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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der Anstieg an Beschäftigten innerhalb der Zeitarbeit hat in den letzten Jahren enorm zugenommen, weswegen diesem atypischen Beschäftigungsverhältnis besondere mediale Aufmerksamkeit zuteilgeworden ist und es häufig als Sinnbild eines sich verändernden Arbeitsmarktes verwendet wird. Die vorliegende Arbeit setzt sich aus sozialkritischer Perspektive mit dem Phänomen Zeitarbeit auseinander. Dies beinhaltet zunächst einen Überblick über Geschichte, wichtige gesetzliche Gegebenheiten und vertragliche Verpflichtungen der Zeitarbeit. Im Mittelpunkt der Studie stehen die sozialen Verhältnisse, die für Zeitarbeitnehmer durch die Tätigkeit in der Zeitarbeit entstehen. Zentral ist außerdem die Frage, ob Zeitarbeit das Potenzial aufweist, ein prekäres Beschäftigungsverhältnis darzustellen. Thematisiert werden hierbei die Bedeutung der Zeitarbeit insbesondere im Niedriglohnsektor, die ‘Grenzgänger-Stellung’ des Zeitarbeiters in der Arbeitswelt und die Problematik der Arbeitslosigkeit. Die Studie schließt mit einer vertiefenden Betrachtung der in der Sozialen Arbeit auftretenden Zeitarbeit und der daraus resultierenden Auswirkungen auf diesen Sektor.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Das Arbeitsmodell ‘Zeitarbeit’ in Deutschland: Das Arbeitsmodell Zeitarbeit wird häufig auch mit den Begriffen ‘Arbeitnehmerüberlassung’, ‘Personalleasing’ und ‘Fremdarbeitnehmer’ umschrieben. Der Begriff ‘Leiharbeit’ ist das wohl am meisten verbreitete Synonym im deutschsprachigen Raum, der vor allem von Gewerkschaften gebraucht wird. Von Zeitarbeitsfirmen wird dieser Begriff jedoch vornehmlich vermieden, da der Begriff des Verleihens rechtlich nicht angebracht ist und der Verleih von Menschen, also Arbeitkraft als Ware, die verliehen wird, diskriminierend wirken könnte. Gesetzlich wurde für das Arbeitsmodell der Zeitarbeit der Regelbegriff ‘Arbeitnehmerüberlassung’ eingeführt, den das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÖG) verwendet. Hier finden sich aber auch die Begriffe ‘Verleiher’, ‘Entleiher’ und ‘Leihe’, was den Gebrauch des Begriffs ‘Leiharbeit’ durchaus rechtfertigt. Da viele Zeitarbeitsfirmen jedoch darauf drängen, dass sich der Begriff Zeitarbeit bereits durchgesetzt hat, sind sprachliche Änderungen in den Gesetzestexten wohl zu erwarten. (Vgl. Gutmann, Kilian, 2011, 15 f.) Da sich die aktuelle Literatur eher am Begriff Zeitarbeit orientiert, soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit vornehmlich der Begriff ‘Zeitarbeit’ Verwendung finden. 2.1, Die historische Entwicklung der Zeitarbeit in Deutschland: In Deutschland wurde eine Art Zeitarbeit, die entgeltliche Vermittlung von Arbeitskräften, bereits 1922 in Form des Arbeitsnachweisgesetzes geregelt. Dieses Gesetz wurde 1927 stellenweise in das neue Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung übernommen, in Zeiten des Nationalsozialismus 1935 jedoch komplett gestrichen, da die Arbeitsvermittlung ausschließlich in die staatliche Zuständigkeit fallen sollte. Als 1952 die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gegründet worden war, trat das entsprechende Gesetz von 1927 wieder in Kraft, das Zeitarbeit theoretisch ermöglichte, aber in der Praxis keinen Anklang fand. Dies änderte sich erst, als ein Unternehmen aus der Schweiz, die ADIA Interim, sich 1962 in Hamburg niederließ und die, inzwischen in Bundesagentur für Arbeit umbenannte, zuständige Behörde Strafantrag stellte. Nach einem mehrjährigen Prozess durch alle Instanzen entschied das Bundesverfassungsgericht im April 1967, ‘dass die Ausdehnung des Arbeitsvermittlungsmonopols auf Arbeitnehmerüberlassung nach §37 AVAVG mit dem Grundrecht der freien Berufswahl (Artikel 12 GG) nicht vereinbar sei. Der Weg für die legal konzessionierte Überlassung von Arbeitnehmern war nun frei ’ (Gutmann, Kilian, 2011, 86) erklagt von einem Unternehmen aus der Schweiz. In den folgenden Jahren gründeten sich die Zeitarbeitsfirmen, die auch heute den größten Anteil an Zeitarbeitern beschäftigen, wie Randstadt oder Manpower. 