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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 02.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Abb.: 12
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In regelmäßigen Abständen ist den Medien zu entnehmen, dass Schiedsrichter ganze Spiele durch falsch getroffene Urteile beeinflussen, ja sogar entscheiden. Durch die im Fußball geltende Tatsachenentscheidung und der damit verbundenen Unanfechtbarkeit trägt der Unparteiische eine große Verantwortung und Macht. Spieler unterliegen gewissen Leistungsschwankungen. Ebenso sind Schiedsrichter von der Beeinflussung durch innere und äußere Faktoren nicht ausgenommen - unabhängig davon, ob es sich um Kreisliga- oder Bundesliga-Referees handelt. Diese vielfältigen Effekte auf den Unparteiischen sind Inhalt des vorliegenden Buches. Die methodische Grundlage der Untersuchung bildeten qualitative Interviews mit Schiedsrichtern. Unparteiische aller Klassen kamen zu Wort, so waren auch Bundesliga-Referees unter den Befragten. Bei der Auswertung der Interviews wurde deutlich, dass eine Vielzahl von Einflussfaktoren auf den Schiedsrichter selbst und auf seine Entscheidungen einwirkt. Neben den Rahmenbedingungen wie Wetter, die Stimmungslage, frühere Erfahrungen mit den betreuten Vereinen sowie Sympathie oder Antipathie für bestimmte Spieler finden auch Manipulation durch Akteure und Funktionäre sowie die Beeinflussung durch Fans Beachtung. Schiedsrichter stehen also im ständigen Dilemma, trotz ihres Strebens nach einer neutralen Spielleitung doch unter permanenter Beeinflussung zu entscheiden. Von ihnen wird erwartet, unabhängige und objektiv richtige Entscheidungen zu treffen. Aufgrund bestimmter Umstände sind unparteiische Urteile jedoch unwahrscheinlich.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.2, Trainer sowie Team-Offizielle: Grundsätzliches: Das Tätigkeitsprofil eines Trainers verlangt sport- und sportartspezifische Fachkenntnisse nicht nur aus dem engeren trainingswissenschaftlichen Bereich, sondern auch flankierendes Know-how aus anderen Wissenschaftsdisziplinen. Hierzu zählen die Psychologie sowie die Sozial- und Erziehungswissenschaften. Periphere Rollenerwartungen richten sich zudem auch auf seine Sozialkompetenz. Obwohl die Schiedsrichter umfangreich ausgebildet sind, erlebt man in der Berichterstattung regelmäßig Trainer, die wild gestikulierend auf die Unparteiischen einwirken. In den unteren Spielklassen lässt sich dieses Phänomen verstärkt beobachten. Trainer versuchen, in unterschiedlichem Maße, auf den Schiedsrichter einzuwirken: ‘Der Mensch lebt von Bestätigung, das tut jedem Menschen gut, wenn er Bestätigung bekommt’. Diese Aussage von Bastian deutet auf eine starke Beeinflussbarkeit seinerseits hin. Bestätigung scheint für ihn eine große Bedeutung zu haben. Wie Blumer erklärt, handeln Menschen Dingen gegenüber auf der Grundlage der Bedeutungen, die diese Dinge für sie haben. Man könnte also von einer vergleichsweise großen Einwirkung auf Bastian durch Trainer oder andere Personengruppen ausgehen. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob andere Dinge nicht noch mehr Bedeutung für ihn haben. Dinge, die ihn für die Einflussnahme der Trainer und Zuschauer resistenter machen. Diese Frage beantwortet Dominik selbst. Wichtiger als die Meinung der Anderen schätzt er die Ansicht des Spielbeobachters ein: ‘Der kommt extra um meine Leistung zu beurteilen und alle anderen sind eigentlich da, sind hauptsächlich da, um ein Spiel zu sehen und dann die Leistung der Spieler zu beurteilen’. Dominiks oberste Priorität ist also, den Anforderungen des Schiedsrichter-Ethos zu genügen. Ergebnisse: Dennoch können deplatzierte Bemerkungen der Akteure in der Technischen Zone sowie die versuchte Einflussnahme ins Spielgeschehen die Anspannung des Unparteiischen erhöhen: ‘Da wird einfach mehr Druck aufgebaut von draußen, und dann kann schon mal ein Fehler mehr passieren’. Der Referee schließt nicht aus, dass Trainer Einfluss auf ihn ausüben. Er gibt sogar zu, teilweise zu einer anderen Entscheidungsfindung als üblich bewegt zu werden: ‘Ja, das kann schon – also unterbewusst kann das schon passieren. Also ich bin davon überzeugt, dass es solche Sachen wie, dass der Trainer immer kommt: Ja, jetzt mach doch mal Deine Augen auf oder so. Dass man dann schon sagt: Hey, ich mache das schon, denkt man sich dann. Oder: Ich pfeife doch gut. Und dann passiert vielleicht mal ein Bock’. ‘Dass eben [cholerische Trainer Anmerkung des Verfassers] – es macht eben auch keinen guten Eindruck auf die Schiedsrichter. Vielleicht unterbewusst entscheidet man etwas anders, als man gesagt hätte, wenn die nicht draußen geschrien