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Pädagogik & Soziales

Katrin Niemann

Zur Entwicklung hochbegabter Grundschüler in einer Förderklasse

ISBN: 978-3-8428-6387-3

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 10.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 216
Abb.: 60
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Hinsichtlich des Phänomens Hochbegabung hat auch die Schule ihren Beitrag zur individuellen Förderung zu leisten. Inwieweit bereits die Grundschule trotz herrschender großer Leistungsheterogenität in der Lage sein kann, hochbegabte Schüler individuell zu fördern, soll Gegenstand dieser Studie sein. Im theoretischen Teil werden Definitionen sowie Modelle zur Hochbegabung dargestellt. Des Weiteren sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, die für die Förderung hochbegabter Grundschüler relevant sind. Im empirischen Teil wird die Evaluation des Schulversuchs zur Förderung hochbegabter Grundschüler in der Grundschule am See in Neubrandenburg / Mecklenburg Vorpommern. Dabei werden kognitive, nichtkognitive und soziale Umweltbedingungen berücksichtigt. Die Studie wurde über einen Zeitraum von 4 Jahren angelegt (Schuljahr 2003/04 bis 2006/07).

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.3.1, Diagnostik kognitiver PM: Im Fokus in der Hochbegabtendiagnostik liegt der kognitive Bereich, der in ein- und mehrdimensionalen Erklärungsansätzen eine zentrale Rolle einnimmt. Im Folgenden werden Möglichkeiten und Grenzen der Intelligenz- und Kreativitätsdiagnostik vorgestellt. 3.3.1.1, Intelligenz: Wie bereits in Kapitel 1 gezeigt, spielt in fast allen Begabungsmodellen – sowohl in den eindimensionalen als auch in den mehrdimensionalen – die kognitive Komponente eine zentrale Rolle, weshalb auch der Intelligenztest das verbreitetste und anerkannteste Verfahren zur Identifizierung Hochbegabter darstellt. Es wird dabei von der Annahme ausgegangen, dass sich die Intelligenz in der Bevölkerung ungefähr nach der Gaußschen Normalkurve verteilt. Die Skala, auf der die Messung der Intelligenz festgehalten wird, ist häufig so gewählt, dass der Mittelwert 100 und die Standardabweichung 15 beträgt. Durch die Standardabweichung soll berücksichtigt werden, dass die erzielte Testleistung zu verschiedenen Zeitpunkten des Tests auch zu unterschiedlichen Testergebnissen führen kann, sodass man stets von einer Fluktuation der Werte ausgehen muss. Dieser Gesamtwert, den jemand in einem Intelligenztest erreicht, wird IQ, d. h. Intelligenzquotient genannt. Somit könnte der Intelligenztest ungefähr feststellen, in welchem Bereich der IQ liegt. Schwierig ist dabei allerdings die Festlegung eines sog. ‘Cut-Off-Scores’, ab dem von Hochbegabung gesprochen werden kann. Dieser Grenzwert hängt u. a. sehr von der subjektiv geprägten Ansicht des jeweiligen Forschers ab, sodass sich in der Praxis immer wieder Ungerechtigkeiten wegen verschiedener Grenzfälle ergeben. Doch nicht nur die Grenzwerte hängen von individuellen Auffassungen ab: Intelligenz lässt sich nicht wie eine physikalische Größe mit einem Messinstrument erfassen. Sie ist vielmehr ein Konstrukt, d. h. ein von Wissenschaftlern geprägter Begriff, der kognitive, nicht direkt beobachtbare Fähigkeiten beschreiben soll. Es gibt keine allgemeingültige Definition und Modellvorstellung von Intelligenz, was sich auf die Zusammenstellung der Aufgaben für Intelligenztests entsprechend auswirkt. So kann es vorkommen, dass dieselbe Person in zwei verschiedenen Intelligenztests diskrepante Ergebnisse hinsichtlich