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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 05.2017
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Abb.: 8
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Ich bin hübsch! Ich bin schlau! Ich bin hässlich! Ich bin in Ordnung! Ich bin dumm! – Wer bin ich eigentlich? Zu wissen, wer man ist, wie man sich fühlt und warum man so geworden ist, ist existenziell. Wohlbefinden und Lebenssinn können nur entstehen, wenn man das Gefühl hat, ein Jemand zu sein und sich und das eigene Verhalten versteht. Dies meint ein gelingendes Identitätsgefühl. Dieses Buch handelt von den Grundbausteinen der Identität und wie sie sich entwickelt. Es erläutert, was das Kind in der Entwicklung braucht, um ein gelingendes Identitätsgefühl zu bilden. Doch was passiert, wenn Trauma die Identitätsentwicklung durchdringt? Trauma meint ein Gefühl von Ohnmacht, das das eigene Verständnis erschüttern kann. Dieses Buch erklärt, auf welchen verschiedenen Ebenen sich Trauma auf das Kind und dessen Identität auswirken kann und warum dieses Wissen besonders für Fachkräfte der Sozialen Arbeit, aber auch für alle anderen Menschen von Bedeutung ist.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 1.3.2 Autonomie vs. Scham und Zweifel: Die zweite Stufe handelt von einem Gefühl von Autonomie, welches sich im ca. zweiten und dritten Lebensjahr entwickelt. (vgl. Schlegel 1978, S.253) Mit Autonomie bzw. Unabhängigkeit bezeichnet man in der Psychologie einen Zustand von Selbständigkeit, Entscheidungsfreiheit oder Selbstbestimmung. (Stangl 2016) Das (bis jetzt von der Gesellschaft abhängige) Kleinkind hat das Bedürfnis etwas autonom festhalten und loslassen zu können. Der Körper entwickelt sich weiter, indem das Kind lernt zu laufen und Dinge gezielter greifen zu können, die Frühform der Stufe der Initiative. Es steht fest auf den Füßen und möchte nun den eigenen Willen durchsetzen. Zudem entwickelt es die Anfänge der Sprache. (vgl. Erikson 2015, S.76-78). Bei dem Kind entsteht ein Lustgefühl an den Ausscheidungsorgangen, da sich in der Phase das Muskelsystem entwickelt, das diese Organe koordiniert. Das Kind soll lernen, das Festhalten und Loslassen der Organe (Blase und Darm/After) zu regulieren. Da der Kot nun geformter austritt als beim Säugling, erleichtert es das Festhalten bzw. Loslassen des Kots. (vgl. ebd., S.76-78) Aus der zu erlernenden Funktion ergibt sich die soziale Verhaltensweise des Hergebens und Festhaltens . (vgl. Conzen 2010, S.69) Diese möchte das Kind üben, indem es die beiden Gegensätze mit verschiedenen Objekten abwechselnd ausprobiert. Es erforscht somit die Umwelt (vgl. Erikson 2015, S.76) und erlernt, u.a. durch das Beherrschen der Organe, Autonomie. (vgl. Conzen 2010, S.73) Wird das Kind zur Reinlichkeitserziehung gedrängt oder zeigen die Pflegepersonen bei nicht-gelingen negative Verhaltensweisen gegenüber dem Kind, so kann das zu einem Gefühl von Scham und Zweifel führen. Zeigen die Pflegepersonen Lob und lassen dem Kind Zeit sich zu entwickeln, kann das Gefühl (vgl. ebd., S.69) etwas produzieren und auf Verlangen hergeben zu können, über die 'analen' Lustempfindungen hinaus zu einem Gefühl des Stolzes und der Autonomie (ebd.,S.69) entstehen. Dieses Stadium wird deshalb entscheidend für das Verhältnis zwischen Liebe und Haß, Bereitwilligkeit und Trotz, freier Selbstäußerung und Gedrücktheit. (Erikson 2015, S.78). Die Entwicklung von Autonomie setzt ein Ur-Vertrauen voraus. Das Kind braucht ein sicheres Vertrauen als Basis, damit es den Willen durchzusetzen versucht und keine Angst entwickeln kann, dass diese Basis durch die Durchsetzung des eigenen Willens gefährdet wird. Zudem braucht es von den Pflegepersonen ein Gleichgewicht von Schutz und machen-lassen . Das Kind soll vor Gefahren geschützt sein, aber in der Autonomie gestärkt werden, indem es eigene Erfahrungen machen darf. Es braucht genügend Freiraum um den eigenen Willen erproben zu können. Das Kind lernt, wie auch in der Stufe des Ur-Vertrauens, von den Bezugspersonen. Das heißt, die Autonomiebildung des Kindes hängt von dem Gefühl persönlicher Unabhängigkeit der Pflegepersonen ab, inwieweit bzw. auf welche Art sie Autonomie und Stolz haben und wie sie es an das Kind weiter geben (z.B. die soziale Position der Pflegepersonen zueinander und zum Staat: Gefühl von politischer Würde des Menschen, die auch in