihe an der Johannes – Gutenberg-Universität – Mainz, Fachbereich Erziehungswissenschaft. Themenschwerpunkte: Frühkindliche Bindungserfahrungen und deren Relevanz für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit. Frühkindliche Traumatisierungen und Persönlichkeitsstörungen wie Borderline- Störungen, narzißtische Störungen, antisoziale Persönlichkeitsstörungen. Persönlichkeitstäter und deren risikorelevante charakterologische Problembereiche, die tatmotivierend im Hinblick auf Sexual- und Gewaltdelikte sind und prognostizierende Hinweise in Bezug auf Rückfallgefährdung und Therapiefähigkeit enthalten. Hoch- Risiko- Phantasien und psychische Verlaufphasen zu sexualpathologischen Tötungsdelikten, sowie einschlägige Täterprofile. Psychopathologie des Rassismus und Antisemitismus. Eine kritische Betrachtung eines psychischen Phänomens aus der Mitte der Gesellschaft. Die Psychopathologie des Rassismus und Antisemitismus hat eine lange Tradition und stellt sich nicht als psychiatrisches Phänomen im Einzelfall dar. Der Rassist muß nicht unbedingt im klinischen Sinn an einer Persönlichkeitsstörung leiden, sondern er befindet sich im psychsozialen Normalgefälle der Gesellschaft. Eugen Drewermanns analytische Rezeption der Borderline- Persönlichkeitsstörung oder Wege zur Selbstheilung. Eine kritische Betrachtung postmoderner Selbstheilungsmethoden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel: Frühe Bindungserfahrungen und antisoziale Persönlichkeitsstruktur bei Straftätern: Vorbemerkungen: Psychologische Voraussetzungen zur Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit: Im Hinblick auf destruktive Erscheinungsformen, welche im klinischen Kontext der Persönlichkeitsstörungen auftreten, lassen sich bestimmte sozialisationsspezifische Bedingungen feststellen, die entweder solche Störungen verhindern helfen, oder aber im ungünstigen Falle zur Genese derartiger Störungsbilder beitragen. In beiden Fällen werden die lebenswichtigen Weichen im familialen Klima gestellt, wenngleich auch Umweltfaktoren in gewisser Weise hieran beteiligt sind. Aus klinisch-therapeutischer und forensicher Sicht lassen sich daher mehr oder weniger Persönlichkeitsstörungen nachweisen, die ihren Ursprung in einem spezifischen familialen Herkunftsmilieu haben, in denen unentwegt ein sowohl frustrierendes als ebenso traumatisierendes Erziehungsklima vorherrscht. Wobei zunächst die Frage offen bleiben muß, inwieweit der Einfluß sowohl negativer, als auch positiver Umweltfaktoren durch die Erfahrungen im familiären Umfeld determiniert bzw. favorisiert wird. Wenn, wie die Schweizer Psychoanalytikern Alice Miller feststellt, daß das, was einem Kinde in den ersten Lebensjahren von seiten seiner elterlichen Bezugspersonen an destruktiven Erziehungsakten angetan wird, unweigerlich auf die Gesellschaft in Form von aggressivem oder dissozialem Verhalten früher oder später zurückschlägt in Form von Psychosen, Delinquenz, antisozialem Verhalten, Drogensucht, Alkoholismus und chronischer Depressivität, so kann davon ausgegangen werden, daß wesentliche Erziehungsprämissen für das seelische und körperliche Wachsen und Werden eines Kindes unabdingbar sind. Jedes Kind kommt auf die Welt, um zu wachsen, sich zu entfalten, zu leben, zu lieben und seine Bedürfnisse und Gefühle zu seinem Schutz zu artikulieren. Um sich entfalten zu können, braucht das Kind die Achtung und den Schutz der Erwachsenen, die es ernst nehmen, lieben und ihm ehrlich helfen, sich zu orientieren. Werden diese lebenswichtige Bedürfnisse