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  • Persönlichkeitsentwicklung im Erwachsenenalter durch Werkpädagogik: Sinne, Körper, Gefühle und Selbstbestimmung in Lernprozessen

Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 10.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Moderne Industriegesellschaften ziehen Entfremdungsprozesse nach sich, bei denen Menschen zunehmend in der Nutzung ihrer Sinne, Emotionen und ihrer Selbstbestimmtheit eingeschränkt werden. Ganzheitlichkeit wird eingebüßt. Dies bleibt nicht ohne Folgen.Gerade die neuere neurophysiologische Forschung hat nachgewiesen, wie stark Emotionen an Lern- und Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Dies müsste eigentlich auch Auswirkungen auf Bildungsprozesse haben. Der in diesem Buch vorgestellte werkpädagogische Ansatz versucht, diesen Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Und zwar indem einerseits die Sinne, der Körper, Emotionen und Selbstbestimmung stärker berücksichtigt werden, um gelingende Lernprozesse zu fördern und um andererseits als Lernziel zu mehr Ganzheitlichkeit im von Humboldtschen Sinne, einer wohlproportionierlichen Bildung aller Persönlichkeitsanteile beizutragen. Nach Türk werden wir zukünftig manuelle Arbeit immer weniger benötigen, um die sogenannten Bedarfs- und Verbrauchsgüter herzustellen, aber sie wird benötigt dem Menschen seine verloren gegangene Ganzheit wiederzugeben. Diese Ziele sollen dadurch erreicht werden, indem die dem Werken konstitutiv innewohnenden Aspekte des sinnlich-emotionalen, aber auch körperlichen Erfahrungs- und Erkenntnismöglichkeiten nutzbar gemacht werden. Ferner indem Selbstbestimmung, Selbstwirksamkeit und implizite Lernprozesse größtmögliche Berücksichtigung finden. Die so angelegten Lernprozesse können neben handwerklichen Fertigkeiten auch zur Persönlichkeitsentwicklung im Sinne von Identitätsbildung und Bildung von Ich-Stärke beitragen und verloren gegangene Sinneswahrnehmungsfähigkeit zurückgewinnen. Bei Kindern und Jugendlichen könnte dieser Ansatz mehr sogenannte Primärerfahrungen ermöglichen, was psychosomatischen Erkrankungen und anderen Fehlentwicklungen vorbeugen kann.Hierzu liefert dieses Buch methodisch-didaktische Ansätze. Das diesem werkpädagogischen Ansatz die hier genannten Entwicklungsmöglichkeiten innewohnen, darf wohl als sicher gelten. Gleichwohl müsste dieser Ansatz in der Praxis über längere Zeit und mit verschiedensten Teilnehmergruppen erprobt und evaluiert werden, um die möglichen Bildungswirkungen und die hierfür notwendigen methodisch-didaktischen Rahmenbedingungen weiter zu erforschen und zu validieren. Daher wünsche ich mir, dass interessierte Leser, welche sich mit ähnlichen Themen oder Ansätzen theoretisch wie praktisch beschäftigen, Kontakt mit mir aufnehmen, um hierüber in einen Austausch von Erfahrungen zu kommen. www.schaeferseminare.de

