Suche

» erweiterte Suche » Sitemap

  • Sie befinden sich:
  • Fachbücher
  • »
  • Pädagogik & Soziales
  • »
  • Hausaufgaben in der Therapie psychischer Störungen: Einsatz und Nutzen in einer psychotherapeutischen Ambulanz

Pädagogik & Soziales


» Bild vergrößern
» Blick ins Buch
» weitere Bücher zum Thema


» Buch empfehlen
» Buch bewerten
Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Abb.: 38
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Therapie psychischer Störungen wird häufig definiert als ein geplanter, zielorientierter Prozess, um problematische, die Lebensführung beeinträchtigende Erlebens- und Verhaltensweisen eines Patienten zu verändern (Fehm & Helbig, 2008). Umfassende Veränderungen, wie sie hier angestrebt werden, lassen sich nicht ausschließlich innerhalb der zeitlich stark begrenzten Therapiesitzungen erreichen, weshalb auch die Zeit außerhalb der Sitzungen zunehmende Beachtung findet. Ein wesentliches Therapieelement, um die Zeit zwischen den einzelnen Sitzungen nutzbar zu machen und einen Transfer des Gelernten in den Alltag zu erreichen, ist der Einsatz therapeutischer Hausaufgaben. Heute sind Hausaufgaben ein wesentlicher Bestandteil zahlreicher Therapiemanuale für eine Reihe psychischer Störungen wie z.B. Depressionen, Panikstörungen, Bulimie, Schlafstörungen u.v.m. und ihre Wirksamkeit wurde in einer Reihe von Studien und in einigen Metaanalysen untersucht. Allerdings liegen außerhalb kontrollierter Therapiestudien kaum Daten zur Nutzung von Hausaufgaben vor. So existieren nur wenige Studien, die sich mit der Rolle therapeutischer Hausaufgaben in der klinischen Praxis befassen und näher untersuchen, ob Hausaufgaben tatsächlich systematisch genutzt werden und welchen Einfluss ein unsystematischer Einsatz auf das Therapieergebnis hat. Die vorliegende Studie versucht einen Beitrag zu diesem Themengebiet zu leisten, indem anhand von Stundenprotokollen einer psychotherapeutischen Ambulanz die tatsächliche Nutzung von Hausaufgaben in der klinischen Praxis näher untersucht wird. Zusätzlich wird überprüft, welchen Beitrag die Bearbeitung von Hausaufgaben im Therapiefortschritt leistet.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.4.2, Die Einstellung zu und der Einsatz von Hausaufgaben in der klinischen Praxis: In der alle zehn Jahre durchgeführten Delphi-Experten-Befragung zur Zukunft der (US-amerikanischen) Psychotherapie wurden 62 führende Wissenschaftler und Therapeuten unterschiedlicher Therapierichtungen befragt, wie sich die Bedeutung verschiedener therapeutischer Techniken ihrer Meinung nach in den nächsten zehn Jahren entwickeln wird (Norcross, Hedges & Prochaska, 2002). Psychotherapeutische Hausaufgaben wurden hierbei als die Technik mit dem größten Entwicklungspotential beurteilt. Die Einstellung von Praktikern gegenüber einer Interventionsmethode hat natürlich einen Einfluss darauf, wie häufig sie diese in ihrer Therapie anwenden werden (Fehm & Kazantzis, 2004). Eine Befragung, die sich unter anderem mit den Einstellungen von Therapeuten im Bezug auf Hausaufgaben bei verschiedenen Störungen beschäftigt, wurde von Kazantzis und Deane (1999) an einem Sample von 221 neuseeländischen Psychologen verschiedener Therapieschulen durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass mindestens 80% der Befragten Hausaufgaben als sehr wichtig in der Behandlung von Angststörungen und sozialen Defiziten bzw. Selbstunsicherheit einstufen. Immerhin 65% stimmten dem auch bei Depressionen, Essstörungen, Schlafstörungen, Zwangsstörungen und sexuellen Dysfunktionen zu. Allerdings urteilten etwa 50% der Therapeuten, dass Hausaufgaben bei Halluzinationen, Lernstörungen und sexuellem Missbrauch eher weniger wichtig sind. