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  • Armutsbekämpfung und Mikroversicherungen - Was können Versicherer von Mikrobanken lernen? Eine Untersuchung von Mikroversicherungsprodukten unter besonderer Berücksichtigung des BOP-Marktes in Bangladesch

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Produktart: Buch
Verlag: Igel Verlag
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Abb.: 14
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Arme Menschen leben in einer mehrfach prekären Situation: Sie verfügen über wenig Einkommen und kaum Vermögen, ohne Zugang zu konventionellen Finanzdienstleistungen. Investitionen in einkommensverbessernde Maßnahmen sind ihnen meist nicht möglich. Die Inanspruchnahme eines Mikrokredits kann einen Ausweg aus absoluter Armut darstellen – was aber passiert, wenn ein Schadensereignis die Investition scheitern lässt? Ohne geeignetes Risikomanagement besteht sogar die Möglichkeit einer Verschlechterung der Finanzsituation des Haushalts aufgrund der Investition, da er nun verschuldet ist. Arme Menschen ohne Risikotransfermöglichkeit sind in der Armutsfalle gefangen. Versicherungen sollen vor finanziellen Folgen von Schadensereignissen schützen, allerdings haben arme Menschen kaum Zugang zu dieser Form des Risikomanagements. Würde aber eine Versicherung vor finanziellen Schadensfolgen schützen, könnte ein Beitrag geleistet werden, verbesserte Einkommenszustände abzusichern und den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen. Absicht der vorliegenden Studie ist die Suche nach einem Ansatz für eine ökonomische Lösung, die einen nachhaltigen Ausweg aus der Armutsfalle ermöglicht. Diese Nachhaltigkeit ist erreichbar, wenn von Armut Betroffene die Möglichkeit erhalten, wirtschaftlich selbstständig zu sein und Zugang zu einem Finanzsystem erhalten, welches den Regeln eines Marktes folgt. Mikrobanken haben offensichtlich Bedingungen identifiziert, Armen marktkonforme Auswege aus der Armutsfalle zu eröffnen, weil sie ihre Produkte an den Markt angepasst haben und nicht umgekehrt. Daraus ergibt sich – bezogen auf das Risikomanagement im Mikrofinanzwesen – die hier betrachtete Frage, was Versicherer von Mikrobanken lernen können.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Der BOP-Markt in Bangladesch: 3.1, Armut in Bangladesch: Bangladesch erwirtschaftete im Jahr 2005 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 299,9 Mio. US$ (ICMIF 2007). Das Wirtschaftswachstum bewegt sich bei etwas über 5,0 Prozent und betrug im Jahr 2005 sogar 6,7 Prozent. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 447 US$ (BFAI 2006). In Bangladesch leben 82,8 Prozent der gesamten Bevölkerung mit weniger als zwei US$ Einkommen am Tag (36 Prozent mit weniger als einen US$) bzw. 49,8 Prozent unterhalb der NPL. Die Lebenserwartung zum Geburtszeitpunkt beträgt 63,3 Lebensjahre, die Wahrscheinlichkeit, das 40. Lebensjahr nicht zu erreichen zum Geburtszeitpunkt 15,9 Prozent und die von 15-Jährigen, nicht älter als 60 Jahre alt zu werden für Männer bei 258 bzw. für Frauen bei 251 je 1.000 Einwohner. Bangladesch erreicht mit einem HDI = 0,530 den 137. Rang auf der Weltentwicklungsskala und liegt damit knapp oberhalb der Grenze zu einem niedrigen Entwicklungsniveau (UNDP 2006). Die Analphabetenquote beträgt ca. 65 Prozent (BE 2007). Das Land hat eine Fläche von 148.393 km2 und ist, gemessen an der Zahl von ca. 150 Mio. Einwohnern, das siebtgrößte Land der Erde (CIA 2007). Mit ca. 1.011 Einwohnern je Quadratkilometer ist die Bevölkerungsdichte sehr hoch. Sie ist etwa 4,3 mal höher als die der Bundesrepublik. Der BOP-Markt Bangladeschs hat ein Potential von ca. 110 Mio. Kunden oder anders ausgedrückt: Auf einer Fläche von einem Quadratkilometer können durchschnittlich 837 Kunden für Mikroversicherungsprodukte identifiziert werden. Bangladesch ist eines der Länder, das zu den ärmsten und am dichtesten besiedelten der Welt gehört und damit – so paradox es klingen mag – eines der interessantesten aus Sicht eines BOP-Markt-Anbieters. 