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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 10.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 68
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Kaum eine andere Materie bewegt und beschäftigt bis heute die deutsche Gesellschaft ähnlich intensiv wie die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes unter der Führung von Adolf Hitler. Aufklärung, Dialog und Diskussion sind bis heute unbedingt notwendig, um die Geschehnisse der einschneidenden deutschen Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die Schule trägt als bedeutende Instanz der kindlichen Sozialisation maßgebliche Verantwortung bei der Vermittlung von demokratischen Werten und Normen. Schon lange gehört die Thematisierung des Dritten Reichs zum curricularen Unterrichtsstoff. Im Bereich der Primarstufe sparen die Lehrpläne benannte Inhalte jedoch stark aus. In der Grundschule findet der Holocaust in diesem Zusammenhang keine Erwähnung. Zurückgeführt wird dies auf scheinbar mangelhafte kognitive Fähigkeiten von Grundschülern sowie auf die unzureichenden Möglichkeiten einer kindgerechten Didaktisierung. Neben der generellen Verwendung des Themas in der Grundschule stehen auch Werke der KJL in Bezug auf deren Verwendbarkeit, Angemessenheit und Adaption im Mittelpunkt einer kontroversen Diskussion. Doch die Thematisierung des Holocaust in der Grundschule ist nicht zwangsläufig ein Tabu. Innerhalb dieses Fachbuches möchte ich unter anderem herauszufinden, inwieweit sich eine adäquate und grundschulgerechte Holocausterziehung dazu eignet, dem Kind durch Aufklärung, Ordnung und Strukturierung der eigenen Meinungsbilder gerechtigkeitsbewusste, demokratische und vorurteilsfreie Verhaltensweisen aufzuzeigen. Dazu wird das Kinder- und Jugendbuch Ich bin ein Stern von Inge Auerbacher auf seine didaktischen Aufbereitungspotentiale und Verwendungsmöglichkeiten in der Grundschule analysiert.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3., Didaktische Aufbereitung in der Grundschule: 3.1, Rahmenbedingungen: 3.1.1, Vorerfahrungen der Grundschüler: Die Betrachtung des Vorwissens über das Thema Holocaust bei Grundschulkindern kann zur Klärung der Frage beitragen, inwieweit es sinnvoll erscheint, dieses Thema überhaupt in der Primarstufe etablieren zu wollen. Verfügen Grundschulkinder über ein breites Vorwissen bezüglich des Themas, sollte didaktisch und methodisch diskutiert werden, wie und ob dieses Wissen zu verwenden ist. Grundschulkinder nehmen Geschichte in ihrer unmittelbaren Lebenswelt wahr, ohne dass diese jedoch bewusst reflektiert wird. Dabei sind nicht nur die geschichtsträchtigen Bauwerke und Denkmäler entscheidend dafür, dass Geschichte ein Teil der kindlichen Lebenswirklichkeit wird, sondern auch in den mehr oder weniger offen präsentierten Kinderbüchern, Bildergeschichten, Spielen oder Spielzeugen können Kinder unsere Historie ausfindig machen (vgl. von Reeken 2004, 30). Überdies ist die Aufbereitung der deutschen Vergangenheit bis heute ein fester Bestandteil unserer medialen Welt. Ob im Kino, im Fernsehen oder im neuen Medium Internet überall finden sich historische Facetten der Vergangenheit wieder. ‘Kinder begegnen der Thematik im Fernsehen, greifen Gesprächsfetzen in den Familien oder im Umgang mit älteren Geschwistern auf’ (Konevic 2005, 5). Erkenntnisse weisen daher darauf hin, dass 9 bis 12-jährige Kinder eine Fülle von Teilinformationen zum Thema Holocaust besitzen. Diese wurden maßgeblich sowohl in den Gesprächen