des Kindes frustriert, wird das Kind statt dessen für die Bedürfnisse Erwachsener ausgebeutet, manipuliert, vernachlässigt, betrogen, geschlagen, mißbraucht gestraft, ohne daß je ein Zeuge eingreift, so wird die Integrität des Kindes nachhaltig verletzt. Die normale Reaktion auf die Verletzung wäre Zorn und Schmerz. .Da der Zorn aber in einer verletzenden Umgebung dem Kind verboten ist und da das Erlebnis der Schmerzen in der Einsamkeit unerträglich wäre, da es mit niemand darüber reden kann, muß es das Gefühl unterdrücken und die Quelle des Schmerzes abspalten, die Erinnerung an das Trauma verdrängen und seine Angreifer idealisieren. Daher weiß es später nicht, was ihm angetan wurde. Jene, nun von ihrem eigentlichen Grund, abgespalteten Gefühle von Zorn, Ohnmacht, Verzweiflung, Sehnsucht, Angst und Schmerz, verschaffen sich dennoch Ausdruck in zerstörerischen Aktionen gegen andere, (Kriminalität, Mord u.ä.) oder gegen sich selbst als autoaggressive Handlungen und Verhaltensweisen, wie Drogensucht, Alkoholismus, promiskuitives Sexualverhalten, psychische Erkrankungen oder Tendenzen zum Suizid. Im Allgemeinen bleibt festzustellen, daß körperliche Mißhandlungen in hohem Maße mit der späteren Neigung zu Gewalthandlungen korrelieren, da die mitmenschlichen Beziehungen primär als gewaltbesetzt erlebt wurden. Melanie Klein beschreibt die ersten Lebensmonate des Kleinkindes als paranoid-schizoide Position, bei der einerseits Vernichtungsangst dominiert und andererseits die ersten, wenngleich unbewußten Schritte zu einer Objektbeziehung getan werden, die jedoch an spezifische qualitative Interaktionsprozesse des Kindes mit der Mutter geknüpft sind. In Perioden, die frei von Hunger und Spannungen sind, d.h. in denen die elementarsten Grundbedürfnisse des Kindes angemessen befriedigt werden, besteht ein optimales Gleichgewicht von libidinösen und aggressiven Impulsen. Der symptomatische Kernkonflikt, der Kernberg zufolge, in dem Spannungsverhältnis zwischen oral-libidinösen, also Befriedigungen und oral-aggressiven, also Verweigerung von momentanen Bedürfnissen besteht, ist hier weitgehend ausgeblendet, wobei letzteres die entscheidende genetische Voraussetzung zu späteren Persönlichkeitsstörungen bildet. Jene oral libidinösen und oral destruktiv-aggressiven Impulse, die unmittelbar mit der oralen Versorgung des Säuglings zusammenhängen sind von Anfang an auf die mütterliche Brust gerichtet, wobei bei entscheidenden Bedürfnisversagungen die sogenannte Vernichtungsangst entsteht, die enger Korrespondenz mit Freuds Auffassung des Todestriebes steht. Die oral-libidinöse Ausgestaltung der Bedürfnisse korrespondiert in theoretischer Hinsicht an Freuds Konstrukt des Lebenstriebes, der Libido Melanie Klein und Karl Abraham vermuten, daß der Konflikt zwischen Leben und Tod, zwischen Libido und Thanatos bzw. Lebens- und Todestrieb bereits mit dem, allerdings unbewußten, Vorgang der Geburt als schmerzhaftes Erlebnis entsteht und die Vernichtungsangst., die auch dann auftritt, wenn existentielle Grundbedürfnisse nicht zureichend befriedigt werden, als psychische Begleiterscheinung als sogernanntes Geburtstraumata verbleibt., und im negativen Fall, d.h. unter überwiegend negativen Einflüssen, die Biographie des Individuums in der ein oder anderen Form durchzieht. Somit wäre Melanie Klein und Karl Abraham zufolge, die Vernichtungsangst ein allgemeines anthropologisches Wesensmerkmal der menschlichen Psyche. An diese Auffassung knüpfen auch Existenzphilosophen, wie bspw. Sartre, Camus an, die