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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Möglichkeiten und Grenzen des systemischen Ansatzes der Familienberatung in Bezug auf die Entwicklung eines Kindes mit AS und seiner Familien zu eruieren und zu diskutieren. Um das auf einer fundierten Grundlage zu tun, ist es notwendig, den Einfluss von AS auf das System Familie zu beleuchten sowie moderierende Schutz- und Risikofaktoren ausfindig zu machen. Das soll mit Hilfe selbstständiger Forschung herausgefunden werden. Dafür wurden Experteninterviews mit Mitarbeitern der drei Autismusambulanzen Sachsens durchgeführt. Dies erklärt eine Einschränkung, die im Titel vorgenommen worden ist. In den genannten Einrichtungen wird Erziehungsberatung lediglich randständig betrieben, weswegen institutionalisierte Erziehungsberatung in den nun folgenden Betrachtungen weitestgehend außen vor bleiben muss. Auch bleiben zahlreiche Ansätze der Familienberatung, wie die kognitive Verhaltenstherapie, unerwähnt, auch wenn diese für die Intervention bei AS nicht wegzudenken ist.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Der systemische Ansatz der Beratung: 4.1, Der Konstrukivismus: Die Systemtheorie ist ohne die Ideen des Konstruktivismus nicht denkbar. Es handelt sich hierbei um einen Überbegriff für verschiedene Strömungen der Philosophie des 20. Jahrhunderts. Zu den bekanntesten gehört der Radikale, Erlanger sowie der Interaktionistische Konstruktivismus. Trotz ihrer Unterschiede, z.B. im Bereich ihrer Aussagen und Entstehungen, sind elementare Gemeinsamkeiten erkennbar. Im Zentrum des Konstruktivismus steht die Frage nach der Entstehung menschlicher Erkenntnis. Folglich wird nicht ontologisch nach dem Was gefragt, sondern vielmehr epistemologisch nach dem Wie. Dabei findet stets eine Orientierung am Beobachter statt. Außerdem rücken alle Strömungen des Konstruktivismus von der Vorstellung einer objektiv erfassbaren absoluten Wahrheit ab. Dem liegt u.a. der Leitsatz: ‘Ich denke, also bin ich’ von René Descartes zu Grunde. Deswegen wird die Realität in Abhängigkeit zum Beobachtenden gesehen. Es erfolgt somit eine Prämissensetzung seiner Autonomie aufgrund seiner angenommenen Fähigkeit zur Selbststeuerung und -organisation. Grundlage sind dabei stets persönliche Erfahrungen, Normen und Werte. Das impliziert, dass jeder Mensch seine Umwelt etc. interindividuell wahrnimmt und darauf aufbauend seine Handlungsintentionen entwickelt. Damit verbunden gibt es kein richtig oder falsch mehr, sondern lediglich intersubjektive Wahrheiten, auf deren Grundlage gehandelt wird. Damit fällt das Interesse auf die Differenz und Pluralität von möglichen Wirklichkeitsauffassungen und ihren Folgen. Der Radikale Konstruktivismus wurde durch seine Hauptvertreter Ernst von Glasersfeld, Humberto Maturana, Heinz von Foerster sowie Paul Watzlawick entscheidend geprägt. Als Ausgangspunkt dieser Strömung kann die Tagung Konstruktion von Wirklichkeiten in San Francisco 1978 angesehen werden. Der Radikale Konstruktivismus beruht auf der genetischen Erkenntnistheorie von Jean Piaget. Gemäß dieser beiden Theorien ist die Wissensaufnahme durch die Sinnesorgane und Kommunikation nicht als passiver Prozess zu verstehen. Vielmehr wird das Wissen auf Grundlage eigener Erfahrungen und subjektiven Sinneswahrnehmungen gebildet. Es handelt sich somit um einen aktiven Prozess, in dessen Konsequenz neu erworbenes Wissen an bereits bestehende Wissensbestände und Erfahrungen angepasst wird. Das ist auch unter dem Terminus Schloss-Schlüssel-Prinzip bekannt. Auf dieser Grundlage wird abgeleitet, dass kein Mensch in der Lage sei, die Grenzen seiner eigenen Erfahrungen zu überwinden. Die Konsequenz hieraus ist, dass selbst wissenschaftlich gewonnenes Wissen nicht objektiv sein kann. Das widerspricht dem absolutem Wahrheitsanspruch der Wissenschaft. In der Gesamtheit wird eine ausschließlich subjektivistisch Sichtweise dieser Theorie deutlich. Diese fand in der Systemtheorie, insbes. jener von Niklas Luhmann, große Beachtung und hat diese entscheidend geprägt. Der Erlanger bzw. Methodische Konstruktivismus kann als ein methodenkritischer Ansatz in der Wissenschaftstheorie verstanden werden. Begründet wurde dieser durch Wilhelm Kamlah und Paul Lorenzen in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Inspiriert wurde er von der Philosophie von Hugo Dinglers. Seine Grundlage ist die Methode der Zahlen, von welcher eine Vielzahl von mathematischen Konstruktionen hergeleitet werden können. Daraus erwuchs die Idee, dass die Erzeugung von Wissen mit gleichen Methodenstandards zwar immer noch zur Beschreibung von Konstruktionen führe, diese aber ähnlich bzw. vergleichbar seien. Das ist ein deutlicher Widerspruch zum Radikalen Konstruktivismus. Daraus wurde die logische Propädeutik abgeleitet. Deren zentraler Leitsatz heißt: ‘Die Verständigung zwischen den Gesprächspartnern soll nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass der Redende den Prädikator anders verwendet als der Hörende [...]. