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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Diese Untersuchung beschäftigt sich mit den Schriften Jesper Juuls und ihrer Bedeutung für den gegenwärtigen pädagogischen Diskurs. Dafür arbeitet der Autor Grundelemente der erzieherischen und pädagogischen Konzeption Juuls heraus. Wenn der Autor sich mit dem theoretischen Fundament Juuls befasst, wagt er den Versuch dieses zu systematisieren, um es an konkrete theoretische Bezüge rückzubinden. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass eine Systematisierung aus diversen Gründen kaum gelingen kann. Dennoch werden, auch im Hinblick auf inklusive Entwicklungen, drei wesentliche Grundannahmen in der Konzeption Juuls identifiziert, denen der Autor konkrete theoretische Bezüge zuweist. Ferner beschäftigt sich der Autor mit dem aktuellen inklusiven Diskurs. Hier versucht er Juuls Denken mit dem Ansinnen der Inklusion in Beziehung zu setzen. Wenngleich er an einigen Stellen Kohärenz nachweist, illustriert er ebenso die Grenzen, insbesondere die schulische Entwicklung im Feld der Inklusion betreffend. Juul wird als relevanter, d. h. kompetenter Gesprächspartner im gegenwärtigen pädagogischen Diskurs begriffen. Wesentliche Elemente seines Denkens werden abschließend kritisch gewürdigt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.1, Grundlagen der Pädagogik Jesper Juuls – Aus Erziehung wird Beziehung: Aus einem 2005 mit Ingeborg Szöllösi geführten Interview entstand das Buch Aus Erziehung wird Beziehung. Es eignet sich besonders als Einführung in die Pädagogik Jesper Juuls, da hier Einblicke in alle zentralen Bereiche seines Konzepts gegeben werden, veranschaulicht anhand zahlreicher Beispiele aus seiner langjährigen Erfahrung als Familientherapeut. Viele der besprochenen Themen (Gehorsam, Verantwortung, Grenzen, Nein sagen, Schule, Männerrolle, Pubertät, Patchworkfamilien…) betrachtet er noch einmal gesondert in je eigenen Büchern. Wenn ich im Folgenden von dem ‘Konzept’ Jesper Juuls spreche, ist das meine persönliche Setzung. Juul würde nicht von einem festen Konzept sprechen, weil er ein solches mit starren Methoden verbinden würde, über welche sein Verständnis von Erziehung in allen Familien als ‘Super-Regel’ eingesetzt werden könnte. Auch mein Anliegen ist das nicht! Ganz im Gegenteil: ‘Jede Familie für sich ist einzigartig mit ganz eigenen Spielregeln und Gesetzmäßigkeiten’ (Juul 2013a, 7). Ich möchte daher das ‘Konzept’ in einem weiten Sinne bezeichnen als die Grundhaltung und die Säulen, auf denen Jesper Juul sein Verständnis bzw. seine Betrachtungsweise von privater Erziehung oder professioneller Pädagogik aufbaut, um innerhalb dieses zweiten Kapitels Juul zu systematisieren. Es soll klar werden, wofür er steht und was er will. Erziehen bedeutet für Juul nicht ‘korrigieren, maßregeln’, sondern ‘großziehen’, im Sinne von ‘jemandem helfen, erwachsen zu werden, ihn sozusagen ins Leben ‚hineinzuziehen‘‘ (Juul 2013b, 27). Kinder bräuchten Erziehung, aber verstanden als Lebensbegleitung, nicht als Überformung. Dies verlangt den Eltern viel Einfühlungsvermögen, Geduld und Offenheit ab, wie sich im Folgenden zeigen wird (vgl. ebd.). Jesper Juul sieht in ‘Erziehung’ ein einseitiges Vorgehen – ein Erzieher erzieht einen Zögling, gleich der alten Metapher des Steinmetzes, der aus dem Felsen eine Figur herausmeißelt. Dem gegenüber würde man jetzt erwarten, dass Juul das andere Extrem vertritt - der Gärtner, der die Saat seines gehegten Beetes begießt und jeden neuen Spross freundlich begrüßt. Aber so einfach macht er es sich nicht. Juul verweist klar darauf, dass Erziehung vor allem Gegenseitigkeit impliziert sich als Prozess darstellt, in dem beide Seiten, die miteinander in Interaktion treten, aufeinander einwirken und sich ‘erziehen’ (Juul 2013b, 28). Darum folgert er, aus ‘Erziehung’ müsse ‘Beziehung’ werden (ebd.), weil sie es ist, die im Mittelpunkt des Zusammenlebens innerhalb einer Familie steht. An anderer Stelle liest man auch ‘Einbeziehung’. Dies verdeutlicht einen zusätzlichen Akzent auf das große Thema Verantwortung. In Was Familien trägt liefert Juul seine aktuelle Einschätzung der Lage der Familien in Europa und stellt fest, dass die ‘traditionelle Kernfamilie mit ihrer starren Rollenverteilung und dem ehelichen Versprechen ‚Bis dass der Tod uns scheidet‘ […] bereits vor einer