1972 wurden die ersten Regelungen in Form des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) festgelegt, um den Arbeitnehmern in der Zeitarbeit einen sozialen Mindestschutz zu gewährleisten. Zudem wurde die Zeitarbeit unter staatliche Kontrolle gestellt und war auf kurzfristige Überlassungen von bis zu drei Monaten beschränkt. Diese kurzfristige Überlassung wurde 1985 auf sechs Monate erhöht. Zudem wurde 1985 die Zeitarbeit für Betriebe in der Baubranche verboten, da es hier zu mehrfachen Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes kam. 1994 wurde das sogenannte Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit aufgehoben und die Befristung der Überlassung auf neun Monate angehoben. Die Weichen für einen rasanten Anstieg der Zeitarbeit wurden jedoch erst durch die Reform 1997 gestellt: ‘Die maximale Überlassungsdauer wurde auf zwölf Monate erhöht, befristete Arbeitsverträge wurden zugelassen, Wiedereinstellungen gekündigter Arbeitnehmer ohne Wartefrist wurden ermöglicht.’ (Gutmann, Kilian, 2011, 87) Dies führte zu einem explosionsartigen Zuwachs der Anstellungen im Zeitarbeitsgewerbe in Zahlen ausgedrückt stieg die Anzahl der auf Basis von Zeitarbeit angestellten Arbeitnehmer von ca. 104.649 im Jahr 1993 auf 212.664 im Juni 1997 und erreichte innerhalb von nicht einmal zweieinhalb Jahren im August 1999 die 300.000er-Grenze. (Vgl. Gutmann, Kilian, 2011, 87) Die damit geschaffenen Voraussetzungen führten dazu, dass sich die Zeitarbeit als Arbeitsmodell in unserer heutigen Gesellschaft voll und ganz etabliert hat. Auch die 2002 erlassene Erhöhung der Befristung der Vermittlungsdauer von zwölf Monate auf 24 Monaten zeigt die Tendenz sehr deutlich die 1972 festgelegten drei Monaten lassen die Zeitarbeit als eine ‘Übergangslösung’ erscheinen, zwei Jahre stellen jedoch einen durchaus relevanten Zeitraum dar, der die Formulierung ‘Übergang’ nicht mehr als selbstverständlich erscheinen lässt. 2003 wurde im Rahmen der Hartz-Reformen die Zeitarbeit enorm gefördert, indem man den Zeitarbeitsunternehmen durch die Aufhebung des Synchronisationsverbots, des besonderen Befristungsverbots und des Wiedereinstellungsverbots deutlich mehr Spielraum im Verleihgeschäft ermöglichte. (Vgl. Schild, Petzold, 2009, 98) Zudem wurde mit den ‘Personal-Service-Agenturen’ (PSA) versucht, ‘die Zeitarbeit systematisch für arbeitsmarktpolitische Integrationsaufgaben heranzuziehen.’ (Schäfer, 2009, 5) So war bis Anfang 2006 jede Bundesagentur für Arbeit verpflichtet, mindestens eine PSA zu betreiben. Durch die Konkurrenz durch private Zeitarbeitsunternehmen, konnten sich das staatliche Modell der Person Service Agenturen jedoch kaum durchsetzen. (Vgl. Schäfer, 2009, 5) Bis heute ist das Arbeitsmodell Zeitarbeit ein enorm attraktives Geschäftsmodell, sowohl für Zeitarbeitsunternehmen, wie auch für Entleihunternehmen. 3, Sozialkritische Folgeerscheinungen am Arbeitsplatz ‘Zeitarbeit’: ‘Ein effektives Beschäftigungssystem zeichnet sich dadurch aus, dass Personen als Träger von generell einsetzbaren Kompetenzen und Qualifikationen auf der einen Seite und Arbeitsplätze in Unternehmen mit ihren spezifischen Anforderungsstrukturen auf der anderen Seite optimale Zuordnung erfahren.’ (Bornewasser, 2012, 138) Die Effizienz eines solchen Systems, das aufgrund der heutigen Wettbewerbsfähigkeit das Überleben von Unternehmen garantiert, sollte jedoch nicht nur aus der wirtschaftlichen Perspektive betrachtet werden die sozialen Auswirkungen auf die Arbeitnehmer sind von enormer Bedeutung, sowohl für die Arbeitswelt, als auch für die gesamte Gesellschaft. Dies erklärt, warum Zeitarbeit von vielen Seiten sehr skeptisch betrachtet wird: Zeitarbeit stellt ein Arbeitsmodell dar, das den Idealvorstellungen vieler Arbeitnehmer der letzten Jahrzehnte geradezu widerspricht. Daher gilt es zu untersuchen, welche Aspekte des Arbeitsmodells Zeitarbeit sich auf den Zeitarbeitnehmer sozialkritisch auswirken können. 3.1, Komplexe Herrschaftsbeziehungen: Im Gegensatz zu der klassischen Arbeitgeber-Arbeitnehmer Konstellation, in der sich zwei Parteien klar gegenüber stehen, entsteht bei der Zeitarbeit eine triadische Beziehung zwischen Leiher, Entleiher und Zeitarbeitnehmer, welche bedeutende Auswirkungen auf den Arbeitsplatz des Zeitarbeitnehmers haben kann. Das triadische Verhältnis der Zeitarbeit ‘ist schwer zu durchschauen und führt leicht zu Verdächtigungen, Misstrauen und Spannungen.’ (Bornewasser, 2012, 148) Darunter leidet meistens besonders der Zeitarbeitnehmer, weil er zum einen weniger konkrete Vorstellungen von den vertraglichen Verpflichtungen und Ansprüchen hat und sich als Arbeitnehmer zum anderen gegenüber zwei Unternehmen wähnt, die aufgrund profitorientierter Ambitionen, den Zeitarbeiter hinsichtlich der für ihn günstigeren Bedingungen übergehen könnten. Dieses Misstrauen kann sich noch zusätzlich steigern, da der Zeitarbeitnehmer häufig unsicher hinsichtlich Zugehörigkeit und Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber ist, also dem Zeitarbeitsunternehmen, das den Zeitarbeitnehmer bezahlt und angestellt hat, wie auch gegenüber der Arbeitsstelle, dem Entleihunternehmen, das von den Arbeitsleistungen des Zeitarbeitnehmers profitiert. (Vgl. Kaufhold, Fischer, 2013, 365) Ebenso kann es vorkommen, dass zwischen Zeitarbeitsunternehmen und Entleihunternehmen Missverständnisse bezüglich der Verantwortungsbereiche entstehen und sich beide Unternehmen der konkreten Verantwortung entziehen, was wiederum auf den Zeitarbeitnehmer zurückfällt. Dies kann besonders Auswirkungen bei den Arbeitsbedingungen im Entleihunternehmen hinsichtlich der Sicherheit und Integration des Zeitarbeitnehmers haben. Häufig sind sicherheitsrelevante Hinweise für Zeitarbeiter nur mangelhaft und beschränken sich vornehmlich auf die Aufgaben und Pflichten der Tätigkeiten ohne eine wirkliche Integration in die Betriebsstelle zu bieten. Dies führt zu einem Aufklärungsdefizit des Zeitarbeitnehmers bei wichtigen Sachverhalten, wie ‘welche informellen Strukturen im Betrieb bestehen, wie Konflikte im Betrieb geregelt werden und an wen man sich wenden kann, wenn der unmittelbare Vorgesetzte das alltägliche Equal Treatment verletzt.’ (Bornewasser, 2012, 149). 3.2, Bindung zum Arbeitsplatz: Bezüglich der Bindung an den Arbeitgeber entsteht bei der Zeitarbeit das Problem, dass der Zeitarbeitnehmer weder zum Leiher noch Entleiher eine stabile emotionale Beziehung aufbauen kann, da die Stelle nur befristet und temporär ist. 3.2.1, Schwache Bindung an den Verleiher: Das Zeitarbeitsunternehmen, das der eigentliche und dauerhafte Arbeitgeber des Zeitarbeiters ist, aber eher als ‘Vermittlungszentrale’ wirkt, bietet kaum eine Grundlage für emotionale Bindung oder Identifikation für den Zeitarbeitnehmer. Hinsichtlich der Bindung zur Zeitarbeitsfirma spielen für den Zeitarbeitnehmer vornehmlich das Führungsverhalten des vorgesetzten Personaldisponenten, aber besonders die Einkommenssituation eine entscheidende Rolle. (Vgl. Sende, Galais, Knubben, 2012, 165). Eine Bindung hinsichtlich der verrichteten Arbeit entsteht jedoch meist eher zum Entleihunternehmen. Auch die Anstellung bei dem Zeitarbeitsunternehmen kann keine wirkliche Bindung schaffen, da dieser Arbeitsplatz meist nur eine befristete und für den Übergang gedachte ‘Arbeitsmöglichkeit’ darstellt. ‘Aber dort, wo man nur vorübergehend beschäftigt ist, kann man keine sichere und stabile Beziehung zum Unternehmen entwickeln.’ (Bornewasser, 2012, 150) Daher sind Stammarbeiter durch das Erreichen von affektiven Commitments enger an den Betrieb gebunden und können somit durch eine positivere Bindung an das Unternehmen Vorteile gegenüber Zeitarbeitnehmern im gesamten Arbeitsprozess realisieren. 3.2.2, Schwankende Bindung zur Arbeitsstelle beim Entleiher: Ebenso kann die Bindung zum Zeitarbeitsunternehmen noch mehr leiden, wenn der Zeitarbeitnehmer gerne für den Entleiher weiter arbeiten möchte, das Zeitarbeitsunternehmen aber einen Wechsel verlangt oder wünscht. Der Zeitarbeitnehmer fühlt sich hierbei als ‘Spielball’ des Zeitarbeitsunternehmens und versucht, möglicherweise über eine in Kauf genommene Arbeitslosigkeit, in die Stammbelegschaft des Entleihers zu gelangen. Empirisch belegt ist, dass die die Bindung des Zeitarbeitnehmers eine sehr dynamische Entwicklung aufweist. ‘Nach anfänglich starker Bindung, die von der Hoffnung auf Übernahme geprägt ist, kommt es zu einer Abnahme der Bindung, wenn die Enttäuschung der Hoffnung Platz greift, jedoch baut sie sich mit zunehmender Dauer der Zugehörigkeit wieder auf und ist am Ende kaum von der Bindung der Stammarbeiter zu unterscheiden.’ (Bornewasser, 2012, 151).

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