der Gesamtleistung erzielt, was u. a. vermutlich auf die verschiedenartige Gestaltung der Tests, basierend auf unterschiedlichen Intelligenzkonzepten, zurückzuführen ist. Dass die Intelligenztests jedoch nicht völlig verschiedene Merkmale testen, zeigen die signifikant positiven Korrelationen zwischen den unterschiedlichen Tests. An dieser Stelle soll auf eine Darstellung verschiedener, häufig in der Praxis eingesetzter Intelligenztests verzichtet werden, da es nicht die Aufgabe der Grundschule, sondern ausgebildeter Fachleute ist, Kinder durch Intelligenztests als ‘hochbegabt’ zu identifizieren. Stattdessen sollen hier die Vor- und Nachteile solcher Tests erörtert werden, deren Kenntnisse im Umgang mit Hochbegabten sicherlich bedeutsam sind. Nach Feger haben viele Studien und Projekte die relative Nützlichkeit der Intelligenztests zur Identifizierung Hochbegabter erwiesen, wodurch bereits Einschränkungen angedeutet werden. Wie zuvor ausgeführt wurde, ist eine ausschließliche Definition von Hochbegabung über hohe Intelligenz nicht ausreichend, da hierdurch spezielle, nicht-kognitive Formen der Hochbegabung, wie z. B. die sportliche Hochbegabung, ausgeklammert werden würden. Somit ist der Intelligenztest als allein verwendete Identifizierungsmethode abzulehnen. Zudem werden durch die Beschränkung auf Erfassung kognitiver Fähigkeiten andere wesentliche Persönlichkeitsmerkmale, wie z. B. Interesse und Motivation, vernachlässigt, welche jedoch für die Manifestierung eines außergewöhnlichen Leistungsverhaltens eine wesentliche Rolle spielen können. Damit eng verbunden ist die fehlende Berücksichtigung kreativer Prozesse. Obwohl der Einsatz kreativer Lösungsstrategien als wesentlicher Bestandteil der Hochbegabung kaum mehr strittig ist, gibt es fast keine Messverfahren, die eine standardisierte Messung der Kreativität ermöglichen. Außerdem werden in Intelligenztest nicht die Denkprozesse berücksichtigt, die zu einer Antwort führen. Es wird nach einer einzig ‘richtigen’ Antwort gesucht, obwohl eine ‘falsch’ gegebene Antwort eventuell auf eine höhere geistige Entwicklung schließen lassen kann, was aber durch die Überbewertung des Denkergebnisses gegenüber dem Denkprozess nicht deutlich wurde. Es wird deshalb vorgeschlagen, mit Kindern, die unerwartet niedrige Ergebnisse in den Tests erzielen, darüber zu sprechen, wie sie zu ihren Antworten gekommen sind. Zudem wird Lehrern empfohlen, auch auf ihr eigenes Urteil Wert zu legen und nicht nur den Tests zu trauen. Ein weiterer, wichtiger Kritikpunkt ist die Tatsache, dass die meisten Intelligenztests auf die Mittelschicht ausgerichtet sind und eine hohe Kultur- und Schichtenspezifität aufweisen, sodass folglich Kinder aus sozial ungünstigen Verhältnissen bzw. zahlreiche Minderheiten, wie z. B. Kinder von Gastarbeitern und ganz allgemein Kinder mit ungeübten oder unzureichenden Sprachfertigkeiten benachteiligt werden, und die erzielten Ergebnisse nicht dem eigentlichen Potenzial der Kinder entsprechen. Ein großes Problem ist hierbei die Sprache der Mittelschicht, die den betreffenden Kindern meist fremd ist, die sie nicht ausreichend verstehen, und in der sie nicht angemessen antworten können. Außerdem werden in diesen Intelligenztests oftmals Erfahrungen vorausgesetzt, die diese genannten Kinder nicht haben können. Um derartigen Problemen entgegenzuwirken, wurde eine Reihe von sprachfreien Tests entwickelt, deren Ergebnisse diesbezüglich als recht zuverlässig gelten. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Ergebnisse der einzelnen Untertests zu einem Gesamtwert zusammengefasst werden, sodass eventuell Spitzenleistungen in einem oder mehreren Bereichen nicht mehr ersichtlich sind. Die Intelligenztests wurden ursprünglich konzipiert, um eine Person über die gesamten Ausprägungsgrade, von sehr niedrig bis sehr hoch, einstufen zu können. Bei der Identifizierung Hochbegabter geht es jedoch vielmehr darum, die Werte im oberen Intelligenzbereich genauer differenzieren und einschätzen zu können. Es muss also zwischen ‘begabt’ und ‘hochbegabt’ unterschieden werden können. Herkömmliche Intelligenztests sind aber in den oberen Extrembereichen ungenau: Löst ein Kind alle Aufgaben in einem Test oder in einem Teilbereich richtig, so sind seine Fähigkeiten mit diesem Test nicht mehr erfassbar. Gelöst wird dieses Problem bei Kindern oftmals dadurch, dass man sie einen Test für ältere Kinder oder Erwachsene bearbeiten lässt. William Stern (1928) wies weiterhin auf die Unterscheidung zwischen reaktiver und spontaner Intelligenz hin. Reaktive Intelligenz zeigt sich in Testsituationen, wohingegen die spontan gezeigte Intelligenz durch menschliche Beurteiler erfasst werden muss. Die spontane Intelligenz kann dementsprechend beeinträchtigt werden, wenn der Schüler das Gefühl hat, sich in einer Prüfungssituation zu befinden. Hilfreich können hier z. B. Beobachtungsbögen sein, die sorgfältig und über einen längeren Zeitraum ausgefüllt werden. Ein weiterer, m. E. äußerst bedeutsamer Kritikpunkt ist es, dass die Ergebnisse in Intelligenztests nicht unbedingt die eigentliche Leistungsfähigkeit des Kindes widerspiegeln, wofür es zahlreiche Gründe geben kann: Das Kind kann sich zum Testzeitpunkt schlecht gefühlt haben, den Testleiter ablehnen, durch Geräusche abgelenkt worden sein, unter Testangst leiden, gelangweilt und demotiviert durch die zunächst leichten Fragen gewesen sein, bewusst nicht kooperieren usw. Falls ein berechtigter Verdacht besteht, dass das Ergebnis weit hinter den Erwartungen und den eigentlichen Fähigkeiten zurückliegt, so sollte der Test zu einem späteren Zeitpunkt, in anderer Form und eventuell mit anderem Testleiter wiederholt werden. Bei Tests, in denen zur Bearbeitung nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung steht, werden einige Kinder eventuell nicht als ‘hochbegabt’ erkannt, da sie sich bei der Lösung der Aufgaben sehr viel Zeit nehmen, um sich ihrer Antwort wirklich sicher zu sein. Weiterhin stellen diese Tests einen hohen Kosten- und Personalaufwand dar und sind mit juristischen Problemen verbunden, da sie von den Eltern genehmigt werden müssen, und die Ergebnisse dem Datenschutz unterliegen. Obwohl die Intelligenztests aus den genannten Gründen nicht unfehlbar sind, so stellen sie doch in den Beratungs- und Fördereinrichtungen ein wichtiges Instrument zur Identifizierung von Hochbegabung dar, denn bisher existiert kein Verfahren, das ähnlich valide, objektive und vergleichbare Daten liefert. Diese Tests sollten allerdings nur von erfahrenen Fachkräften eingesetzt, vorsichtig interpretiert werden und unbedingt durch andere Verfahren ergänzt werden, um z. B. auch die Kreativität des Kindes besser erfassen zu können.

Über den Autor

Katrin Niemann, Dipl. Päd, wurde 1978 in Rostock geboren. Nach dem Abitur studierte sie Sonderpädagogik auf Lehramt an der Universität Rostock und qualifizierte sich berufsbegleitend zur Diplom Pädagogin weiter. Seit 2008 ist sie in England tätig und arbeitet derzeit an ihrer Promotion im Bereich Sozialpädagogik und Psychologie.

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