3.2, Klima und Geografie: Das Land wird überwiegend umschlossen von Indien, grenzt im Südosten an Myanmar (bis 1989 Burma) und im Süden an den Golf von Bengalen. Der größte Teil Bangladeschs besteht aus Deltagebieten. Die Flüsse Ganges, Jamuna (Hauptarm des Brahmaputra) und Meghna münden in Bangladesch in den Golf von Bengalen. Das Land liegt nur wenige Meter über dem Meeresspiegel. Die Hauptstadt Dhaka befindet sich lediglich sechs Meter über NN (vgl. CIA 2007). Es herrscht tropisches Klima. Bangladesch liegt im Einflussbereich des Südwest-Monsuns. In den Monaten Juni bis August/September regnet es sehr stark. Die Flüsse führen insbesondere in der Regenzeit sehr viel Wasser. Das Land ist stark von Wirbelstürmen, Erdrutschen, Überschwemmungen und Flutwellen bedroht. ‘30 Hochwasser ... [ereigneten sich] in den letzten 40 Jahren und etwa alle acht Jahre steigt die Flut so hoch, dass sie fast sämtliche Häuser, Straßen und Felder zerstört’ (BLASBERG 2007). Daneben ist das Land aber auch von Dürren betroffen. Häufig gehen Flutwellen oder starke Regenfälle mit den Stürmen einher. In den meisten Fällen sind Todesopfer zu beklagen. Die dramatischsten Katastrophen ereigneten sich 1970 (ca. 500.000 Todesopfer), 1985 (ca. 10.000), 1991 (ca. 140.000 durch das Katastrophenereignis direkt und weitere etwa 160.000 an den Folgen) und 1996 (5.000) (LOHMANN 2000). Die Katastrophen bewirken aber auch andere Schäden und zerstören die Infrastruktur, die Ernte oder die Wohnstätten. 1998 standen mehr als 60 Prozent der Fläche des Landes unter Wasser, fast 25 Mio. Menschen wurden obdachlos (vgl. GEOGRAPHIXX 2007). Die Folgeschäden der Überflutungen sind meist von langfristiger Dauer und rufen Krankheiten infolge von Mängeln in der Wasserversorgung hervor. Am meisten betroffen von solchen Naturereignissen sind arme Menschen. Sie besitzen so gut wie keine Schutzvorkehrungen, sondern ‘leben mit den Katastrophen’ (vgl. HOFER 2005). Insgesamt ist eine Tendenz des Rückganges von extrem vielen Todesfällen infolge von Naturkatastrophen zu verzeichnen. Es gibt zunehmend Frühwarn- und Evakuierungssysteme. Jedoch sterben bis heute bei solchen Ereignissen immer noch einige hundert Menschen. Die Küste des Landes ist über 500 km lang. Dem Land fehlen die Mittel, das Küstengebiet einzudeichen (vgl. BLASBERG 2007 LOHMANN 2000). Bangladeschs Grundwasser ist weitflächig durch Arsen kontaminiert. Betroffen sind etwa 40 Prozent der vorhandenen Brunnen. Erst wenn das Grundwasser aus etwa 200 Meter Tiefe gewonnen wird, ist davon auszugehen, dass es sauber ist (vgl. BÖHME 2005). 3.3, Staat und Politik: 1947 erfolgte aufgrund der überwiegend muslimischen Religion die Abspaltung von Indien. Das Land gehörte zunächst zu Pakistan und wurde wegen der 1.000 Kilometer weiten räumlichen Trennung durch Indien ‘Ostpakistan’ genannt. Ökonomische und politische Ungleichheiten der beiden pakistanischen Staaten führten zu blutigen Kriegen und 1971 erreichte Bangladesch die Unabhängigkeit von Pakistan. Am 17. Dezember desselben Jahres erfolgte die völkerrechtliche Anerkennung Bangladeschs von der internationalen Staatengemeinschaft als souveräner Staat. Bangladesch gehört nach Indonesien und etwa gleichauf mit Indien und Pakistan zu den Staaten mit der größten islamischen Glaubensgemeinschaft. Der Islam ist Staatsreligion (vgl. EVERS 2007, S. 157). Dieser Glaubensrichtung gehören 88,3 Prozent der Bevölkerung an, 10,5 Prozent sind Hindus, 0,6 Prozent Buddhisten und 0,3 Prozent Christen (BE 2007). Das Land ist geprägt von seiner Geschichte und von seinen religiösen Wurzeln. Es gibt formal eine parlamentarische Demokratie und ein Justizsystem. Politische Unruhen prägen aber das Bild des Landes in der Öffentlichkeit bis in die heutige Zeit (vgl. EVERS 2007 NETZ 2003). Anfang des