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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 86
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Hauptziel der Arbeit in Kindertageseinrichtungen ist die Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern. Jedes Kind soll sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln. Was aber, wenn die Erzieherin bei der Umsetzung dieser Aufgaben das Gefühl hat, dass es einem Kind an Nahrung oder Zuwendung mangelt, hygienische Grundlagen nicht beachtet, Interessen des Kindes missachtet werden? Wie definiert sich die Grenze, die das Einschreiten der Erzieherin in die grundsätzlichen Rechte der Eltern auf Erziehung und Betreuung ihres Kindes rechtfertigt? Die Kindertagesstätte ist eine familienergänzende Einrichtung, muss sich den Erziehungsvorstellungen, Werten und Normen der Eltern also unterordnen. Ist die Kindertagesstätte trotzdem in der Verantwortung, die Situation des Kindes zu verbessern? Und welche Möglichkeiten gibt es? Welchen Stellenwert haben Datenschutz und Schweigepflicht in diesem Verfahren? Welche Konsequenzen gibt es, wenn die Erzieherin die Situation des Kindes falsch einschätzt? Das Buch setzt sich mit den Themen Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung, speziell Vernachlässigung, auseinander. Es untersucht die Entwicklung der Kinderrechte und die Bedeutung der Kindertagesstätte und zeigt Möglichkeiten der Einflussnahme sowie notwendige Handlungsschritte im Falle von Vernachlässigungen und Kindeswohlgefährdungen auf.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.3.2.2, Besondere Stellung der Kindertagesstätte im Kinderschutz: Die besondere Stellung der Kindertagesstätte im Kinderschutz geht bereits auf die Gründung der ersten Kindergärten in den Jahren um 1820 zurück. In den so genannten Kleinkinderbewahranstalten oder Säuglingsasylen wurden Kinder schon im Alter von eineinhalb Jahren aufgenommen um einerseits Kinder, die der sozialen Unterschicht angehörten, der Verwahrlosung zu entziehen, andererseits die Unterschichthaushalte zu entlasten (vgl. Kreft/Mielenz, 2008, S. 514). Heute fungieren die Kindertagesstätten als Verbindung zwischen Jugendamt und Kind. Das Jugendamt erhält erste Anhaltspunkte und Informationen über Kindesmisshandlungen, Vernachlässigungen und sexuellen Missbrauch in der Regel von eigenen Diensten, wie beispielsweise Kindertagesstätten (vgl. Wiesner, 2005, S. 284). Diese Informationsweitergabe ist notwenig, wenn das Jugendamt seiner Aufgabe im Rahmen des Wächteramtes nachkommen will, denn im demokratischen Rechtsstaat gibt es keinen Generalverdacht gegen Eltern. Das Jugendamt ist also auf einschlägige Informationen angewiesen, wenn es das Kindeswohl effektiv schützen will (vgl. Wiesner, 2006, S. 16-17). In der Kindertagesstätte können kindeswohlgefährdende Risiken frühzeitig erkannt werden. Gerade der in der frühen Kindheit erfahrene Mangel an Ernährung, Pflege, Schutz, Liebe und Bestätigung wirkt sich ein Leben lang auf die Entwicklung des Kindes aus und beeinflusst sein Bindungs-, Sozial- und Leistungsverhalten. Das Risiko bleibender körperlicher und seelischer Schäden ist dabei umso größer, je jünger das Kind ist (vgl. Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit u.a., 2007, S. 9). Deshalb sollten zur Vermeidung von Risiken diejenigen Berufsgruppen herangezogen werden, die schon im Säuglingsalter mit Kindern zu tun haben (vgl. Faller/Leißner, 2007, S. 44 vgl. Esser, 2007, S. 109). Werden Probleme zu spät angegangen, nämlich erst dann, wenn die Probleme sich bereits verfestigt haben, droht in der Folge eine Eskalation der Situation. Rückblickend wird oftmals deutlich, dass die Entwicklung in vielen kleinen Schritten stattgefunden hat und es viele Warnhinweise im Vorfeld gegeben hat, ohne dass jedoch ein Hilfesystem aktiv geworden ist. Die Folge können erhebliche Schäden für die Kinder sein (Wagenblass, 2005, S. 771). Die Erzieherinnen der Kindertagesstätten haben regelmäßigen Kontakt zu einem hohen Prozentsatz an Kindern. Da die Erzieherinnen in der Kindertagesstätte das Kind und die Eltern regelmäßig sehen und mit ihnen Entwicklungsgespräche über das Kind führen, in denen Anhaltspunkte für Gefährdungen meist frühzeitig thematisiert werden können, ist die Kindertagesstätte für die Früherkennung von Vernachlässigungen besonders geeignet (vgl. Kinderschutz-Zentrum Berlin e.V., 2009, S. 94-95). Der Vorteil der Kindertagesstätten liegt auch darin, dass das Jugendamt durch sie über ein flächendeckendes Netz an sozialer Infrastruktur verfügt. Die Fachkräfte in den Kindertagesstätten können so ein Sensor für Vernachlässigung sein, während sie gleichzeitig wesentliche Angebote zur Entlastung von Eltern und zur Kompensation von Betreuungs- und Versorgungsdefiziten leisten (vgl. Kalscheuer/Schone, 2007, S. 160-161). Grundlage dafür