den Gesetzen wiedergegeben ist). (vgl. ebd., S.79, 85f) Daraus entwickelt das Kind ein ideales und ein negatives Selbstbild nach denen es handeln bzw. nicht handeln möchte. (vgl. Conzen 2010, S.70f) Also die Werte und Normen bzw. Rechte und Pflichten seiner Kultur (Wertesystem). (vgl. Erikson 2010, S.85). Autonomie stärkt die Selbstsicherheit des Kindes und trägt beispielsweise zu der Durchsetzungsfähigkeit bei, die der Mensch in sozialen Interaktionen benötigt (z.B. um seinen Beruf verantwortlich ausüben oder eigene Meinungen vertreten zu können). (vgl. Conzen 2010, S.70f) Das Kind weiß nun, dass es ein Ich ist und einen Willen hat und haben darf. (vgl. Erikson 2015, S.87) So stellt sich die Antwort auf die Frage Wer bin ich? : Ich bin, was ich will! (ebd., S.98). 1.3.3 Initiative vs. Schuldgefühl: Die dritte Stufe handelt von einem Gefühl von Initiative, welches sich ungefähr vom dritten bis in das fünfte Lebensjahr entwickelt. (vgl. Schlegel 1978, S.257) Initiative meint hier sich für konkrete Aufgaben zu engagieren, Pläne zu verfolgen, eigene Ziele zu verwirklichen. Die gesteigerte Initiative dieses Alters zeigt sich in einem ungebremsten Neugierverhalten. (Conzen 2010, S.73) Das Kind möchte nun herausfinden, welches Ich es sein möchte. Es identifiziert sich mit den Pflegepersonen bzw. Bezugspersonen und Helden (z.B. Feuerwehr) und ahmt sie nach. Es träumt, phantasiert und stellt sich Bilder vor, wer es später sein möchte und bringt das im kindlichen Spiel mit ein. Der Körper ist so weit entwickelt, dass das Kind sich schneller und kräftiger bewegen kann. Es konzentriert sich nicht mehr auf das Laufen, sondern läuft ohne daran zu denken und benutzt es nicht mehr rein als Zweck, beispielsweise um an etwas heran zu kommen. Es hat einen Überschuss an Energie, mit dem es die Welt erkundet. Die Bezugspersonen sind die wichtigen Beziehungen für das Kind, jedoch spielt es jetzt auch aktiv mit Gleichaltrigen. Die Sprache wird deutlicher und verständlicher und auch das Verstehen auf der Seite des Kindes. Durch das Verstehen und dem Bedürfnis nach Wissbegier, stellt das Kind Vergleiche auf und fragt nach Unterschieden. Es fängt in kleinen Schritten an Lesen, Rechnen und Schreiben zu lernen. (vgl. Erikson 2015, S.87-92) Erikson nennt diese Entwicklung die Erweiterung der Vorstellungswelt (ebd., S.87), indem das Kind in die Umwelt durch Sprache und Bewegung eindringt. Somit lautet die Antwort auf die Frage: Wer bin ich? : Ich bin, was ich mir zu werden vorstellen kann! (ebd., S.98). Die Neugier auf das Geschlecht ist in der dritten Stufe der zentrale Punkt. Es werden Unterschiede festgestellt und sich intensiv mit den Geschlechtsorganen beschäftigt. Wird das Interesse an den Genitalien negativ beeinflusst (z.B. die Aussage: Penis/Klitoris anfassen = der Teufel kommt und holt dich), können Ängste und fehlendes Interesse die Auswirkungen sein. Daraus kann im erwachsenen Leben ein Entwicklungsunterschied zwischen der psychischen Sexualität und der physischen Geschlechtsreifung entstehen. (vgl. ebd., S.87-90). Die Rollennachahmung des Kindes von der Bezugsperson wird als Stolz empfunden, genau so zu sein wie die gleichgeschlechtliche Person. (vgl. ebd., S.90) Es bindet sich eng an die gegengeschlechtliche Bezugsperson und empfindet durch die inneren Triebe eine tiefe Bindung. Sie ist die erste Liebe des Kindes. (vgl. Conzen, 2010, S.74) Das Kind stellt jedoch fest, dass es physisch der gleichgeschlechtlichen Bezugsperson unterlegen ist und dass es deshalb nie in der selben sexuellen Beziehung zu der anderen Bezugsperson stehen kann, wie die gleichgeschlechtliche Person. Sie wird zum Gegner. Die Unterlegenheit und das Rivalenverhalten des Kindes gegenüber der gleichgeschlechtlichen Person nimmt das Kind emotional mit. Hier sollen die Bezugspersonen verständnisvoll reagieren und nicht mit Bestrafung. Es können sich sonst daraus Ängste und Schuldgefühle entwickeln (vgl. Erikson 2015, S.90), die im späteren Leben in einem extremen Kampf von Macht und Eifersucht enden können. Denn das Kind liebt die eine und ist eifersüchtig auf die andere Bezugsperson, von der es für die Zuneigung bestraft werden kann. (vgl. Conzen 2010, S.75f) Diesen Konflikt nennt Erikson, der den Begriff von Sigmund Freud übernommen hat (vgl. Erikson 2015, S.90), den Ödipus-Komplex (Erikson 2015, S.90). Das bedeutet, das Mädchen ist auf die weibliche Person