von einer Grundausstattung des Menschen ausgehen, welche durch Angst und deren Überwindung gekennzeichnet ist. Der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich geht sogar davon aus, daß die Überwindung der Angst eine der wichtigsten Aufgaben zur Persönlichkeitsentfaltung überhaupt darstellt. Nur durch eine empathische und konstruktive Erziehung läßt sich diese zerstörerische Vernichtungsangst in Grenzen halten, in dem sie durch die schützende Angst oder Furcht ihre sozial wünschenswerte Sublimierung erfährt ohne einen neurotischen Charakter anzunehmen. Die wiederholten Erfahrungen von Befriedigung und Versagungen sind starke Reize für libidinöse und destruktive Tendenzen, demzufolge die Basis für Liebe und Haß gelegt wird. Daher wird die mütterliche Brust , insoweit sie befriedigt, geliebt und als ausschließlich gutes Objekt wahrgenommen. Insoweit sie sich als Ausgangspunkt von Versagungen erweist, wird sie gehaßt und als böse empfunden. Da das Kleinkind noch über kein autonomes Subjekt-Objekt-Bild verfügt, (D.h. es kann zwischen sich und der Mutter noch nicht unterscheiden) empfindet es innerhalb der noch gewissermaßen symbiotischen Beziehung sich entsprechend als gut oder böse . Neben dem Stadium der Befriedigung und Versagung, die aus exogenen Quellen heraus erfahrbar werden, tragen Introjektion und Projektion als unbewußt ablaufende endogene- psychische Prozesse, zu der doppelten und ihrem Wesen nach ambivalenten Beziehung des Kindes zum mütterlichen Objekt bei. Das Kind projiziert seine Liebesregungen auf das mütterliche Objekt und schreibt sie der mütterlichen Brust als Symbol der Lusterfüllung zu. Ebenso werden seine destruktiven, weil versagenden Erfahrungen dem mütterlichen Objekt zugeschrieben und als aggressive Regungen auf die mütterliche Brust projiziert. Durch den unbewußten Vorgang der Introjektion, der gleichfalls eine wichtige Voraussetzung zur späteren Über-Ich-Bildung darstellt, werden die Erfahrungen mit der guten oder mit der bösen Brust in das eigene kindliche Selbst aufgenommen, so daß das Kind je nach Erfahrungshinterrund entweder sich selbst als gut und somit zufrieden fühlt oder im negativen Fall, sich als böse und frustriert empfindet. Es wird gewissermaßen eine gute und/oder böse Brust- Erfahrung im Inneren aufgebaut. Überwiegen hierbei qualitativ und quantitativ die guten Erfahrungen bildet sich allmählich ein Urvertrauen in die Objekte der umgebenden Welt aus. Hingegen manifestiert die überwiegende negative Erfahrung die Tendenz zu Mißtrauen und die Annahme, die Welt sei schlecht und feindselig, so daß schließlich die äußeren Objekte im innerpsychischen Bereich die introjizierten bösartigen Erfahrungen widerspiegeln. Die Vernichtungsangst wird bei Säuglingen nach Auffassung des englischen Kinder- und Jugendpsychologen und Psychoanalytiker Donald W.Winnicott stets bei Bedürfnisverweigerung und gegenüber allen Situationen ausgelöst, die unerwartet und deshalb für die Existenz des Säuglings gefährlich und bedrohlich erscheinen. Winnicott ist der Ansicht, daß sich am Anfang eines Lebens jedes Kind so verhalte, als sei jedes unerwartete Ereignis eine Gefahr. Somit entsteht als spontane Reaktion Angst, die zugleich mit einer Vernichtungsdrohung verbunden scheint, infolge derer, sich das Baby ständig am Rande unvorstellbarer Angst bewegt. Die Reduzierung dieser Angst und deren Sublimierung in Urvertrauen, ist daher das vorderrangige Ziel frühkindlicher Erziehung und Sozialisation. Wird diese Sublimierung und Transformation von Urangst in