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Gesprächspartner vor der Verwendung eines Terminus gut daran tun, sich hinsichtlich eben dieser Verwendung ausdrücklich zu verständigen.’ Somit müssen Aussagen gemäß dieses Ansatzes stets mit ihrem methodischen Hintergrund interpretiert werden, um ein ähnliches Verständnis von Konstruktionen sicherstellen zu können. Daraus wird die sprachtheoretische Orientierung unverkennbar. Diese Ideen fanden in der Systemtheorie, aber speziell in der Pädagogik ihren Widerhall. Der Interaktionistische bzw. soziokulturelle Konstruktivismus wurde durch Kersten Reich begründet. Sie wurde inspiriert durch den Pragmatismus von John Dewey. Diese Strömung gilt als die jüngste aller bisher vorgestellten, da sie um die Jahrtausendwende entstand. Diese Form des Konstruktivismus betont die Bedeutung des kulturellen bzw. lebensweltlichen Hintergrunds von Personen, die durch gemeinsames Handeln miteinander geteilte Realitäten konstruieren. Beispielhaft lässt sich dies am Zusammenspiel von Demokratie und Erziehung erläutern. So kann nur die hinreichende Partizipation in Entscheidungsprozesse im Rahmen des kindlichen Sozialisationsprozesses die spätere demokratische Teilhabe ermöglichen. Somit wird die Rolle des situativen Lernens stark betont, da nur die Anwendung des Wissens mit dem damit verbundenen Erfahrungsgewinn träges Wissen verhindere. Es handelt sich hierbei um Wissensbestände, über die ein Mensch auf theoretischer Ebene zwar verfügt, welche aber in praktischen Gegebenheiten nicht eingesetzt werden können. Deswegen kann das folgende Zitat als beispielhaft für diesen Ansatz angesehen werden: ‘Ich bin vernetzt, also bin ich.’ Daraus wird eine stärkere Orientierung am Erlanger als am Radikalen Konstruktivismus deutlich. Die vorgestellten Ideen fanden vorwiegend im Bereich der Pädagogik, v.a. durch die Ermöglichungsdidaktik, Verwendung. In der Systemtheorie hingegen ist der Widerhall marginal. An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass der Konstruktivismus gemäß der eigenen Definitionen selbst nur eine mögliche Sichtweise auf die Realität darstellt.In ihr spiegeln sich zwar zeitgenössische Erkenntnisse der Psychologie, der Sprachwissenschaften und der Phänomenologie, aber sie ist somit anderen philosophischen Leittheorien keinesfalls als überlegen o.ä. anzusehen. Stattdessen stellt sie lediglich im Moment die überwiegend bevorzugte Sichtweise im Bereich der Philosophie dar. Dabei erscheint es wahrscheinlich, dass sie früher oder später durch eine neue Theorie abgelöst wird. 4.2, Ein Einblick in die Systemtheorie: Die Systemtheorie resultiert gemäß Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld sowie Humberto Maturana ursprünglich aus dem kybernetischen Denken von Mathematikern, Physikern und Ingenieuren, welches bis ca. 1970 praktiziert worden ist. In diesem Kontext ist insbes. Ludwig von Bertalanffy zu nennen. Die Kybernetik beschäftigt sich vorwiegend mit der Erscheinung und Gesetzmäßigkeiten von Effektoren, z.B. Maschinen oder Organen, die direkt oder indirekt mit sensorischen Organen verbunden sind. Dieses wirkt, vermittelt durch externe Stimuli, auf den Effektor zurück. Das bedeutet, dass von einer zirkulären Kausalität ausgegangen wird, gemäß dem Prinzip ‘A impliziert B, B impliziert C, C impliziert A.’ Dabei wirken aber auch die einzelnen Komponenten auf sich selber zurück. Das ist auch unter dem Terminus Selbstreferenz bekannt. Daran anlehnend können Systeme im Allgemeinen definiert werden als ‘ganzheitlicher Zusammenhang von Teilen, deren Beziehung untereinander quantitativ intensiver und qualitativ produktiver sind als ihre Beziehungen zu anderen Elementen. Die Unterschiedlichkeit konstituiert eine Systemgrenze, die System und Umwelt des System trennt.’ Übertragen auf soziale Kontext kann demnach gesagt werden, dass gemäß Urie Bronfenbrenner ein Kind von zahlreichen Funktionssystemen umgeben ist. Diese unterliegen alle einer systemimmanenten Logik und beeinflussen sich alle direkt oder indirekt wechselseitig. Ihre Grenze konstituiert die Interaktionsquantität und -qualität. Somit lässt sich in Bezug auf das Individuum Kleinkind festhalten, dass die Kernfamilie als sein Mikrosystem höchstwahrscheinlich das wichtigste Funktionssystem darstellt, weil zu diesem der häufigste Kontakt besteht und das größte Maß an Produktivität hinsichtlich Bedürfnisbefriedigung und Entwicklungsanreize gegeben ist. Die Familie ist ein Teil des Mesosystem. Dieses umfasst ‘die Wechselbeziehungen zwischen den Lebensbereichen, an denen eine sich entwickelnde Person aktiv beteiligt ist. Für ein Kind sind das etwa die Beziehungen zwischen Elternhaus, Schule und Kameradengruppe in der Nachbarschaft.’ Darüber hinaus gibt es noch Systeme, die das Kind nur indirekt beeinflussen kann, wie z.B. der Arbeitsplatz der Eltern, welcher im Exosystem beheimatet ist. All die genannten Bereiche werden vom Makrosystem umgeben. Es handelt sich hierbei um gemeinsam geteilte kulturelle oder subkulturelle Normen und Werte. Sie finden beispielsweise im Rechtssystem ihren Ausdruck. In der Fachliteratur wird außerdem von einer ‘internen Geteiltheit von Systemen’ gesprochen. So sind Systeme zwar eine Einheit, aber sie setzen sich aus verschiedenen Subsystemen zusammen. Wird diese Logik auf die Theorie von Urie Bronfenbrenner angewendet, so setzt sich das Mesosystem Familie ebenfalls aus verschiedenen Subsystemen zusammen. Jene unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Interaktionsquantität sowie -qualität, wodurch sie sich voneinander abgrenzen. Dazu zählen beispielsweise das Eltern- bzw. Paar-, Geschwister-, oder das Mutter-Kind-Subsystem. In den 1970er Jahren wurde die Systemtheorie um den evolutionären Aspekt erweitert, welcher sich an die Ideen von Charles Darwin anlehnen. Dadurch wurde der Aspekt betont, dass soziale Systeme selbst einer eigenständigen Entwicklung unterliegen, die nicht zwangsläufig extern bedingt ist. Dabei wird zwischen zwei Formen unterschieden. Die erste Form ist die Koevolution. In dessen Folge, passen sich Systemmitglieder untereinander an. Das geschieht z.B. durch die interne Selektion bestimmter Verhaltensweisen. Die zweite Form ist die Makroevolution. Dabei handelt es sich um grundlegende Änderungen der Struktur von sozialen Systemen. Das ist z.B. dann gegeben, wenn ein Systemmitglied geboren wird oder verstirbt. Den Ideen des Konstruktivismus folgend, sind soziale Systeme lediglich als kognitive Organisationsinstrumente zu verstehen. Das hat für den systemisch arbeitenden Berater oder Therapeuten weitreichende Folgen. So werden soziale Systeme in Abhängigkeit von systemintern produzierten Handlungen und von subjektiven Realitätsbeschreibungen externer Beobachtbarer geschaffen. So ist es z.B. nicht ausreichend, die Strukturen einer Familie anhand gesellschaftlich tradierter Werte und Normen für sich selbst zu konstruieren. Vielmehr erscheint eine kreative Betrachtungsweise notwendig, um das ‘existenziell bedeutsame Beziehungssystem’ einer Person widerspiegeln, welches die familieninternen Realitäten widerspiegelt und somit Zusammenhänge etc. erklärbar macht. Dabei können auch Personen zum System Familie hinzugezählt werden, die in einer klassischen Betrachtung nicht dazugehörig sind, z.B. enge Freunde oder verstorbene Systemmitglieder. Dass diese Interpretation von Berater zu Berater unterschiedlich ist, erscheint dabei unerheblich, solange die gewünschten Fortschritte erzielt werden.

Über den Autor

Tobias Düsterdick wurde im Jahre 1987 in Leipzig geboren. Bereits in seiner Schulzeit, die er 2007 mit dem Abitur abschloss, war er fasziniert von Menschen und ihren Entwicklungen So ist es nicht verwunderlich, dass er 2008 sein Studium in den Fachbereichen Erziehungswissenschaft und Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität begann. Getragen vom weiterhin großen Interesse und Erfolgen führte seine akademische Reise nach Finnland, wo er den Winter 2010 verbrachte und neue Impulse im Bereich der klinischen Kinder- und Jugendpsychologie bekam. 2011 kehrte er nach Jena zurück und schloss sein Bachlor of Arts-Studium ab. Neben theoretischem konnte er auch zahlreiches praktisches Wissen im In- und Ausland erwerben, z.B. in verschiedenen Beratungsstellen oder Psychiatrien. Um sein Wissen und seine Kompetenzen im Bereich der systemischen Entwicklung und Sozialisation von Kindern und Jugendlichen sowie deren Beratung zu erweitern, schloss er sich im Jahr 2011 der Technischen Universität Dresden im Studiengang Master of Childhood Research and Education - Kindheitsforschung, Beratung und Bildung an. Dieses Studium wurde 2014 mit dem Titel Master of Arts hervorragend abgeschlossen.

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