innerhalb der Familie weitergetragen, als auch durch die Medien vermittelt. Diese Informationen sind in der Regel kaum verarbeitet, korrigiert oder ergänzt worden (vgl. Plath/ Richter 2009, 11). Dabei erhalten Kinder einen häufig umfangreicheren Einblick in die damaligen Geschehnisse, als wir es vermuten würden. Dies trägt jedoch auch zur Bildung von prekärem Halbwissen bei. Ebenso die Diskussionen im familiären Rahmen und dort fälschlich angebrachten historischen Argumente können verzerrte Weltbilder zur Folge haben oder Ängste erzeugen. (vgl. Pech 2005, 29). ‘So entsteht […] ein Konglomerat von richtigen und falschen Informationen, Deutungen, Urteilen und Vorurteilen, Halbwissen und Wissen’ (von Reeken 2004, 30). Dieses (Halb-)Wissen ist stark heterogen strukturiert. Schulische Erfahrungsberichte zeigen dabei, dass die Voraussetzungen bei Grundschulkindern sehr differenziert ausgeprägt sein können (Plath/ Richter 2009, 9). Festzuhalten bleibt, dass Kinder mit Geschichte frühzeitig in Berührung kommen. Das Vorwissen, welches sie hier erlangen, ist meist allerdings unstrukturiert und mit Halbwahrheiten besetzt. Interessant wäre es nun, das gegenständliche Wissen aufzugreifen und näher zu beleuchten. In welchen Umfang besitzen die Heranwachsenden bereits ein Vorwissen, welches eine Thematisierung des Holocausts in der Grundschule für sinnvoll erscheinen lässt? Im weiteren Verlauf soll daher das konkrete Wissen der Grundschulkinder zum Holocaust näher betrachtet werden, um spätere entsprechende didaktische Überlegungen ableiten zu können. Das Wissen der Kinder ist stark heterogen, unstrukturiert und teilweise sogar mit Ängsten besetzt: So kennen einige den Namen Hitler, andere können hier bereits ein detailliertes Geschichtsbild über die Verbrechen in den Konzentrationslagern wiedergeben. Die Heranwachsenden besitzen oftmals stark verzerrte oder stereotype Auffassungen über die Opfer- und Tätergruppen (vgl. Konevic 2005, 5). ‘Es zeigt sich, dass fast zwei Drittel der Eltern ihren Kindern von der NS-Zeit erzählt haben. Dies sind überwiegend Geschichten aus der eigenen Familienbiographie, bei denen historische Fakten […] eher am Rande eine Rolle spielen’ (Terrahe 2008, 193). Des Weiteren repräsentiert das Fernsehen mit 63%, die mitgehörten Gespräche (53%) und die Geschwister/ Freunde (21%) eine der wichtigsten Informationsquellen zum Thema Holocaust (vgl. Terrahe 2008, 193). Angrenzend dazu stellt sich heraus, dass sich die Person Adolf Hitler im Zentrum all dieser Informationen konzentriert. Hitler verkörpert für Kinder das Böse und wird als Hauptverursacher der nationalsozialistischen Verbrechen angesehen (vgl. Flügel 2008, 182). In Studien zeigte sich, dass nicht nur die Medien ein auf Hitler fixiertes Informationsbild vermitteln, sondern auch die Familie einen bedeutenden Teil dazu beiträgt, dass Kinder Hitler als den Täter und Verbrecher der nationalsozialistischen Zeit wahrnehmen. Meist wird innerhalb der Familie von einer differenzierten Sichtweise auf die vielschichtigen Geschichtszusammenhänge abgesehen (vgl. Terrahe 2008, 194). ‘Durch die Stilisierung Hitlers zur hauptverantwortlichen Person, einhergehend mit dämonisierenden und auch mystifizierenden Schilderungen, wird für alle anderen Personen eine Entlastung kreiert’ (Flügel 2008, 182). Ferner deutet es darauf hin, dass innerhalb der Familie eine sehr beengte Sichtweise auf die eigene nationalsozialistische Geschichte weitergetragen wird. So werden die eigenen Wurzeln häufig mit einer Vergangenheit als Opfer oder