Urvertrauen nicht erreicht und wird das Kind permanent diesen bedrohlichen Situationen ausgesetzt, so kommt es mittelfristig zum Zusammenbrechen der körperlichen Funktionen ein Gefühl der Bodenlosigkeit stellt sich ein, darüberhinaus wird dem Kind verwehrt, eine positive Beziehung zum eigenen Körper zu entwickeln, und schließlich wird die Orientierung an den Strukturen der Außenwelt erheblich erschwert. Ebenso ruft das sogenannte falsche Halten, Winnicott zufolge, extremes Unbehagen hervor und bildet daher die Grundlage für das Gefühl des Zusammenbrechens, unaufhaltsam zu fallen und das Gefühl, die äußere Realität sei zur Beruhigung nicht zu gebrauchen. Hinter alledem verbirgt sich das psychische Phänomen einer unspezifischen frei flottierenden Angst, die das Kind überfällt. Der Säugling kann zwar eine konkrete Gefahr nicht erkennen, weder kann er sie phantasieren, aber dennoch entwickelt er in frustrierenden Situationen eine diffuse Angst, welche für ihn existentielle Bedeutung hat. Der einzige Schutz dagegen, ist Winnicott zufolge, die haltende Funktion der elterlichen Bezugsperson und eine konstante Bindung. Die Vernichtungsangst bezieht sich konkret eher auf das gefühlte Erleben von Verlassenheit und das hiermit verbundene Ausmaß der Angst, als auf die Handlung, bzw. das Verhalten, welches die Bezugsperson gegenüber dem Säugling einnimmt. Die Vernichtungsangst stellt sich deshalb ein, da der Säugling Situationen weder vorausahnen, noch deren Verlauf, sowohl im Positiven als auch im Negativen einschätzen kann. Er weiß nicht, daß er das Essen im nächsten Augenblick erhält und der Wartezustand ein Ende hat. Liegt zwischen dem Auftreten des Bedürfnisses und der Befriedigung nur ein relativ kurzer Zeitraum, so bleibt die Frustration folgenlos und die Vernichtungsangst kann in Grenzen gehalten und in dem Maße abgebaut werden, wie die Befriedigung erfolgt und eine konstant haltende Funktion durch die Bezugsperson wahrgenommen wird. Vertrauen in die umgebende Welt stellt sich ein. Der Säugling erlernt außerdem eine allmähliche Frustrationstoleranz aufzubauen, die im Hinblick auf spätere Sublimierungseigenschaften von außerordentlicher Bedeutung ist. Eine weitere Qualität von Vernichtungsangst entsteht als Folge anhaltender Traumatisierungen, wie etwa sexueller Mißbrauch und körperlicher Gewalt. Diese ist, unabhängig vom Alter aufgrund ihres subjektiven Charakters, daher die erste und elementarste Form auf jedes Ereignis, was als vitale Bedrohung erlebt wird .Im Normalfall mindert sich die Vernichtungsangst, wie Bedürfnissicherheit und Kontinuität der haltenden Funktionen zunimmt. Ist dies jedoch nicht der Fall und bleiben die Frustrationen und Traumatisierungsphänomene dauerhaft bestehen, so daß sie einen chronischen Habitus annehmen, so bleibt die Vernichtungsangst übergreifend als psychischer Mechanismus bestehen und transformiert in die borderline-typischen frei flottierenden Angst. Die Folge ist die Genese von Persönlichkeitsstörungen unterschiedlicher Qualität. Ein Realtrauma entsteht zumeist innerhalb einer länger vorhandenen Familienatmosphäre, die in chronischer Weise durch verschiedene psychische und soziale Belastungen kontaminiert ist. Bei Mißbrauch ist daher die Angst ein konstitutives Merkmal des Mißbrauchs als traumatische Handlung. Es entsteht ein Teufelskreis, indem die Erwartungsangst vor dem Mißbrauch eine erhöhte Feindseligkeit erzeugt, in Form von Haß, Wut und Aggressionen, aber auch von Abhängigkeit und ambivalenter Unterordnung unter dem Aggressor. Diese