ist auch der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, der für eine kontinuierliche Erhöhung der Zahl der Kinder sorgte, die einen Kindergarten besuchen (vgl. Wagenblass, 2005, S. 773). Dies führt dazu, dass Kindertagesstätten im Jahr 2008 ca. 95 % der Familien aus allen sozialen Schichten und mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen erreichten und damit eine der wichtigsten Institutionen der Prävention in der sozialen Infrastruktur darstellen (Tschöpe-Scheffler/Wirtz, 2008, S. 169). Die Kindertagessstätte kann betroffene Eltern unterstützen und ihnen niedrigschwellige Angebote vermitteln. Dadurch kann sie vom ersten Moment an helfend und unterstützend tätig sein. Das bedeutet, dass Angebote kostengünstig und in der Kindereinrichtung als gewohntem Umfeld der Eltern stattfinden können. Sie werden von ihnen vertrauten Bezugspersonen betreut, die gleichzeitig für eine professionelle begleitende Kinderbetreuung sorgen (vgl. Tschöpe-Scheffler/Wirtz, 2008, S. 172-173). Schone zeigt weitere Vorteile auf: Durch die Nutzung von Angeboten in der Kindertagesstätte können bedürftige Eltern sich anmelden, ohne ihre Unterstützungsbedürftigkeit eingestehen zu müssen. In der Betreuungszeit entstehen planbare Freizeiten, in denen überforderte Eltern eigene Interessen verfolgen können, ohne dass es zu einer Vernachlässigung der Kinder kommt. Die Kindertagesstätte kann Leistungen anderer Anbieter der Jugend-, Sozial- und Gesundheitsdienste vermitteln (vgl. Schone, 1997, S. 144). In Anbetracht dieser praxisnahen und verantwortlichen Stellung hat der Gesetzgeber der Kindertagesstätte eine eigenverantwortliche Risikoeinschätzung im § 8a Abs. 2 SGB VIII eingeräumt. Auf der Grundlage von Vereinbarungen zwischen dem Jugendamt und den Trägern der Einrichtungen wird zunächst eine Risikoklärung in der Einrichtung angestrebt. Dies erfolgt unter Hinzuziehung von Experten aus der Kinderschutzarbeit. Eine Information des Jugendamtes soll erst erfolgen, wenn die Eltern nicht bereit sind, Hilfe anzunehmen. Damit verpflichtet das Gesetz zu einer Risikoabklärung in eigener Verantwortung der Einrichtung (vgl. Wiesner, 2006, S. 17-18). 3.3.2.3, Garantenpflicht pädagogischer Fachkräfte: Der Begriff Garantenstellung dient zur Erfassung derjenigen Personen, die Hilfeleistungen zum Schutz einer in Gefahr geratenen Person unterlassen und damit zum Erfolg eines Tatbestandes des Strafgesetzbuchs beigetragen haben. Es handelt sich dabei um einen strafrechtlichen Tatbestand, der sich im Hinblick auf den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe aus der Pflicht, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, § 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII, und dem Schutzauftrag des Staates, Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, ergibt. Fachkräfte sozialer Dienste zählen danach zu den so genannten Beschützergaranten (Kreft/Mielenz, 2008, S. 340 und § 13 StGB, § 323c StGB). Die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe tragen eine Mitverantwortung für das Wohl von Kindern und Jugendlichen. Werden sie dieser nicht gerecht, können sie zur Verantwortung gezogen werden. Sie können sich strafbar machen, schadensersatzpflichtig werden und sie können arbeitsrechtliche Konsequenzen erfahren (vgl. Meysen, 2008, S. 48). Die eigenständige Garantenposition beginnt, wenn Fachkräfte mit der konkreten Fallübernahme die Verantwortung für das betreute Kind übernehmen. Werden im Hinblick auf das betreute Kind gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt, muss die Fachkraft handeln (vgl. Kinderschutz-Zentrum Berlin e.V., 2009, S. 173). Strafrechtlich verantwortlich kann dabei immer nur eine einzelne natürliche Person, keine Institution sein. Im Zusammenhang mit Situationen der Kindeswohlgefährdung wird Fachkräften in einzelnen Situationen vorgeworfen, sie hätten durch Unterlassen gebotener Handlungen dazu beigetragen, dass Kinder körperlich verletzt oder getötet worden sind (vgl. Kinderschutz-Zentrum Berlin e.V., 2009, S. 172). Aus dem Begriff der Garantenpflicht ergibt sich also die individuell persönliche Pflicht zur Abwehr einer Rechtsgutsverletzung immer dann, wenn Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung erkennbar sind (vgl. Kreft/Mielenz, 2008, S. 340).

Über den Autor

Kerstin Zimmermann (Dipl. Soz. arb. - Soz. päd. FH) schloss 1998 die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin ab und arbeitete mit Kindern und Jugendlichen verschiedenen Alters. Im Jahr 2000 absolvierte sie eine heilpädagogische Zusatzqualifikation und sammelte danach Erfahrungen in verschiedenen Kindertageseinrichtungen. Von 2006-2010 absolvierte die Autorin ein berufsbegleitendes Studium der sozialen Arbeit an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der HTWK in Leipzig.

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