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Werkpädagogik als subjektorientierter, ganzheitlicher pädagogischer Handlungsansatz: Werkpädagogik versteht sich als organisiertes Bildungsangebot in selbst initiierter oder/und professionell angeleiteter Regie, das vernachlässigte Dimensionen des Lernens mit einbezieht und kritisch-emanzipatorische Selbstbestimmung des Einzelnen anstrebt. Hierbei werden Inhalte herkömmlicher beruflicher Qualifizierung angeboten sowie indirekt Persönlichkeitsbildung intendiert. Der einzelne Mensch mit seinen subjektiven Interessen und Wünschen ist Ausgangspunkt für Werkprozesse und den darin innewohnenden Lernprozessen. Ganzheitlich bedeutet nicht allumfassend und Vollkommenheit beanspruchend, sondern vernachlässigte Anteile des Menschen werden wiederentdeckt und zurückgewonnen, weil dem Werken bestimmte Sinnesaktivierung und damit die Bildung dieser Sinne konstitutiv innewohnt. Insofern kann es einem Lernen mit Kopf, Herz und Hand (Pestalozzi) entsprechen und trägt dazu bei, den ganzen Menschen wohlproportionierlich zu bilden (Humboldt und Schiller). Auch im Sinne eines Homo Faber, der das Nachdenken über das, was er tut, nicht vernachlässigt (Arendt). In den folgenden Kapiteln werden die einzelnen methodisch-didaktischen Schritte verdeutlicht, die nötig sind, den hier formulierten Ansprüchen gerecht zu werden. Dabei werden auch Bezüge zu den vorher formulierten vernachlässigten Dimensionen des Lehrens und Lernens hergestellt. Definition, grundlegende Elemente der Werkpädagogik und weitere Begriffsklärungen: Grundlage dieser Arbeit ist die Definition Müllers, die sowohl das Werkprodukt wie auch den Entstehungsprozess mit einbezieht. Danach ist Werken: ‘[.] die pädagogisch intendierte Produktherstellung, welche sich problemlösend, das heißt, über strukturelle Erfassung und prozessgebundene Integration von materialen, konstruktiven, funktionalen, ästhetischen und technischen Problemaspekten realisiert’. Wesentliches Element dieser Form von Werkpädagogik sind die Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit. Denn über das Endprodukt in seiner Form und Funktion entscheidet jemand selbst. Daher ist dies Ausdruck seiner persönlichen Bedürfnisse und Weltdeutung. Auch über den Arbeitsprozess und durch das eigene Handeln entsteht ein Stück Wirklichkeit, welches Zeuge der eigenen Überlegungen und Anstrengungen bleibt. Unter Persönlichkeitsentwicklung wird hier Identitätsbildung verstanden, die durch Selbstbestimmungs-, Selbstwirksamkeits- und Sinnhaftigkeitserfahrungen gespeist und durch die Einbeziehung vernachlässigter Anteile des Lernens und des Menschseins, wie Körper, Sinne und Gefühle flankiert wird. Ich beziehe mich hier bei der Persönlichkeitsentwicklung auf die Faktoren Selbstbestimmung, Selbstwirksamkeit und Sinnerfahrung, weil sie in der Fachliteratur für zentrale Aspekte des Menschseins gehalten werden und deren grundlegende Befriedigung als wichtige Faktoren für gelingende Lernprozesse und psychische Gesundheit angesehen werden. Weiteres wesentliches Element sind die von Richter-Reichenbach in die Diskussion eingebrachten Primärerfahrungen, die ich im Folgenden genauer vorstelle. Primärerfahrung: In dem Maße, wie Primärerfahrung durch mediatisierte Erfahrungen ersetzt und entwertet wird, steht zu vermuten, dass neben Wahrnehmungs- und Denkweisen zunehmend auch Persönlichkeitsstrukturen tangiert werden, was Selbst- und Fremdtheorien, Wirklichkeitskonstitution und Sinnaktualisierung anbelangt. Genau hierin liegt nach Richter-Reichenbach die Herausforderung des Bildungswesens, sofern sie auf der Basis einer wohlproportionierlichen Entwicklung personaler Anlagen (Kant) an einem Vollbegriff von Identität als übergreifendem Annäherungsziel festhalten will. Unter Primärerfahrung versteht Richter-Reichenbach ein selbst-, wirklichkeits- und begriffs- erschließendes wie urteilsbildendes Erfahrungshandeln als Bedingung für selbstverwirklichende Identitätsbildung und selbstkompetentes Handeln. Sie sieht allerdings die Gefahr, dass die technologische Entwicklung eine Tendenz hat, das alltägliche Lern- und Sozialverhalten zu instrumentalisieren und rationalisieren und zwischenmenschliche Kommunikation und eigene Erfahrungen zunehmend zu ersetzen. Hierauf sollte Pädagogik mit entsprechenden Angeboten reagieren. In Anlehnung an Christa Wolf fragt sie: ‘Wie schnell wird individuelle Sprachen- und Bildlosigkeit, Erfahrungsverlust und Kommunikationsersatz zur Ich-Losigkeit?’