wiederum erzeugt eine erhöhte Erwartungsangst. Traumatisierende Situationen sind von einer Asymmetrie von Macht und Ohnmacht gekennzeichnet. Um diese auszugleichen, werden vom Opfer Haß, Aggression und Wut gegen den Täter eingesetzt. Aber ebenso reagiert es mit Ohnmacht und Resignation. Kinder, die in einem Umfeld chronischer Gewalt und psychischen Traumatisierungen aufwachsen, fehlt es daher häufig an der Feinabstimmung von Affekten auf der Basis einer gut modulierten Affekterfahrung und damit die Voraussetzung zu einer gesunden und stabilen Ich-Entwicklung. Sie entwickeln daher oftmals primitive Abwehrmechanismen, welche dem Versuch dienen, ihre extreme Angst zu reduzieren, die sie aber dazu verleiten, auf äußere Ereignisse inadäquat zu reagieren. Im Verlaufe ihrer weiteren Biographie werden diese zu gängigen Standards ihres sozialen Verhaltens, vor allem dann, wenn keine rechtzeitigen Korrekturen erfolgen. Weitere differentialdiagnostische Überlegungen werden wir im Verlaufe des Semesters anhand der Borderline- Symptomatik und der narzißtischen Störungen behandeln. Hierbei werden wir feststellen, daß die einzelnen Störungsbilder sehr unterschiedlich sind im Hinblick auf Ursache und Erscheinungsbild. D-h. , um eine genauere Analyse eines individuellen Krankheitsbildes zu erstellen, müssen wir die gesamte Persönlichkeit berücksichtigen. Im Gegensatz zu psychotischen Erkrankungen werden bei Borderline –Erkrankungen diese primitiven Abwehrmechanismen zur Aufrechterhaltung des Identitätsgleichgewichtes eingesetzt, um somit einer drohenden Identitätsdiffusion, wie sie bei Psychotikern auftritt, zu entgehen. Vertrauen gegen Urmißtrauen: Im frühesten Säuglingsalter - während der Beziehung zur Mutter oder mütterlichen Bezugsperson - werden bereits die Weichen zu einer stabilen Persönlichkeitsentwicklung gestellt. Somit ist der früheste Beweis für das wachsende Vertrauen des Kindes in die Gesellschaft die regelmäßige Versorgung mit Nahrung, körperlicher Zuwendung und Wärme Das Kind erlebt die Regulierung seiner wachsenden Fähigkeit der Nahrungsaufnahme mit der positiv getönten Nährtechnik der Mutter. D.h. die Mutter muß bei der Stillung des Kindes den Narzißmus des Kindes in ihren Augen spiegeln, was nichts anderes bedeutet, als daß die Mutter dem Kinde zugewandt eine haltende Funktion einnimmt, wodurch sich das Kind sicher und geborgen fühlt. Dies erzeugt beim Kind Wohlbehagen, Zufriedenheit, ein positiv getöntes körperliches Eigenerleben und die Entfaltung von Vertrauen, nicht nur in die stillende Person (Brust, Mutter), sondern zugleich in die umgebende Welt . Hierdurch kann sich erst eine gesicherte positiv getönte Objektbeziehung einstellen, welche für die Entwicklung zur sozialen Kompetenz außerordentlich bedeutsam ist. Zugleich entsteht unbewußt in der Wahrnehmung des Kindes eine sogenannte libidinöse orale Beziehung zur stillenden Person. Dies setzt von Seiten der mütterlichen Bezugsperson eine permanente sichere Bindung voraus, in der die elementaren Bedürfnisse des Kindes erkannt und entsprechend angemessen befriedigt werden. Die Erfahrung einer sicheren Bindung bildet die Voraussetzung des sogenannten Urvertrauens und der späteren Art und Weise, wie soziale Kontakte praktiziert werden. Die sichere Bindung bildet ein sogenanntes inneres Arbeitsmodell aus, welches alle späteren sozialen Kontakte und mitmenschlichen Beziehungen prägt. Wie umgekehrt die unsicheren Bindungserfahrungen Urmißtrauen begünstigen und spätere soziale Kontakte in negativer Weise beeinflussen. Sichere