eifersüchtig, weil es mit der männlichen Bezugsperson intim ist, und der Junge ist auf die männliche Person eifersüchtig, wegen der weiblichen Bezugsperson. Jede Äußerung zu einem Fehlverhalten des Kindes kann als du hast es verdient wahrgenommen werden. Bei dem weiblichen Kind ist der Komplex durch das Fehlen eines greifbaren Genitals verstärkt. Männliche Kinder haben einen Penis, den sie deutlich sehen und greifen können. Bei dem weiblichen Kind ist das nicht vorhanden, sodass die Rollenvorstellung, eine Frau zu sein, nur im Spielen und Träumen aufrechterhalten werden kann. Andersherum kann sich bei dem männlichen Kind ein Gefühl entwickeln, nie in seiner familiären Umgebung eine Macht erlangen zu können, wenn das weibliche Geschlecht dominiert. Die weiblichen Personen können sogar seinen Penis schlecht reden, sodass er sich als minderwertig ansehen kann. Beide Geschlechter haben das Bedürfnis zu Glauben, später einmal wie die gleichgeschlechtliche Bezugsperson zu sein. Sie benötigen daher eine dem Kind angepasste Sexualaufklärung (vgl. ebd., S.90f) und Alltagsgestaltung, bei der die weiblichen Erwachsene und Kind oder die männlichen Erwachsene und Kind auf gleicher Ebene interagieren. Folgend können durch den Ödipus-Konflikt entstandene Gefühle von Wut/ Hass oder Minderwertigkeit gedämmt werden. (vgl. Conzen 2010, S.76). Das Kind entwickelt in diesem Alter das Gewissen, welches nach der eigenen Moral handelt. (vgl. ebd., S.76) Es bildet sich erst, wenn das Kind Vertrauen aufgebaut hat (zu sich und zu anderen, 1. Stufe). Vertraut es auf die eigenen Werte, kann es sich unabhängig von anderen entwickeln (spätere Form von Autonomie). Es sammelt all die Informationen über Gebote und Verbote ein, die es bis jetzt erfahren hat. Es identifiziert sich vor allem mit den Werten und Normen der Bezugspersonen, da es die Rolle dieser annimmt/nachahmt. (vgl. Erikson 2015, S.94f) Hier kommt es auf eine empathische und gerechte Erziehung seitens der Bezugspersonen an. (vgl. Conzen 2010, S.76) Halten sich die Personen nicht an die Regeln, die sie dem Kind lehren, kann das Kind Hass gegen sie entwickeln. (vgl. Erikson 2015, S.94f) Schüchtern diese das Kind ein, wenn es sich nicht nach den Regeln verhält, können Ängste entstehen. Sie vermitteln dem Kind eine Moral die der Machtausübung dient, welche das Kind im erwachsenen Leben an anderen ausüben kann. Dadurch kann das Gewissen die Initiative einschränken. Es werden Wünsche des Kindes, die mit einem Konkurrenten verknüpft sind, von der Moral unterdrückt. So geht das Gewissen Machtkämpfen aus dem Weg. Demnach kann das Kind nicht mehr nach der eigenen Haltung handeln und kann individuelle Meinungen aufgeben, anstatt sie zu verteidigen. (vgl. Conzen 2010, S.76f) Das kann zu Denkschwächen und Sprachstörungen über mimisch-motorische Verkrampfungen bis hin zu Gefühlsarmut und Impotenz (ebd., S.77) führen. Die soziale Verhaltensweise, die sich aus der Phase ergibt, ist das Machen . (Erikson 2015, S.92) Als Frühform meint es sitzen/laufen bzw. etwas machen/sich bewegen zu können. In der Stufe meint es Freude am Wettbewerb, an Zielstrebigkeit und Eroberungslust . (ebd., S.92) Wenn das Spielalter phantasievoll ausgeprägt ist, kann sich das Kind zu einem Mensch entwickeln (vgl. Conzen 2010, S.77), der Einfallsreichtum, Neugier und Forscherdrang (ebd., S.77) besitzt. Daraus kann das Kind Initiative entwickeln: es wird aktiv, kann etwas machen, entwickelt Verantwortung und wird zu einem erwachseneren Kind, so Erikson. (vgl. Erikson 2015, S.96) Es ist die Frühform der nächsten Stufe (siehe Anhang 1) etwas leisten zu können. (vgl. Conzen 2010, S.77).

Über den Autor

Antonia Kuhnert wurde 1994 in Baden-Württemberg geboren. Ihr Studium der Sozialen Arbeit an der Technischen Hochschule Köln schloss die Autorin im Jahre 2016 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen im Bereich der stationären Kinder- und Jugendhilfe. So engagierte sie sich für ein Heim für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Indien und ist bis heute in einem Mentorenprogramm für Kinder in Deutschland aktiv. Bereits während ihres Studiums und erster Erfahrungen in der Kinder- und Jugendhilfe entwickelte die Autorin ein besonderes Interesse an den Themen Trauma und kindliche Entwicklung . Dies motivierte sie dazu, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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