Gegner der nationalsozialistischen Zeit in Verbindung gebracht. Kinder nehmen Hitler folglich nicht nur als Feind der Juden, sondern auch als Bedrohung der eigenen (Ur-)Großelterngeneration wahr (vgl. Terrahe 2008, 194). ‘Die Studie von Welzer u.a. (2002) ‘Opa war kein Nazi’ liefert Belege dafür, dass trotz der intensiven Bemühungen um eine Aufklärung über den Nationalsozialismus […], die Enkelgeneration diverse Anstrengungen unternimmt, die Großelterngeneration aus diesem Kontext herauszudefinieren […]’ (Welzer et al. 2002, nach Flügel 2009, 302). Die Studie ‚Opa war kein Nazi‘ bestätigt hier also die Immunisierung der eigenen Großelterngeneration. ‘Sie haben nicht die Absicht ihre Vorgängergeneration zu schützen oder die Geschichtswahrheit zu harmonisieren, sondern sie können sich von ihren ethischen Vorstellungen heraus eine Unterstützung oder Beteiligung ihrer Familienmitglieder schlicht nicht vorstellen’ (Terrahe 2008, 196). Auch wenn sich das Vorwissen der Kinder zum Thema Holocaust sehr heterogen gestaltet, so lassen sich gleichwohl Tendenzen feststellen, die darauf hinweisen, dass Vorwissen meist ungeordnet und stereotypisiert von der Familie oder den Medien weitergetragen wurde. Im weiteren Verlauf führe ich nun einige didaktische Bewertungen auf, die sich unmittelbar aus der Erkenntnis über Vorwissen der Grundschüler ableiten lassen. Diese werden zwar nun dem konkreten Diskurs über die Aufbereitungspotentiale vorweggenommen, beziehen sich jedoch ausschließlich auf die didaktische Bewertung der Vorkenntniserhebungen. Konevic steht einer Thematisierung des Holocausts in der Grundschule positiv gegenüber. Die Lehrkraft müsse dabei aber unerlässlich das individuelle Vorwissen der Schüler mit einbeziehen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass sich Vorurteile oder Halbwahrheiten verfestigen könnten oder noch schlimmer, dass sich eine Faszination für die damaligen Machthaber daraus entwickelt. Deshalb sei es essentiell, das Thema Holocaust in der Grundschule zu behandeln und das Vorwissen der Schüler richtig zu ordnen, um auch eigene Handlungskompetenzen positiv herauszuarbeiten und die damaligen Ereignisse korrekt zu bewältigen (vgl. Konevic 2005, 5f.). Auch Zuber sieht die Grundschule längst von ihrem Schonraum befreit. Die Lernenden dürfen nicht so lange wie möglich von den Dissonanzen der erwachsenen Umwelt fern gehalten werden, wie es früher in einer volkstümlichen Bildung üblich war (vgl. Zuber 1981, 33). Von Reeken sieht die historische Bildung aufgrund der Vorerfahrungen der Grundschulkinder als einen wichtigen Bestandteil im Erschließen der eigenen Lebenswelt an. ‘Geschichte ist somit ein elementarer Teil der kindlichen Lebenswirklichkeit – ihre Ausschließung aus dem Sachunterricht (und die […] Praxis kommt fast einer Ausschließung gleich) bedeutet eine erhebliche Einschränkung der Lernpotenziale […] und eine sträfliche Vernachlässigung der legitimen Fragen und Lernbedürfnisse von Kindern’ (von Reeken 2004, 30). Trotz dieser Fülle von Informationen, welche Kinder augenscheinlich über das Thema Holocaust bereits besitzen, merkt Pech dementgegen an, dass hier nicht von einem (ausgeprägten) Vorwissen gesprochen werden kann. Vielmehr geben die Kinder lediglich vereinzelte Aussagen wieder, die zwar sicherlich das Unrecht mit dem Nationalsozialismus in Verbindung sehen, jedoch nicht das Judentum und die Dimensionen des nationalsozialistischen Völkermordzieles erfassen können (vgl. Pech 2004, 147f.).

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