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Kazantzis und Dattilio (2010) in einem nordamerikanischen Sample (N=827): Hausaufgaben wurden u.a. bei Angststörungen, Depressionen, Schlafstörungen, Essstörungen, Substanzabhängigkeit und Beziehungsproblemen als wichtiger eingestuft, als zum Beispiel in der Therapie von Schizophrenie, Entwicklungsstörungen oder psychotischen Störungen. Obwohl in theoretischen Formulierungen die Rolle von Hausaufgaben immer wieder betont wird, stellten Kazantzis und Deane noch 1999 fest, dass es kaum Studien darüber gibt, wie häufig Hausaufgaben in der klinischen Praxis tatsächlich genutzt werden, wie diese in die Therapie integriert werden oder welche Arten von Hausaufgaben vereinbart werden. In ihrer Studie geben 98% der Therapeuten an Hausaufgaben in ihren Therapien zu verwenden und zwar in durchschnittlich 57% der Sitzungen, wobei ein Vergleich zwischen den Therapieschulen zeigte, dass kognitiv-behavioral arbeitende Therapeuten Hausaufgaben signifikant häufiger nutzen als Psychologen anderer Therapierichtungen (66% vs. 48% der Sitzungen). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Studien im deutschsprachigen Raum: 83,3% der Verhaltenstherapeuten gaben an Hausaufgaben für mindestens 75% ihrer Patienten zu nutzen, wohingegen Psychoanalytiker dies nur für 17.1% der Patienten angaben. Hausaufgaben wurden dabei von 65,3% der Verhaltenstherapeuten in jeder oder jeder zweiten Sitzung genutzt, während Psychoanalytiker dies nur für 9,1% ihrer Sitzungen bejahen (z.B. Fehm & Kazantzis, 2004). Überraschenderweise geben nur knapp 50% der Verhaltenstherapeuten bei Fehm und Kazantzis (2004) an, Hausaufgaben bei jedem Patienten zu nutzen und nur 16.9% nutzen sie in jeder Sitzung. Diese Ergebnisse verwundern, bedenkt man, dass in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder betont wird, dass Hausaufgaben vor allem in kognitiv-verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Therapien als zentrales Element des Therapieprozesses angesehen werden sollten (z.B. Freeman & Rosenfield, 2002 Garland & Scott, 2002). Thase und Callan (2006) gehen sogar so weit zu sagen, dass Therapeuten die nicht in jeder Therapiestunde Hausaufgaben vergeben und nachbesprechen, überdenken sollten, ob sie sich selbst als kognitive Verhaltenstherapeuten bezeichnen dürfen. Problematisch bei der Interpretation der angegebenen Häufigkeiten ist jedoch, dass sich fast alle Studien ausschließlich auf das retrospektive Selbsturteil des Therapeuten verlassen und somit nicht den tatsächlichen Einsatz von Hausaufgaben erfassen, sondern eher einen geschätzten Durchschnittswert (Kazantzis et al., 2007). Es existieren nur wenige Studien die diese Problematik zu umgehen versuchen: Breil (2010) entwickelte Fragebögen für Therapeuten und Patienten, die jeweils vor und nach jeder Therapiesitzung ausgefüllt werden mussten und somit den tatsächlichen Einsatz von Hausaufgaben in den Therapiesitzungen erfassen konnten. Es gingen Daten von 303 Patienten einer kognitiv-verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Forschungs- und Ausbildungsambulanz in die Untersuchung ein. Auch hier wurden nur in etwa der Hälfte aller Therapiesitzungen Hausaufgaben vergeben (53.5% Patientenurteil, 41.2% Therapeutenurteil N=2937), wobei auffällt, dass Patienten signifikant häufiger angeben Hausaufgaben vereinbart zu haben als ihre Therapeuten. Nicht nur die Häufigkeit mit der Hausaufgaben allgemein vereinbart werden, sondern auch die Anzahl und die Art der Hausaufgaben pro Therapiesitzung wurden in einigen Studien untersucht. So werden bei Scheel, Seaman, Roach, Mullin und Blackwell-Mahoney (1999) in mehr als der Hälfte der von ihnen untersuchten Therapiesitzungen (N=109) mehrere Hausaufgaben