Jahres 2007 wurde ein Ausnahmezustand ausgerufen. Korruption und Bestechung, Veruntreuung öffentlicher Gelder und religiös begründete defizitäre Gesellschaftsstrukturen bestimmen das Alltagsbild (vgl. NETZ 2003). Für das Versicherungswesen ergeben sich hieraus wichtige Fragen: (i) Ist es möglich, im Falle von Vertragsstreitigkeiten ein ordentliches Gericht bzw. Schiedsverfahren anzurufen? (ii) Sollten Ausschlussklauseln für den Fall von besonderen politischen Ereignissen in Betracht gezogen werden? (iii) Kann die Abwicklung des Prämieninkasso ordnungsgemäß erfolgen? (iv) Wirken sich religiöse Besonderheiten auf Vertragsgestaltungen aus? (v) Haben informelle Machtstrukturen Auswirkungen auf das Versicherungswesen? 3.4, Religiöse Besonderheiten: 3.4.1, Das Problem der Mitgift: Eine Besonderheit in islamischen Ländern ist die übliche Praxis der Mitgift, die Eltern für das Verheiraten ihrer Töchter aufwenden müssen. Abgesehen von hier nicht diskutierten menschenrechtlichen Fragen ist diese Praxis zu beachten. Mitgift ist rechtlich verboten, aber tatsächlich kann kaum eine Familie eine Tochter ohne Mitgiftszahlung verheiraten. In Familien, in denen ein Elternteil vor der Hochzeit der Tochter stirbt, ist das Risiko, diese Aussteuer nicht aufbringen zu können, besonders hoch. Mitgift stellt für die Familien der Töchter eine enorme finanzielle Belastung dar und ist häufig Auslöser von Gewalt. Frauen, für die nichts oder zu wenig gezahlt wird, geraten regelmäßig in schwerwiegende menschliche Tragödien, über die man sich aus Sicht westlicher Kulturkreise und demokratisch verfasster Staaten kaum Vorstellungen machen kann. Sie werden schwer misshandelt, mit Batteriesäure verätzt, vergewaltigt, zu Tode geschlagen und vieles mehr (vgl. AI 2007 NETZ 2001). Daher ist es ernsthaft zu überlegen, ob eine Mitgiftversicherung möglicherweise sogar trotz eines rechtlichen Verbots in Bangladesch sinnvoll wäre. Hieraus ergibt sich für den Versicherer ein Zielkonflikt. Ethisch stellt sich die Frage, ob der Versicherer diese menschenrechtsverletzende Praxis unterstützen sollte. Diese Frage lässt sich aus meiner Sicht klar mit ‘Nein’ beantworten. Zudem kann ihm ein ‘Mitgift-Produkt’ möglicherweise einen Imageschaden zufügen. Bedarfsanalytisch wäre jedoch eine Form der kapitalbildenden Lebensversicherung (ähnlich einer Ausbildungsversicherung in Deutschland) eine geeignete Möglichkeit, das finanzielle Risiko für die Familien der Töchter zu minimieren. Zum Ablauf der Vertragslaufzeit stünde Kapital aus dem Sparanteil zur Auszahlung für die Mitgift zur Verfügung. Im Todesfall des Beitragszahlers würde der Vertrag zusätzlich beitragsfrei gestellt. Die zu leistende Mitgift wäre gesichert. Vor allem aber würde das Produkt die Lebenssituation der Frauen verbessern. Nun könnte argumentiert werden, man würde so die bestehenden Systeme stärken. Aber Versicherungsgesellschaften sind keine politischen Institutionen. Bei den bestehenden Verhältnissen ist ein Mitgift-Produkt durchaus auch ethisch vertretbar, zumal diese den Frauen konkret helfen kann. Zudem gibt es in Bangladesch bereits ein entsprechendes Angebot. Die DELTA LIFE INSURANCE bietet einen ‘Daughters’ wedding insurance plan’ an (vgl. CHURCHILL 2006, S. 137f , S. 175). Genau genommen ist dies eine Mitgift-Versicherung. Die Praxis der Mitgift wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern, denn in Bangladesch ist der Islam nicht nur weit verbreitet, sondern wird auch teilweise sehr konservativ praktiziert. Es ist anzunehmen, dass der Bedarf an der Versicherbarkeit des Risikos recht hoch sein wird und zudem, dass die Kunden die Zahlung regelmäßiger Prämien sehr ernst nehmen werden. Als anzusprechende Zielgruppe kommen Mütter in Frage, weil sie die folgenschwere Situation in Bangladesch sehr gut kennen und an der Absicherung ihrer Kinder ein großes Interesse haben.

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