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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 10.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Freiheit ist ein hohes Gut und steht unter besonderem Schutz innerhalb unserer Rechtsordnung. Freiheitsentziehende Maßnahmen stellen daher einen weitreichenden Eingriff in die Grundrechte eines Menschen dar. In stationären Pflegeeinrichtungen finden täglich solche Eingriffe statt. Doch rechtfertigt der Schutz der körperlichen Unversehrtheit einen solchen Eingriff überhaupt? Soll eher die Fürsorge um einen pflegebedürftigen Menschen im Vordergrund stehen oder die Selbstbestimmung des Einzelnen respektiert werden? Die Frage ist komplex und kann immer nur für den jeweiligen Einzelfall abgewogen und entschieden werden. In stationären Pflegeeinrichtungen liegen meist nur wenige Informationen über Werte und persönliche Einstellungen der Bewohner vor. Dies macht die Entscheidung bei Bewohnern, die sich nicht mehr selbst äußern können, noch schwieriger. Unterschiedliche Meinungen verschiedener Akteure sorgen bei Führungskräften und Mitarbeitern von Pflegeeinrichtungen oftmals für Unsicherheiten in einer ohnehin schwierigen Frage. Pflegeeinrichtung benötigen eine Art Kompass, der ihnen in dieser Frage die Richtung weist. Diese Arbeit beleuchtet das Thema der freiheitsentziehende Maßnahmen und deren rechtliche Bewertung aus der Sicht von stationären Pflegeeinrichtungen näher und bietet so eine Orientierung im Umgang mit solchen Maßnahmen. Weiter eingegangen wird insbesondere auf haftungsrechtliche und arbeitsrechtliche Aspekte sowie auf die Bedeutung der betreuungsrichterlichen Genehmigung.

Leseprobe

Textprobe: Teil 2. B, Fürsorge oder Autonomie – rechtliche Grundlagen: I. Abwägung der Grundrechte: Durch freiheitsentziehende Maßnahmen wird die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. In Pflegeheimen werden Bewohner z.B. an Rollstühle gegurtet oder durch Bettgitter am Verlassen des Bettes gehindert. Solche Maßnahmen stellen sehr weitreichende Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen dar. Bereits aus dem Begriff lässt sich ableiten, dass die Freiheit der Betroffenen und somit mindestens ein Grundrecht berührt ist. Das in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit umfasst auch eine sog. allgemeine Handlungsfreiheit, die grundsätzlich jedes menschliche Handeln umfasst. Darunter fällt folglich auch die Bewegungsfreiheit jedes Einzelnen. Ebenfalls betroffen ist das in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG garantierte Recht auf körperliche Unversehrtheit. Hierin enthalten ist sowohl der Schutz des Einzelnen gegen staatliche Eingriffe wie auch die Pflicht des Staates, den Einzelnen vor rechtswidrigen Eingriffen anderer zu bewahren. Dieser Schutzbereich umfasst auch kranke und nicht voll geschäftsfähige Menschen. Umstritten ist, ob daraus auch die Pflicht abgeleitet werden kann, den Einzelnen vor sich selbst zu schützen. Diese Frage stellt sich umso mehr, wenn eine Person, z.B. durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit, nicht mehr in der Lage ist, selbständige Entscheidungen zu treffen oder wenn ihr die notwendige Einsicht fehlt. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen zu dieser Frage Stellung genommen, ausführlich in einem Urteil hinsichtlich des baden-württembergischen Unterbringungsgesetzes vom 07.10.1981: Nach einer strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seien Eingriffe in die Freiheit der Person grundsätzlich auch zum Schutz des Betroffenen vor sich selbst denkbar. Hierbei seien die tatsächlichen Möglichkeiten des Einzelnen, sich frei zu entschließen, zu beachten. Wenn die Fähigkeit zur Selbstbestimmung z.B. durch psychische Erkrankung eingeschränkt sei, sei dem Staat ‘…fürsorgerisches Eingreifen auch dort erlaubt, wo beim Gesunden Halt geboten ist’. Ausdrücklich betont das Bundesverfassungsgericht aber auch, dass in weniger gewichtigen Fällen eine Einschränkung der Freiheit der Person unterbleiben muss, dem psychisch Kranken somit in gewissen Grenzen eine ‘Freiheit zur Krankheit’ belassen bleibt. Oder anders formuliert: Die Rechtmäßigkeit eines mit einer Freiheitsentziehung verbundenen fürsorgerischen Eingreifens des Staates setzt voraus, dass die Selbstbestimmung krankheitsbedingt gestört ist. Eingriffe in die Handlungsfreiheit einer Person, die ihrem Wohl dienen sollen, aber gegen oder ohne ihren Willen erfolgen, werden als Paternalismus bezeichnet. Auch bei der Durchführung von freiheitsentziehenden Maßnahmen in Pflegeeinrichtungen handelt es sich um eine Ausprägung von Paternalismus. In der Regel sind die betroffenen pflegebedürftigen Menschen in der Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts durch psychische oder immer häufiger auftretende dementielle Erkrankungen wie z.B. Alzheimer eingeschränkt. Begleiterscheinungen dementieller Erkrankungen sind unter anderem Unruhezustände, Schlafstörungen durch nächtliches Umherlaufen sowie ein rastloser Bewegungsdrang. Die Unruhezustände können zu nicht ausreichender Nahrungs-und Flüssigkeitsversorgung führen, das (nächtliche) Umherlaufen und der Bewegungsdrang zu einem hohen Sturzrisiko. Durch das Fixieren von Pflegebedürftigen bei den Mahlzeiten kann die Nahrungs-und Flüssigkeitsversorgung verbessert werden, das Hochziehen der Bettgitter oder das Festgurten von Betroffenen im Pflegebett ermöglichen es, den beschriebenen Sturzrisiken zumindest vordergründig zu begegnen. Aber rechtfertigt z.B. ein hohes Sturzrisiko einen so weitreichenden Eingriff wie das Festgurten im Pflegebett? Könnte man mit den Worten des Bundesverfassungsgerichtes nicht auch von einer ‘Freiheit zum Sturz’ sprechen? Oder von einer ‘Freiheit zur Mangelernährung’? Die Abwägung der betroffenen Grundrechte ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Es erscheint zweifelhaft, ob sämtliche bei rund 20 % aller Pflegeheimbewohner in Deutschland angewandten freiheitsentziehenden Maßnahmen einer solchen grundrechtlichen Abwägung Stand halten würden.

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