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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Public Viewing hat sich innerhalb des letzten Jahrzehnts als eine neue Rezeptionsform im öffentlichen Raum etabliert. Trotz einer nahezu gegebenen Vollversorgung an TV-Geräten in privaten Haushalten strömen alle Jahre wieder Millionen von Menschen zu öffentlichen Plätzen, um gemeinsam sportliche Großevents zu verfolgen. Doch welche Motivation haben diese Menschen - trotz der Vielzahl an Fernsehgeräten und der Möglichkeit eines individuellen Fernsehgenusses - derartige Kollektivveranstaltungen zu besuchen? Welche demographischen und soziokulturellen Hintergründe unterscheiden Public Viewing Zuschauer von gewöhnlichen TV-Konsumenten? Wie unterscheiden sich die Zuschauer eines Sport- und Krimievents? Welche Einflüsse tragen dazu bei, dass sich Zuschauer ohne jegliche persönliche Bindung zueinander in einem öffentlichen Raum treffen, um gemeinsam fernzusehen? Ist es die Inszenierung eines Events und die dazugehörige Kommerzialisierung, welche die Menschen dazu bringt, Fanfeste oder ähnliche Public Viewing Veranstaltungen zu besuchen, oder möchten die Menschen beim Public Viewing ihre Emotionen teilen? Sind diese Veranstaltungen nur ein Erfolg, wenn es um den Sport geht? Wenn ja, wie kommt es, dass sich andere zu einem Tatort -Abend treffen? Wie hat sich der heutige deutsche TV-Konsument in den letzten Jahrzehnten entwickelt, wie kann man diesen typologisieren und welche Prognosen kann man für die Zukunft machen? Werden zukünftig wieder Kinos Publikum einladen, um gemeinsam TV-Serien zu verfolgen? Eben diese Fragen versucht das vorliegende Buch zu beantworten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.1.1, Gründe für den individuellen TV Konsum und den Erfolg des Fernsehens - Die Veränderung der Produktionsweise, der Arbeits- und Freizeitzeiten: In diesem Abschnitt soll überprüft werden, inwiefern die Massenproduktion von Fernsehgeräten zu einem individuellen Konsum geführt hat. Günther Anders untersucht in dem sozialphilosophischen Werk ,Die Antiquirtheit des Menschen’ (1956) auf qualitative Weise diese Frage. Einer der Gründe, der die ursprünglich kollektiven TV Zuschauer aus den Anfängen des Fernsehzeitalters in den zwanziger Jahren, mehr und mehr in das deutsche Wohnzimmer der Nachkriegszeit verdrängte, ist die veränderte Produktionsweise der Fernsehgeräte. Bevor dieses Produkt als Massenware hergestellt wurde, war der kollektive Konsum in den Kinos vorherrschend. ,Ehe man die Kulturwasserhähne der Radios in jeder ihrer Wohnungen installiert hatte, waren die Schmids und Müllers, die Smiths und Millers in die Kinos zusammengeströmt, um die für sie in Masse und stereotyp hergestellte Ware kollektiv, auch als Masse, zu konsumieren’ (Anders 1987, S.101ff.). Anders beschreibt, inwieweit die Massenproduktion an Fernsehgeräten und –sendungen, zu einem individuellen Massenkonsum geführt hat. Diese Massenproduktion hatte nicht zum Ziel ein Produkt herzustellen (in dem Fall der Fernseher), dass von einer Masse konsumiert wird, sondern von ,zahlreichen Konsumenten zugleich’ (ebd.). Das Gemeinschaftserlebnis, so wie es in den Kinosälen noch ausgelebt wurde, ist durch die veränderte Produktionsweise zu vielen ,Individualerlebnissen’ geworden, die in den eigenen vier Wänden verfolgt werden konnten. Im Gegensatz zum Theater genießt die TV- und Rundfunkindustrie eine Sonderstellung, da für die Vorführung von Filmen und Unterhaltungssendungen die Filmemacher eine Ware absetzen musste, um die produzierten Filme an den Konsumenten zu bringen. Diese Ware ist der Fernseher, der ohne eine Massenproduktion, nicht an den Mann gebracht worden wäre. Der Durchbruch dieser Geräte fand Mitte der fünfziger Jahre statt, indem der Fernseher als Massenprodukt hergestellt wurde und somit die Zuschauer aus den ,Fernsehstuben’, Kinos und anderen Gemeinschaftsräumen mit TV Geräten, riss. Der individuelle Konsum wurde mit der Ausstrahlung des ersten deutschen Fernsehens zur gleichen Zeit, beschleunigt, da zusätzlich zum Produkt Fernseher ein Sender ausgestrahlt wurde, der über mehrere Stunden täglich sendete (Klingler/Roters/Gerhards 1998, S.89ff.). Der Zuschauer musste ab dem Zeitpunkt nicht mehr sein Heim verlassen um unterhalten und informiert zu werden, da der Film und die Berichte zu ihm nach Hause kamen. ,Der Konsum der Massenware durch eine Masse, war hier also abgeschafft’ (Ebd.), da die Masse zu Hause bleiben konnte, um die Massenware weiterhin zu konsumieren. Der Massenkonsum an sich blieb aber fortan bestehen, da dieser nun ,solistisch’ bzw. individuell in den eigenen vier Wänden stattfinden konnte. Der kollektive Konsum ist somit durch die veränderte Produktionsweise überflüssig geworden und ,die Schmids und die Smiths konsumierten die Massenprodukte nun also en famille oder gar alleine je einsamer sie waren, um so ausgiebiger: der Typ der Massen Eremiten war entstanden und in Millionen von Exemplaren sitzen sie nun, jeder vom anderen abgeschnitten, dennoch jeder dem anderen gleich, einsiedlerisch im Gehäus [...].’ (ebd.). Ungeklärt bleibt an dieser Stelle die Frage, ob die Thesen Anders auch quantifizierbar sind. Gibt es demnach Zahlen die diesen Prozess der Massenproduktion bestätigen können? Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht auch die wirtschaftliche Situation der Privathaushalte einen Einfluss auf den Kauf von Fernsehgeräten hatte oder nicht. Diese Fragen sollen an dieser Stelle beantwortet werden, um darüber hinaus weitere Einflüsse aufzuzeigen, die den individuellen Konsum bedingt haben. Hierzu soll überprüft werden ob die wirtschaftlichen Entwicklungen innerhalb Deutschlands einen Beitrag zur Fernsehverbreitung geliefert haben, und ob man diesbezüglich Parallelen feststellen kann. Die Veränderungen des Bruttoinlandsprodukt und der Arbeitslosenquote in Deutschland, die als Indikator für den Wohlstand herangezogen werden, zeigen, dass sich Parallelen zwischen Entwicklung und Verbreitung der Fernsehgeräte festmachen lassen: laut dem Statistischen Bundesamt ist zwischen 1950 und 1965, das BIP um 212%, von 50 auf 235 Milliarden Mark pro Kopf gestiegen. Zur gleichen Zeit ist die Arbeitslosenquote von 11 auf 0,7 Prozent gesunken und stellte die bis dato höchste Beschäftigung Nachkriegsdeutschlands dar (Statistisches Bundesamt 2011). Innerhalb des gleichen Zeitraumes fand das Fernsehgerät Einzug in deutschen Haushalten und bereits Ende der fünfziger Jahre besaßen mehr als zwei Millionen Privathaushalte einen eigenen Fernseher. Im Vergleich hierzu waren es Anfang des gleichen Jahrzehnts einige Hundert Konsumenten (Ridder et al. 2010 S.537 ff.). Durch die erhöhte Kaufkraft, die durch den wirtschaftlichen Erfolg der BRD ermöglicht wurde, konnten sich Individuen nun für den privaten Gebrauch TV-Geräte anschaffen. Zusätzlich zu diesen neuen ökonomischen Veränderungen, transformierte sich die Arbeitszeit, die einen direkten Einfluss auf die Freizeit der Individuen nahm. Demnach ist die Wochenarbeitszeit zwischen 1950 und 1965 in Teilbereichen der Wirtschaft von 48 auf 40 und bis 1995 sogar auf 35 Stunden gesunken, sodass die Arbeitnehmer insgesamt im Schnitt acht bis dreizehn Stunden mehr Freizeit zur Verfügung hatten (Rist 1994). Diese neugewonnene Freizeit wurde teilweise wieder in die Nutzung des TV Gerätes investiert. 1964 wurde in der Freizeit rund eine Stunde ferngesehen. 1995, dem Jahr mit rund acht Stunden mehr Freizeit im Vergleich zu 1964, erhöhte sich diese Fernsehzeit innerhalb der Freizeit auf über zwei Stunden pro Tag (ebd.). Heute hat das Fernsehen einen Freizeitanteil von 40%, und ist damit viel beliebter als andere Freizeitangebote (Meulemann/Gilles 2011, S.255ff.). Die Veränderung der Arbeits- und Freizeitwelt zeigt, dass durch die sinkenden Arbeitszeiten ein erhöhter Fernsehkonsum ermöglicht wurde. Insgesamt kann man sagen, dass sich die Entwicklung hin zu einem TV Massenkonsum der innerhalb der eigenen privaten Räume genossen wurde, stetig entwickelte. Durch die Veränderung der Produktionsweise und der steigenden Nachfrage an Fernsehgeräten wurde das Fernseherlebnis aus den Kinos verbannt und drängte sich mehr und mehr in die deutschen Wohnzimmer. Diese Entwicklung wurde durch den ansteigenden Wohlstand, die Veränderung der Arbeitszeiten und des Freizeitverhaltens bedingt, und hebt sich als eine der Gründe für die Durchsetzung und den Erfolg des Fernsehens hervor. Parallel zu der Entwicklung des Fernsehzuschauers hin zu einem individuellen Konsumenten, hat sich das Fernsehen im Allgemeinen, im Laufe der Zeit transformiert und verändert. Diese Veränderung der Medienrezeption soll nun in einem weiteren Abschnitt beschrieben werden, um darüber hinaus weitere Gründe für die erfolgreiche Durchsetzung des Fernsehens als Massenmedium anzuführen.

Über den Autor

Sören Berkowicz, M.A., wurde 1987 in Köln geboren und studierte von 2006 bis 2009 Sozialwissenschaften an der Université de Strasbourg in Frankreich. Den Master of Arts in Soziologie absolvierte er von 2009 bis 2012 an der Universität Hamburg.

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