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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 136
Abb.: 8
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Jeder Mensch kennt sie und jeder Mensch (ge)braucht sie: Stereotype. Doch inwiefern beeinflussen diese generalisierten Bilder unser eigenes Denken und Handeln? Wann fängt das stereotypische Denken an und ist es überhaupt möglich, nicht stereotypisch zu denken? In diesem Buch wird unter anderem diesen Fragen auf den Grund gegangen. Zur Veranschaulichung der Theorie wird sich den noch immer beliebten deutschen Stereotypen der US-amerikanischen Medienkultur gewidmet- insbesondere jene vom Deutschen als dicken, bayrischen Dauerbiertrinker, als stets pünktlichen, zuverlässigen Arbeiter und schließlich dem Deutschen als Nationalsozialisten. Dabei wird sich zeigen, welch enormen Einfluss die Massenmedien auf die Meinungsbildung ihrer Konsumenten hat und schließlich nicht nur Stereotype verbreiten, sondern mitunter auch legitimieren.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.2, Der Deutsche als pünktlicher, fleißiger, zuverlässiger Arbeiter ohne Humor und Lebensfreude: Zunächst soll die aktuelle Meinung, die heute in diversen Websites auf den größten Konsens trifft, dargestellt werden. Der folgende Beitrag von TV Tropes fasst die gängige Beschreibung dieses Stereotyps aus sämtlichen Foren und Texten zu dem Thema treffend zusammen: ‘Germans have a reputation for being highly organized, ruthlessly efficient, bureaucratic and deadly serious to the point that they foreigners assume that they lack a sense of humor. (See Germanic Efficiency and Germanic Depressives). The image of the strict, efficient and hard working German is based on the Wirtschaftswunder after World War II, when Germany quickly revived economically. The joyless German stereotype may be derived from their depiction as brutal enemy or seriously devoted bureaucratic worker.' Dieses Stereotyp geht deutlich aus der Geschichte hervor. Der enorm schnelle, wirtschaftliche Aufschwung in der Nachkriegszeit beeindruckte und beeinflusste die US-amerikanische Bevölkerung. Doch mit dem eigentlich positiven Image des hart arbeitenden Deutschen geht auch wieder ein negativer Kontrast ganz im Sinne des Schwarz-Weiß-Denkens einher. Denn wer eine vorbildliche und strikte Arbeitsmoral vertritt, kann nicht gleichzeitig lustig sein oder zumindest Sinn für Humor haben. Bei dieser Vorstellung zeigen sich noch die Nachwirkung des Nazi-Stereotyps eines strengen pedantischen Befehlsausführers. Seit Mitte des 19 Jahrhunderts wurde in vielen psychologischen Studien die Beständigkeit beziehungsweise Veränderung von Stereotypen untersucht. Dabei wurde beispielsweise Collegestudenten der Universität Princeton die Aufgabe gestellt, Adjektive aus einer Liste zu wählen und bestimmten Nationalitäten, wie der italienischen, englischen und deutschen zuzuordnen. Das Ergebnis zeigte eine starke Übereinstimmung der charakteristischen Adjektive zu jedem Land. Dabei wurde dem Deutschen das Attribut des Fleißigen zugeschrieben. Dass sich diese stereotypischen nationalen Eigenschaftsbestimmungen immer wieder durchsetzen und sich über einen Zeitraum von 35 Jahren nicht veränderten, belegen die folgenden Studien der gleichen Art zunächst durchgeführt von den US-amerikanischen Psychologen Gustave Mark Gilbert 1950 und Robert A Karlin 1967 und zwei Jahre später von ihren Kollegen T. L. Coffman und Gary Walters. Die Zuschreibung industrious (fleißig) wurde von 50 Prozent der Teilnehmer in allen drei Studien gewählt. Es scheint also, dass sich nationale Stereotype trotz größerer Zeitabstände im Wesentlichen nicht verändern, sondern äußerst hartnäckig in den Köpfen der typisierenden verankert bleiben. Dies wird durch die mediale und soziale Verbreitung und somit Erhaltung alter Stereotype forciert. In der Aufsatzsammlung von Rainer Emig widmete sich der Autor Uwe Zemke in seinem Essay dem Thema der vermeintlich deutschen Tüchtigkeit. Anhand des persönlichen Feedbacks seiner Schüler, die in Deutschland ein Praktikum absolvierten, und ihrer Berichte, Briefe und Kommentare hält er folgende kollektive Beobachtung