. ‘Berechtigte Bedürfnisse nach Überschaubarkeit, emotionalem Erleben, interpersonaler Kommunikation, Wirklichkeitsteilhabe und physischer Aktivität werden durch audio-visuelles Nachleben nicht real, sondern mittelbar - und das heißt letztlich nur scheinbar - befriedigt. (…) die Notwendigkeit, eigene Erlebnisse, Erfahrungen und Probleme zu be- und verarbeiten, wird so kompensiert und beseitigt’. Es steht zu vermuten, dass mit steigendem Medienkonsum zugleich unmittelbare Wirklichkeitskontakte, das personale Aktivitätsniveau ebenso wie der zwischenmenschliche Kommunikationsaustausch abnehmen und hieraus resultierend, Kommunikationsschwäche und deren psycho-soziale Korrelate wie Kontaktarmut, Beziehungsstörungen und Isolation zunehmen. Es soll hier nicht jede technologische Entwicklung verteufelt werden und Fernsehkonsum, Computernutzung oder Handynutzung führt nicht zwangsläufig zu psychischen Problemen oder Krankheiten. Auch sind die oben beschriebenen Phänomene sehr komplex und von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Dennoch ist eine Tendenz zu beobachten, die man in Anlehnung an Richter-Reichenbach so zusammenfassen kann: - Man macht immer mehr Erfahrungen nicht mehr selbst, ‘man bekommt sie gemacht’. - Man verschafft sich immer weniger selbst sinnliche Gewissheit, indem man eigene Erfahrungswerte über selbstbetreffende Wirklichkeit aufbaut, sondern erhält in der mediatisierten Erfahrung immer nur scheinsinnliche Gewissheit. - Man sucht immer weniger nach eigenen Sichtweisen und Problemlösungen, sondern bezieht sich auf anderweitig Vorgearbeitetes Durch die Anregung, Stimulierung und Beanspruchung fast aller sinnlichen Fähigkeiten und Wahrnehmungskanäle wird die werkpädagogische Form des Lernens und Sich-Bildens besonders für jene Menschen interessant, die Lernschwierigkeiten haben und in ihren verbalen Ausdrucksmöglichkeiten eingeschränkt sind. Werkpädagogik will keine handwerkliche Ausbildung einleiten, auch wenn die erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten dies sicherlich fördern. Die Einleitung einer handwerklichen Ausbildung würde aber schon wieder eine Zielrichtung vorgeben, der bestimmte Inhalte und Verfahrensweisen ab einem gewissen Zeitpunkt unterzuordnen wären, was dem subjektorientierten, freiheitlichen Grundgedanken der Werkpädagogik widerspricht. Ziel ist es vielmehr, Erfahrungen anzubahnen, die der Selbstwirksamkeit, Selbstbestimmung, Lebensführung und Daseinsgestaltung des Einzelnen gewidmet sind. Die Grundwerkzeuge bestehen möglichst aus elementaren Grundmodellen handwerklicher Berufe, wie sie schon zu früheren Zeiten gebräuchlich waren. Das hat folgenden Grund. Wenn jemand ein Stück Holz mit einem Hobel bearbeiten will, dann besteht bei unerfahrenen, möglicherweise ungeduldigen Menschen die Gefahr, dass sie bei Benutzung eines Elektrohobels sehr schnell zuviel abhobeln und damit das Werkstück unbrauchbar machen. Bei Benutzung eines Handhobels hält man aufgrund der Anstrengung in der Regel viel häufiger inne und betrachtet seinen Arbeitsfortschritt. Dadurch bekommt man überhaupt erst ein Gefühl für die unterschiedliche Materialbeschaffenheit/Charakteristika, was letztlich genauso wichtig ist, um zufriedenstellende Arbeitsergebnisse zu erreichen. Bei maschineller Bearbeitung entwickelt man dieses Gefühl nicht, beachtet seinen Arbeitsprozess weniger, häufig erst das Endergebnis und stellt dann enttäuscht fest, dass das Werkstück nicht wie erwünscht gelungen und manchmal sogar völlig unbrauchbar geworden ist.

Über den Autor

Lutz Schäfer, geb.1958, Ausbildung als Energieanlagenelektroniker, Studium zum Religionspädagogen 1982-1986, Studium zum Diplom-Pädagogen 2004-2009. Berufstätigkeit: Freizeitpädagogische, religionspädagogische und künstlerische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, handwerkliche Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose, eigene Werkstattarbeit mit Angeboten für Erwachsene, Jugendliche und Kinder.

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