Bindung und das hierdurch vermittelte innere Arbeitsmodell bilden den Erkenntnissen der Bindungstheorie zufolge eine relativ sichere Gewähr, Devianz und spätere Delinquenz zu verhindern und tragen in hohem Maße zur Entwicklung eines stabilen Selbstkonzeptes bei. Das Erleben einer konstanten angemessenen Bedürfnisbefriedigung liefert dem Kind ein grundlegendes Gefühl der eigenen Identität (Ich-Identität), welches positiv als Selbstwertgefühl wahrgenommen wird. Das Kind weiß um eine innere Welt voraussehbarer Empfindungen und Bilder (wenn es Hunger hat weiß es aus Erfahrung, daß es gestillt wird), die in Verbindung mit verläßlichen Personen und Ereignissen stehen. Hierdurch lernt das Kind, Ereignisse zu antizipieren, sie einzuschätzen und sich ohne Angst darauf einzulassen. Risikofaktoren zu Abweichendem und späteren delinquentem Verhalten: Im umgekehrten Fall, d.h. das Fehlen einer sicheren Bindung (unsicher-ambivalente und/oder unsicher-vermeidende Bindung) und den damit verbundenen psychischen und körperlichen Vernachlässigungen, sowie Mißhandlungen, psychischer und/oder sexueller Mißbrauch durch die unmittelbaren Bezugspersonen, lösen permanente Streßsituationen aus, in deren Folge die borderlinetypische frei flottierende oder diffuse Angst entsteht. Aus den Biographien von Straftätern, vor allem Gewalt- Wiederholungs- und Sexualdeliktern geht oftmals hervor, daß diese Personen diesen traumatisierenden Ereignissen permanent ausgesetzt waren und in diesen Familien unsichere Bindungsmuster praktiziert wurden. Sichere Bindungserfahrungen gelten daher nach Erkenntnissen der Kriminologie als wesentlicher Schutzfaktor vor Devianz (abweichendes Verhalten im Kindheits- und Jugendalter) sowie späterer Delinquenz.

Über den Autor

Manfred J. Foerster studierte Psychologie, Erziehungswissenschaft, Soziologie und Philosophie in Aachen und Mainz und promovierte in Heidelberg über die Analytische Psychologie C.G. Jungs. Er ist als Lehrbeauftragter im Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz tätig, mit den Schwerpunkten: Frühkindliche Bindungserfahrungen und Sozialisation, Ursachen und Auswirkungen von Persönlichkeitsstörungen sowie Persönlichkeitsprofile von Gewalt- und Sexualdeliktern. Wichtigste Veröffentlichungen: Individuation und Objektbeziehung Eine Auseinandersetzung mit der Analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs (Aachen 2000) Bindungstheorie und Persönlichkeitsstörungen bei Klienten der Straffälligenhilfe, in: DVJJ 2002/ Heft 3 Lasten der Vergangenheit Traditionslinien zum Nationalsozialismus (London 2006) Zur Psychopathologie des Rassismus und Antisemitismus (Aachen 2009) Übertragung-Persönlichkeitsstörungen und das Dilemma des Helfers, in: Bewährungshilfe Soziales- Strafrecht- Kriminalpolitik 2003/ Heft 1) Zum Umgang mit Sexual- und Gewaltdelinquenten in der Straffälligenhilfe aus Sicht der Objektbeziehungs- und Bindungstheorie, in: Bewährungshilfe Soziales- Strafrecht- Kriminalpolitik/ 2003/ Heft 3 Frühe Traumatisierungen und Delinquenz- der Täter als Opfer seiner Biographie. Zur Wirklichkeit früher Traumatisierungen im Kontext der Straffälligenhilfe (Ursachen- Auswirkungen- Perspektiven) in: Neue Praxis, 2005/Heft 4 Die antisoziale Persönlichkeit im Strafvollzug dargestellt an der Person des Hannibal Lecter aus dem Film Das Schweigen der Lämmer, in: Forum Strafvollzug, 2013/ Heft 3 Bildungsbürger Nationaler Mythos und Untertan Betrachtungen zur Kultur des Bürgertums (Aachen 2009)

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