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Sozialwissenschaften

Luba Goldberg-Kuznetsova

Die Rolle des Müßiggangs in einer Theorie des guten Lebens: Tom Hodgkinsons „How to be Idle“

ISBN: 978-3-95549-369-1

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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 09.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 60
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Konjunkturkurve der Themen innerhalb der populären Sachbuchkultur spiegelt weitgehend die Sorgen und Nöte der Zeit wider. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in einer Zeit zunehmender Beschleunigung und Rationalisierung von Produktions-, Kommunikations- und Entscheidungsprozessen Entschleunigung, slow food und Muße Themen von öffentlichem Interesse sind, denen sich Publizisten gern und vielfach erfolgreich zuwenden. Zu diesen gehören auch vereinzelt Philosophen. So hat sich im 19. Jahrhundert Schopenhauer die gepflegte Langeweile bei Frauen in bürgerlichen Kreisen vorgenommen und einerseits zum Gegenstand sozialkritischer Polemik, andererseits zu einer Grundkategorie seiner Leidenslehre gemacht. Russell hat mit seinem Buch In praise of idleness den heraufziehenden Stress eines taylorisierten Alltags in den 1920er und 1930er Jahren gegeißelt. Wie Ulrich Schnabel in Deutschland (Muße, München 2010) hat sich auch der britische Erfolgsautor Hodgkinson um eine philosophische Fundierung seiner Konzeption eines arbeitsentlasteten Lebens bemüht, wobei er nicht lange suchen muss, um in der Geschichte der philosophischen Lehren vom guten Leben eine große Zahl von Modellen zu finden. Was er dabei freilich übersieht, ist, dass Philosophen (einschließlich Sachbuchautoren) dank ihres angeregten Gedankenlebens über eine second world verfügen, die schlichteren Menschen weitgehend verschlossen ist und die sie unter Untätigkeit und Einsamkeit stärker leiden lässt, so dass die Verherrlichung der Muße Gefahr läuft, von vielen vom gesellschaftlichen Leben abgekoppelten Renten- oder Sozialhilfeempfängern wie blanker Hohn erlebt zu werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.2, Muße in der Sozialökonomie - Aufhebung der Arbeit bei Karl Marx: Um über die Muße bei Marx zu sprechen, muss zuerst auf sein Konzept der Arbeit eingegangen werden. Nach diesem Konzept ist die Arbeit gleichzeitig die Verwirklichung und die Vernichtung der Menschheit. Der frühe Marx übernahm den Gedanken von Hegel, der nach Marx ‘den gegenständlichen Menschen, wahren weil wirklichen Menschen, als Resultat seiner eigenen Arbeit’ begriff. Jedoch kritisierte er, dass Hegel nur von der geistigen Arbeit sprach, und wendete dagegen ein, dass das Wesen des Menschen in der physischen und nicht nur geistigen Arbeit realisiert wird. Der späte Marx entwickelte diese Überlegungen in einem Modell von dem industriellen Produktionsprozess, dem Arbeitsprozess, der Konsumption und der Reproduktion unter dem Kapitalismus, wonach die Gesellschaft strikt in zwei Klassen - von Kapitalisten und Arbeitern - geteilt war, und die Arbeiter deutlich im Nachteil gegenüber den Kapitalisten waren. Ein Kapitalist nach Marx arbeitet grundsätzlich nicht, er besitzt (Mittel für den kapitalistischen Produktionsprozess), kauft und verwertet (Rohstoffe, Werkzeuge, Arbeitskraft der Arbeiter) im Produktionsprozess zum Zweck der Herstellung von verkaufbaren Gegenständen. Dagegen besitzt ein Arbeiter nach Marx nichts, außer der eigenen Arbeitskraft, die er ausschließlich zum Zwecke der eigenen Lebenserhaltung an den Kapitalisten verkaufen muss. Im Arbeitsprozess wird das Arbeitsvermögen des ‘Arbeiters’ vom ‘Kapitalisten’ produktiv konsumiert, (zusammen mit Rohstoffen und Werkzeugen), während der Arbeiter seine ‘Arbeitskraft’ konsumieren lässt. Arbeitsvermögen des Arbeiters, obwohl sie dem ‘Kapitalisten verkauft wird, bleibt bis in den Herstellungsprozess trotzdem an ihn gebunden. So kommt es, dass der ‘Arbeiter’ sein Arbeitsvermögen regelmäßig regenerieren muss, in der Zeit, während er nicht arbeitet. Marx nennt es Reproduktion. Um die Reproduktion zu vollziehen, konsumiert der ‘Arbeiter’ vor allem Lebensmittel, die er von seinem Lohn kaufen muss. Das nennt Marx individueller Konsum. Diesen Konsum unterscheidet Marx grundsätzlich von dem produktiven Konsum, wo der ‘Arbeiter’ während