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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 08.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 72
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das unilaterale Vorgehen der USA bei der Tötung Osama Bin Landens in Pakistan im Mai 2011 und der NATO-ISAF Angriff auf pakistanische Militärposten an der Grenze zu Afghanistan im November des Jahres verdeutlichen die Divergenz in den pakistanisch-amerikanischen Beziehungen. Als Reaktion darauf blockierte Pakistan die Nachschubrouten für westliche Truppen in Afghanistan und dutzende amerikanische Berater wurden des Landes verwiesen. Die bilateralen Beziehungen scheinen historisch betrachtet ihren vorläufigen Tiefpunkt in der Allianz im ‚war on terror’ erreicht zu haben. Dabei sind die Beziehungen Pakistans zu den USA und der westlichen Welt von zentraler Bedeutung für die internationale Politik im 21. Jahrhundert. Die bilateralen Beziehungen sind seit jeher durch Misstrauen und ‚double game’ von beiden Seiten geprägt. Während die USA nach Partnern in einer strategisch günstigen Region suchten, war Pakistan hauptsächlich an einem Machtgleichgewicht gegenüber Indien interessiert. Vom Anfang der 1990er bis zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde Pakistan aufgrund des Atomprogramms und Demokratiedefizit in der amerikanischen Außenpolitik als ein ‚Pariastaat’ angesehen. Die Ausrufung des ‚war on terror’ durch George W. Bush brachte beide Staaten wieder näher, um eine Allianz im Krieg gegen den Terrorismus zu bilden. Die Allianz, wie hier ausgearbeitet. war keine freiwillige Selbstverpflichtung Pakistans, sondern wurde als die einzige Option empfunden, um die Sicherheitsinteressen Pakistans zu wahren. Im Krieg gegen den Terrorismus wurden US-Leistungen in Milliardenhöhe an Pakistan transferiert, die meisten davon waren für das pakistanische Militär bestimmt. Der Schwerpunkt im Krieg gegen den Terrorismus verschob sich aus verschiedenen Gründen von Afghanistan nach Pakistan. Für die Perspektiven pakistanisch-amerikanischer Beziehungen erwartet der Autor eine Normalisierung der Beziehungen in den nächsten Jahren. Der Abzug der NATO-ISAF aus Afghanistan in 2014 und die Beziehungen Pakistans zu anderen Staaten machen eine Reaktivierung der pakistanisch-amerikanischen Beziehungen dringend Notwendig. Die amerikanische Vorherrschaft in Asien wird zwar noch einige Jahre aufrechtzuerhalten sein, jedoch mit enormen Kosten für die USA. Für die ‚post-USA’-Ära in Afghanistan hat Pakistan bisher keine neue Strategie verkündet. Es kann davon ausgegangen werden, dass Pakistan wie in den 1990er Afghanistan als seine Einflusszone ansieht und versuchen wird dem zunehmenden Einfluss Indiens entgegenzuwirken. Eine Intensivierung der pakistanisch-chinesischen Beziehungen wird zwar als wichtig angesehen, hat aber kaum Einfluss auf die pakistanisch-amerikanischen Beziehungen. Damit bleibt Pakistan auch in Zukunft ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt in der Region und für die wissenschaftliche Analyse interessant.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Forschungsprogramme der Internationalen Beziehungen: Im Folgenden werden aufgrund der Fragestellung und des Forschungsgegenstands aus den für die Analyse ausgewählten Forschungsprogrammen der IB, dem Realismus und Konstruktivismus, die relevanten Begriffe und Konzepte hergeleitet. Beide Forschungsprogramme werden als kombinatorischer Ansatz auf die Analyse angewandt. Über die Anzahl und Abgrenzung der Forschungsprogramme der IB kann weiterhin gestritten werden, nach List (2006) können jedoch vier Forschungsprogramme unterschieden werden Idealismus/Institutionalismus, Realismus, gesellschaftskritische Ansätze und Konstruktivismus. Bei der Auswahl der beiden Forschungsprogramme Realismus und Konstruktivismus für die Analyse handelt es sich nicht um eine bloße ad-hoc Erklärung, vielmehr sollen sie dazu dienen, die Fragestellung auf der individuellen, nationalen und internationalen Ebene zu verfeinern bzw. den Forschungsrahmen mit ihren spezifischen Annahmen und Erklärungsmustern vorgeben. 2.1, Realistische Denkschule: Der Realismus oder die realistische Denkschule der Internationalen Beziehungen geht davon aus, dass erst Macht im Weberschen Sinne das Politische konstituiert. Macht ist demnach die Durchsetzungsfähigkeit eines Akteurs seine Umgebung nach seiner Vorstellung zu beeinflussen. Realisten sind jedoch keine Apologeten, sie betonen auch die Ethik des Möglichen. Antike Realisten wie Thukydides, Kautilya und Sun Tzu kannten die Folgen des Machtmissbrauchs und warnten vor ungezügelter Machtanhäufung, wie der berühmte Melier-Dialog des Thukydides beweist (vgl. Thukydides & Vretska 2005). Realisten der früheren Neuzeit wie Niccolo Machiavelli und Thomas Hobbes mussten die negativen Folgen einer Machtkonzentration selbst miterleben und waren daher einem ‘kritischen Ansatz’ zugeneigt und rieten zum vorsichtigen Umgang mit der Macht, insbesondere militärischer Macht. Der Realismus geht aufgrund seiner Anthropologie von einem ‘war of every man, against every man’ (Hobbes & Gaskin 2008: 84) als den wahrscheinlichsten Zustand zwischen Menschen aus, wobei eine formale Anarchie (im Sinne von Heterarchie) und die Gleichheit unter