hätten. Dann hätte man es vielleicht richtig entschieden oder anders. Weil man weiß ja nicht, was immer unterbewusst passiert. Das ist immer das Problem. Man muss da auch immer ein bisschen sachlich – als Trainer. Also mir ist das schon lieber’. Auch in höheren Spielklassen lässt sich ein Einfluss der Team-Offiziellen auf Schiedsrichterentscheidungen feststellen, auch wenn dies dem Schiedsrichter bewusst ist. So berichtet Bastian, dass er auf die Stimmung von außen reagiert und seine Spielleitung dementsprechend anpasst. Er versucht, die Situation so zu beruhigen: ‘Einfach dann, vielleicht auch mal wenn ein Foul war kann ich pfeifen. Dann unterbreche ich das Spiel kurz, warte eine halbe Minute mit der Ausführung, damit die Gemüter allgemein mal einen Moment Zeit haben, um sich zu beruhigen. Das sind so ein bisschen die Möglichkeiten. Also dass ich dann nicht zwingend schaue: Jetzt schnell weiter, schnell weiter, den nächsten Vorteil geben, sondern dass ich dann schaue, dass ich vielleicht auch mal öfter pfeife. Dass ich einfach schaue, was ist in dem Moment verlangt oder so etwas, einfach wieder das Spiel lesen’. Bei Dominik ist somit zum Teil eine Beeinflussung durch die Rufe festzustellen. Er beschäftigt sich mit diesen und erfährt auf diese Weise eine Ablenkung von der eigentlichen Spielleitung. Von den befragten Experten ist Dominik der Referee, der in der niedrigsten Spielklasse leitet. Als Schiedsrichter ist er somit alleine unterwegs, ohne die Unterstützung der Assistenten. Betrachtet man seine Aussagen, ist dies sicher ein Grund, der ihn anfälliger für diese Art von Beeinflussung und für Ablenkung vom Spielgeschehen macht. Denn die Beobachtung des Trainerbereichs fällt, im Gegensatz zu den höheren Ligen, in seinen Aufgabenbereich. Bastians Beispiel zeigt hingegen, dass er weniger anfällig für Botschaften von den Teamchefs aus der Technischen Zone ist. Die Assistenten zeigen sich für diesen Bereich zuständig. Bastian registriert Trainerkommentare kaum: ‘Also es ist schon öfter vorgekommen, dass ein Assistent mir dann gesagt hat: Heute war es aber schwierig mit den Trainern. Ich dann: Wieso? Ich habe gar nichts mitbekommen’. Bundesliga-Schiedsrichter Alfred bestätigt diese Tendenz. Achim erklärt zusätzlich, dass ihm dadurch der Blick auf das Wesentliche leichter fällt: ‘(…) In der Regel ist es so, dass Du dem Trainer seinen Job lässt und dem Vierten seinen Job lässt, dem Assistenten seinen Job lässt und Du Dich auf das Spiel konzentrierst’. Außerdem sind sich die befragten Schiedsrichter darüber im Klaren, dass aufgrund ungehaltener Trainer eine angenehme Spielatmosphäre ins Negative kippen kann. Dies würde sich dann wiederum auf den Schiedsrichter auswirken: ‘Oft ist es in einem Spiel selbst ruhig, aber die Trainerbänke sind ungehalten und bringen Stimmung in das Spiel herein, weil sie von ihrer Position aus die Situation anders bewerten als die Spieler innen. Die Spieler innen geben einem Recht, aber von außen geben sie einem Unrecht. Mit der Zeit kann diese Stimmung dann auf die Spieler überschwappen und die Spieler werden dann auch ungehalten gegenüber uns Schiedsrichtern. Nur weil von außen eben die dauernd rein geschrien haben. Insofern muss man das dann auch bedenken oder beachten’. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich Trainer in der Regel angemessen verhalten. Unpassendes Betragen hinterlässt beim Referee einen negativen Eindruck und ruft Unmut hervor. Insbesondere bei falscher Tatsachendarstellung des Trainers fühlt sich der Schiedsrichter angegriffen. Die Referees gestehen dem Trainer zwar ein gewisses Maß an Emotionalität zu. Wird dieses jedoch überschritten, drohen Konsequenzen und der Trainer wird des Platzes verwiesen. Schiedsrichter sind im hohen Maße darauf bedacht, ihre Autorität nicht zu verlieren. Denn dieser Aspekt ist von immenser Bedeutung für die Unparteiischen.

Über den Autor

Robert Feiner, Diplom-Sportwissenschaftler, wurde 1982 in München geboren. Nach der Allgemeinen Hochschulreife entschied sich der Autor für ein Diplomstudium der Sportwissenschaften an der Technischen Universität in München. Im Jahre 2009 schloss er die Studienrichtung Sport, Medien, Kommunikation erfolgreich ab. Bereits während der Hochschulausbildung sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen im Bereich des Journalismus. Neben Tätigkeiten bei Zeitungen und Zeitschriften arbeitete er unter anderem für das Bayerische Fernsehen und den Nachrichtensender N24. Derzeit ist der Autor als freier Journalist einer Zeitung sowie einer Fußball-Zeitschrift tätig. Denn neben dem Journalismus zählt der Fußball zu seinen großen Leidenschaften.

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