Generation zusammengebrochen’ (Juul 2012b, 7) ist. Die Möglichkeiten, Familie zu leben, haben sich vervielfältigt und mit ihnen auch die Werte. Juul sieht sich selbst als Angehöriger der ersten Generation nach diesem Zusammenbruch, die allem, was ihre Eltern lebten, den Heiligenschein nahmen und infrage stellten, ‘[…] doch sind im Grunde erst in den letzten zehn Jahren neue Spielregeln für Partnerschaft und Kindererziehung aufgestellt worden’ (ebd.). So gibt es heute keine Einigkeit darüber, was richtig und falsch in der Kindererziehung und Partnerschaft ist. Vielmehr trifft jedes Paar darüber eine individuelle Entscheidung, auch, erklärt Juul, weil wir nicht mehr auf brauchbare Rollenmodelle zurückgreifen könnten. Die Entwicklung der Pluralisierung der Lebensformen fördert, neben der klassischen Kernfamilie, die schon zur Normalität gewordenen Alleinerziehenden oder ‘Ein-Eltern-Familien’, im gleichen Zuge die sich zunehmend etablierende Patchworkfamilie und Mütter oder Väter, die nur gelegentlich mit ihren eigenen Kindern zusammenleben homosexuelle Paare mit und ohne Kinder Adoptivfamilien Pflegefamilien Familiengemeinschaften mit mehreren Generationen unter einem Dach (vgl. Juul 2012b, 7f.) oder auch Eltern mit Beeinträchtigungen, die mit ihren Kindern zusammenleben, zu Tage. Die Gesellschaft ist um einiges vielfältiger, offener und toleranter geworden, als sie es noch vor fünfzig Jahren war, befindet sich aber noch auf dem Weg zu mehr Akzeptanz und Gleichberechtigung und weniger direkter sozialer Benachteiligung und Ausgrenzung. Noch immer hat ein großer Teil der oben genannten ‘neuen’ Familienformen mit systematischen Benachteiligungen zu kämpfen. Deshalb könne man nicht von einem gewöhnlichen Generationenwechsel sprechen (ebd.). Die eingangs angesprochene Unsicherheit, die durch diese Veränderungen entsteht, schlägt sich für Juul auch in dem Faktum nieder, dass Kinder, im Zuge des flächendeckenden Ausbaus der Ganztagsbetreuung, heute immer mehr Zeit ihrer Kindheit in pädagogischen Institutionen verbringen und professioneller Pädagogik damit deutlich stärker als familiärer Erziehung ausgesetzt sind (vgl. Juul 2012d). Die Eltern von heute wenden sich – wenn auch offener als je zuvor – an die ‘Profis’ und suchen Rat bei den ‘Erziehungsexperten’. Dabei verantworten sie aber immer weniger ihre eigenen Entscheidungen, was für die existente Orientierungslosigkeit spricht. Auch erhalten die Eltern keine einheitlichen Antworten, denn es gelingt nicht mehr, Tipps nach Schema F zu geben. Wie man es richtig macht, lässt sich deshalb nicht sagen, weil es keinen breiten Konsens kollektiver gesellschaftlicher Werte mehr gibt. Die Individualität wird gepriesen, während Konformität als konservativ und angestaubt verabscheut wird. ‘Bloß nicht anpassen!’ hört man es rufen. Die Ideale der Erziehung bis in die 1960er Jahre lassen sich mit einer Reihe von Schlagwörtern umreißen: Konsequenz, Loyalität, Anpassung, Unterordnung, Gehorsam, autoritative Macht, Angst und Respekt der Kinder gegenüber ihren Eltern. Ebenso ein weitverbreiteter Glaube, nach einem Ungehorsam ‘körperlich züchtigen’ zu dürfen. Es ist wesentlich schwieriger, die heutigen Erziehungspraktiken mit wenigen Schlagwörtern zu umschreiben. In vielen Kulturkreisen, auch innerhalb Europas, ist es nach wie vor angesehen, wenn die Kinder bei einem Vergehen hart bestraft und körperlich gezüchtigt werden. Juul betont, Kinder sollten ihren Eltern nicht blind gehorchen und einfach funktionieren, sondern es ist ihnen erlaubt, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu artikulieren. Sie haben ein Recht darauf, gehört und ernst genommen zu werden. In welchem Modus dies geschieht, müsse im Rahmen der elterlichen Erziehung erprobt werden.

Über den Autor

Johannes Ilse, geb. in Halle (Saale), erwarb an der Universität Erfurt die akademischen Grade B.A. Erziehungswissenschaft (2011), M.A. Sonder- und Integrationspädagogik (2013). Fachliche Schwerpunkte: Pädagogik für Menschen mit Störungen im sozialen und emotionalen Verhalten Sonder- und Integrationspädagogische Erklärungs- und Handlungsmodelle, insbesondere systemisch-konstruktivistische Ansätze in Beratung und Therapie Inklusion und Integration Bindungstheorie gesellschaftliche Veränderungsprozesse zwischen Moderne und Postmoderne Dialog und Diskursethik.

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