des Produktionsprozesses die Rohstoffe und Werkzeuge und den Prozess der Arbeit konsumiert, und so dem Kapitalisten gehört. Beim individuellen Konsum gehört der Arbeiter sich selbst. So kommt es, dass das Leben des ‘Arbeiters’ in die Bereiche zerfällt: Arbeit und den Rest. Das erste wird als unfreie Zeit wahrgenommen, das zweite als Frei-zeit. In dieser Aufteilung sah Marx einen bedeutenden Teil der vom Kapitalismus bewirkten Entfremdung. Denn, obwohl während der Arbeitszeit der Mensch die für sein Eigenbewusstsein wichtige Arbeit verrichtete, geschehe dies unter den Bedingungen, die jemand anderer bestimmt hat, den unfreien Bedingungen. Außerdem enteignete man ihn des Produktes seiner Arbeit und dazu kam noch, dass die Zeit der nicht-Arbeit theoretisch dem Arbeiter gehörte, konnte von ihm aber nur zur Erholung benutzt werden, um am nächsten Tag wieder zu arbeiten, was eigentlich nicht seinem Wesen entsprach: ‘So kommt es daher zu dem Resultat, daß der Mensch (der Arbeiter) nur mehr in seinen tierischen Funktionen, Essen, Trinken und Zeugen, höchstens noch Wohnung, Schmuck etc. sich als freitätig fühlt und in seinen menschlichen Funktionen (der Arbeit, G. V.) als Tier. Das Tierische wird das Menschliche und das Menschliche das Tierische’ So stellt Marx fest, dass die Arbeit, und mit ihr der Arbeiter zur Ware werden: ‘Je mehr der Arbeiter sich ausarbeitet, desto reicher wird die fremde Gegenständlichkeit, um so leerer er[…] die Arbeit produziert Wunderwerke für die Reichen, aber sie produziert Entblößung für den Arbeiter. Sie produziert Schönheit, aber Verkrüppelung für den Arbeiter… Sie produziert Geist, aber sie produziert Blödsinn und Kretinismus für den Arbeiter’. Da Marx nicht daran glaubt, dass die Arbeiter ihre Entfremdung durch einen Akt des Bewusstseins aufheben können, bemüht er sich um das Konzept einer Revolution. Wenn dabei das Privateigentum an Produktionsmitteln aufgehoben wird, ändert es nur die gesellschaftlichen Verhältnisse, nicht den Produktionsprozess. Marx bemüht sich darum, dass die Bedingungen der Selbstentfremdung zu Bedingungen der Selbstverwirklichung werden. So erstellt er ein Konzept, in dem die Prämisse ist, dass in Zukunft die Maschinen den größten Teil der Arbeit erledigen, die jetzt zur Entfremdung führt, der mechanischen Arbeit. So werden alle Menschen - die Klassen werden aufgehoben - mehr freie Zeit - ‘die sowohl Mußezeit als Zeit für höhere Tätigkeit ist’ gewinnen, sodass sie sie zur Selbstverwirklichung nutzen können. Zugleich wird das Verhältnis zwischen Arbeit und Muße neu definiert: ‘die unmittelbare Arbeitszeit selbst nicht in dem abstrakten Gegensatz zu der freien Zeit bleiben kann - wie sie vom Standpunkt der bürgerlichen Ökonomie aus erscheint’. Die übriggebliebene Arbeit ist deshalb, und, weil es ihr an beruflicher Arbeitsteilung fehlt, eigentlich nicht mehr die wirkliche Arbeit in dem bekannten Sinn, darum spricht er von der Aufhebung der Arbeit. Sie wird ‘travail attractiv, Selbstverwirklichung des Individuums’, ähnlich wie künstlerisches Schaffen, frei von Qual und Mühe. Der Idee nach, würde jeder frei seinen Neigungen folgen. Dabei glaubt Marx fest daran, dass nicht nur während des Arbeitsprozesses der Mensch sich kultiviert und selbstverwirklicht, sie diszipliniert ihn auch dermaßen, dass er auch die ausgeweiterte freie Zeit - inklusive der Mußezeit - so produktiv nutzt, dass sie ihn ‘in ein andres Subjekt verwandelt’. Auf diese Weise bestimmt Marx Muße und Arbeit neu in ihrem Stellenwert.

Über den Autor

Luba Goldberg-Kuznetsova wurde 1982 in St.- Petersburg geboren. Nach ihrem Schulabschluss zog sie mit ihrer Familie nach Deutschland, wo sie sich entschied, Philosophie und Modernes Japan in Düsseldorf zu studieren. Sie verbrachte auch ein Jahr an der Privatuniversität Doshisha in Kyoto, um ihre Japanisch-Kenntnisse zu verbessern und die Kultur Japans kennenzulernen. Nach ihrer Rückkehr bestand sie 2012 erfolgreich die Magisterprüfung in ihren beiden Hauptfächern, von denen Philosophie das erste Hauptfach war. Während des Studiums beschäftigten die Autorin die Fragen der Moral, Fragen nach dem guten und richtigen Leben. So kam es, dass sie sich einmal die Frage stellte, wie wichtig es im Leben ist, zu arbeiten, und wie wichtig es ist, nichts zu tun.

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