vereinbart. Bei Kazantzis, Lampropoulos und Deane (2005) gaben 77% der befragten Therapeuten an (N=827), dass sie nur eine Hausaufgabe pro Therapiesitzung vereinbaren, während 20% meist zwei verschiedene Aufgaben vergeben. Auch bei Startup und Edmonds (1994) wurden bei 235 Sitzungen von 25 Patienten im Durchschnitt 1.81 Hausaufgaben (Range 1-4) pro Therapiestunde vereinbart. Bei Breil (2010) wurden Videoaufnahmen von 160 zufällig ausgewählten Sitzungen durch geschulte Rater beurteilt: In insgesamt 69% der Sitzungen wurden Hausaufgaben vergeben, wobei in 40.6% nur eine Hausaufgabe vereinbart wurde. In 28.4% wurden hingegen mehrere Hausaufgaben vergeben (20.5% zwei Hausaufgaben, 5% drei, 3.1% vier oder fünf). Bezüglich der verschiedenen Arten von Hausaufgaben die in der Therapie zum Einsatz kommen, lassen sich auf Grund der Heterogenität der Aufgaben und dem Fehlen einer einheitlichen Systematik (vgl. Abschnitt 2.2.3) nur schwer vergleichbare Angaben finden: So gaben beispielsweise 86% der Therapeuten bei Fehm und Kazantzis (2004) an Verhaltensexperimente zu vereinbaren und 71% nutzten die Aufgabenkategorie Anwendung neuer Fähigkeiten/Techniken (beides eher behaviorale Hausaufgaben), während Selbstbeobachtungsaufgaben und kognitive Umstrukturierung (eher kognitive Aufgaben) jeweils von 75% der Therapeuten angewendet wurden. Während in dieser Studie wieder auf eine Globaleinschätzung des Therapeuten zurückgegriffen wurde (lediglich eine Angabe, ob diese Art von Hausaufgabe überhaupt genutzt wird) und kognitive sowie behaviorale Aufgaben annähernd gleich häufig genannt wurden, erhält man ein differenzierteres Bild, wenn man die Therapeuten nach Hausaufgaben in konkret vorgegebenen Sitzungen fragt: Helbig und Fehm (2004) befragten 77 Therapeuten nach den letzten zwei Patienten mit denen sie Hausaufgaben vereinbart hatten und kamen zu dem Ergebnis, dass knapp zwei Drittel der vereinbarten Aufgaben (62.4%) kognitive Aufgaben waren (z.B. Bibliotherapie, Fragebögen, Protokolle führen), wohingegen lediglich 37.6% als behaviorale Aufgaben klassifiziert wurden (z.B. Expositionen, positive Aktivitäten). Ähnliche Ergebnisse liefert auch die Videostudie von Breil (2010), bei der die am häufigsten vorkommenden Hausaufgaben in kognitive Kategorien fielen: ‘Aufschreiben von Gedanken’, ‘Protokollieren’ und ‘Nachdenken und Überlegen’ (Urteil durch unabhängige Rater). Und auch bei direkten Patientenbefragungen ergibt sich, dass kognitive Hausaufgaben häufiger vorkommen (67.5%), als behaviorale Hausaufgaben (32.5%) (Fehm & Mrose, 2008). Allerdings blieb hier bei der Beurteilung die Anzahl der Hausaufgaben unberücksichtigt: Wenn ein Patient mehrere Hausaufgaben in einer Sitzung bekommen hatte, sollte er sich bei der Bewertung der Art nur auf eine der Aufgaben beziehen, was das Ergebnis verfälschen könnte.

Über den Autor

Daniela Hagestedt wurde 1983 in Bremen geboren. Sie studierte Psychologie an der Universität Bremen und schloss ihr Studium 2012 ab.

weitere Bücher zum Thema

Zur Qualität der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Trägern der freien Jugendhilfe und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe

Eine Analyse des Zusammenhangs von Förderung und Partnerschaft

ISBN: 978-3-96146-968-0
EUR 49,50

Melchior Palágyi. Frühe Schriften zur Psychologie, Logik und Erkenntnistheorie (1893-1897)

Herausgegeben und eingeleitet von Heiko Heublein

ISBN: 978-3-948958-17-6
EUR 24,50

Prävention sexualisierter Gewalt. Kompetenzentwicklung im Rahmen des Religionsunterrichts

Aspektorientierte Analyse der Problematik, christliche Perspektiven und Unterrichtsansätze

ISBN: 978-3-96146-947-5
EUR 39,50


Bewerten und kommentieren

Bitte füllen Sie alle mit * gekennzeichenten Felder aus.