ihnen als Naturzustand vorausgesetzt wird, welches unweigerlich zu einem Sicherheitsdilemma führt. Aus dieser Perspektive erscheint die Selbsthilfe als das einzige Mittel zur Interessenwahrung und das Streben nach Macht zur Notwendigkeit. Der Kampf um Überleben und Ressourcen steht im Zentrum des politischen Handelns, für Ethik und Moral ist in der autonomen politischen Sphäre nur wenig Raum, nur wo es dem höheren machtpolitischen Interessen dient ist sie als ‘nützlich’ anzusehen. Um Macht zu erlangen und zu stabilisieren, ist nach Machiavelli virtù (Tüchtigkeit), fortuna (Glück) und occasione (Gelegenheit) erforderlich (vgl. Machiavelli & von Oppeln-Bronikowski 2001). Der historische Hintergrund, die Bildung des Westfälischen Staatensystems 1648 und der Wiener Kongress 1815, sind für die zentrale Rolle der Staatsräson und der Machtbalance in den realistischen Ansätzen maßgeblich. Erst die Entstehung des modernen Staates und die Befunde der Staatswissenschaft führten zu einer Ent-Personifizierung der Politik. Der als Klassischer Realismus bezeichnete Ansatz wurde in den 1930er von Hans Morgenthau (1993) in den USA als Kritik an den gescheiterten Idealismus der Wilson-Ära mit Rekurs auf die ‘klassischen Denker’ entwickelt. Wie bei früheren Realisten ist auch bei ihm die Macht als die Antriebskraft jeglichen menschlichen Handelns anzusehen, diese wird anthropologisch begründet und auf Staaten projiziert. Macht bedeutet hier die Überwindung des Status quo. Die Ontologie ist materiell, wobei jeder Staat, je nach seinen geopolitischen Bedingungen und seiner Fähigkeit die internationalen Beziehungen zu beeinflussen, das Ziel der Machtbewahrung, Machterweiterung oder der Machtdemonstration verfolgt. Jedoch orientieren sich die Staaten unter der Rationalitätsannahme nicht an absoluten Gewinnen, sondern sind an relative Gewinne interessiert, womit ein Mächtegleichgewicht (balance of power) hergestellt werden kann, der die imperialen Absichten eines Staates zu kontrollieren versucht und Allianzen in bestimmten Politikfeldern erlaubt (vgl. Morgenthau & Thompson 1993). Auf den klassischen Realismus beruhend, entwickelte Kenneth Waltz (1979) den als Struktureller Realismus oder Neorealismus bezeichneten Ansatz. Sein Ansatz stellt eine Verengung der Annahmen klassischer Realisten dar. Im Unterschied zu Morgenthau begründet er das Machtstreben der Staaten nicht anthropologisch, sondern führt dies auf die anarchische Struktur des internationalen Systems zurück. Für Waltz ist die materielle Struktur des internationalen Systems ein geschlossenes System relativer Machtpositionen der Staaten, wobei Staaten nicht als die einzigen, aber als die ‘major actors’ der internationalen Politik verstanden werden (Waltz 1979: 93). Seine Struktur des internationalen Systems ist durch drei Elemente definiert, ‘[…] first, according to the principle by which it is ordered second, by specification of the functions of formally differentiated units and third, by the distribution of capabilities across those units’ (Waltz 1979: 82). Als monozentrische Entscheidungssysteme handeln Staaten wie Individuen rational, womit klare Aussagen über die Verhaltensweisen der Akteure möglich sind. Sein Ansatz beruht auf mikroökonomische Überlegungen und zeichnet sich durch seine Sparsamkeit aus. Dass dabei wichtige Faktoren wie Wahrnehmung, Werte und Absichten der Akteure vernachlässigt werden, wird bewusst in Kauf genommen. Bei genauer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass Waltz die materiellen Bedingungen zwar als kausal aber nicht als hinreichend für eine Theorie der Internationalen Beziehungen ansieht. Eine rein materialistische Erklärung der internationalen Politik macht auch für ihn keinen Sinn, daher fordert er auch die Außenpolitik individueller Akteure bei der Formulierung einer Theorie der Internationalen Beziehungen einzubeziehen (vgl. Waltz [2000] 2008). Bei der Frage, ob die anarchische Struktur des internationalen Systems eher permissiv im Bezug auf ihr Handeln im System ist oder normativ gezügelt wird, entstanden zwei Strömungen des Neorealismus. Während Stephen Walt (1990) im defensiven Neorealismus die Selbsteinschränkung und Allianzbildung als grundlegendes Interesse eines jeden Akteurs ausarbeitete, legte John Mearsheimer (2001) in seiner Arbeit den Grundstein für den offensiven Neorealismus, bei dem eine freiwillige Selbstverpflichtung des Akteurs keinen Nutzen bringt und gar schädlich sein kann (vgl. Walt 1990, Mearsheimer 2001).

Über den Autor

Asim Zaheer, geboren 1977 in Pakistan, wuchs in Hessen auf. Der Autor spricht neben Deutsch und Englisch auch Urdu und Hindi fließend. Er besuchte die Fachoberschule für Elektrotechnik und studierte Information- und Kommunikationstechnik. Danach arbeitete er mehrere Jahre im Bereich der Erneuerbaren Energien. Ab 2008 folgte dann ein Studium der Politikwissenschaft und die Beschäftigung mit den Klimarahmenzielen der Vereinten Nationen sowie den Methoden und Projekten, insbesondere SSC-CDM, für Entwicklungsländer. Zurzeit lebt und arbeitet Asim Zaheer in London und studiert nebenbei Internationale Beziehungen. Sein Interesse gilt dem Schwerpunkt USA und Südasien sowie dem Friedensprozess zwischen Indien und Pakistan.

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