über die Deutschen am Arbeitsplatz fest: ‘Germans start work very early keep rigidly-defined breaks (e.g., 42 minutes for lunch don't seem to work on Friday afternoons have plenty of holidays and public holidays are always of sick or on a Kur [course of treatment, often in a Health Spa]. […] On the one hand, they work very hard on the other hand, they use any excuse to celebrate.' Da es sich hier um eigene Beobachtungen und tatsächlich gemachte Erfahrungen handelt, fällt auch das Stereotyp nicht nur in eine Richtung aus, sondern enthält sowohl positive als auch negative Assoziationen. Zum einen stellten die Schüler fest, dass sich deutsche Arbeitsplätze durch eine wirklich konsequente Arbeitsmoral auszeichnen, doch negativ fiel die fehlende Freude am Leben auf und die Unfähigkeit, sich zu amüsieren, trotz der vielen gesetzlichen Feiertage. Interessanterweise gaben einige Schüler zu, dass sie erleichtert waren, zu erkennen, dass Deutsche keinesfalls die automatisierten Arbeitsmaschinen sind, die sie laut des üblichen Stereotyps erwarteten. So realisierten sie, dass Deutsche genauso normal und menschlich sind, wie sie selbst und es viele kulturelle Parallelen zwischen ihnen gibt, was wiederum die Unsicherheit und das Fremdgefühl gegenüber der anderen Nation verminderte. Nun sollte erwähnt werden, dass es ich bei dieser Studie Uwe Zemkes um britische Schüler handelt, sich aber jene Perzeptionen von denen der US-Amerikaner nicht unterscheidet, was letztlich die These der Universalität von Stereotypen bekräftigt. Jene Studenten diskutierten ebenfalls die in ihren Augen außergewöhnliche Pünktlichkeitsliebe der Deutschen: ‘Students also remarked that Germans are clock watchers: they leave work as punctually as they arrive and rarely take work home […] Punctuality is an important aspect of the German work ethic. British students are often surprised when they are ticked off for being a quarter of an hour late for work.' James P. Leary äußert sich in seinem Essay ähnlich über die typische Charakterisierung der Deutschen als Arbeitstiere in Gegenüberstellung mit der irischen Faulheit. So verbreiteten sich in Wisconsin Sprichwörter wie: ‘You had to beat the Irish to get them to work you had to beat the Germans to get them to stop.” Erwin Lester Seifert, ein deutschstämmiger 1912 geborener Wisconsiner aus Dodge County stellte fest, dass es den Deutschen in seiner Nachbarschaft vor allem auf den ordentlichen äußeren Eindruck ankam: ‘Most of the German farmers have been very proud of their farms and of their appearance, especially the farmstead. Accordingly, they have tended to keep the buildings and fences in good condition there are no machine or tools lying or standing around outside, exposed to all kinds of weather, convert with unsightly and damaging rust. … The Germans set the standard in this respect, and those who did not meet this standard were derided as Yankee or Irish farmers.' Es scheint also einen tatsächlichen historischen Ursprung zu geben, was die gewissenhafte Leistungsbereitschaft der Deutschen angeht, auch im Zusammenhang mit Ordnungsliebe. Doch die Strenge des Arbeitsalltags schien sich auch auf den sozialen Alltag zu erstrecken. So erfuhr der amerikanische Historiker und Schriftsteller John Gurda in einem Interview mit einer Irin aus Milwaukee 1980, die in eine deutsche Familie einheiratete: ‘While I would at times laugh uncontrollably at many things, they would only smiled and then look at me strangely. They worked very hard. While my family would sit for hours talking about politics, movies, neighbors, and church, Vern´s family [the German husband] would never just sit around and talk. They played cards a lot so they did not have to talk. ‘ Laut diesen Berichten stand die Frage nach Produktivität für den Deutschen in den USA an erster Stelle. Zumindest was die Unterschiede zum irischen Immigranten anging, war der Drang zur ständigen Kommunikation bei den Iren deutlich stärker ausgeprägt als bei den Deutschen, besonders im Hinblick auf die Passion für Klatsch und Tratsch. William Titus, ein Einwohner des Fond du Lac County bemerkte genauso die Unwilligkeit, ungezwungen Herumzuwitzeln, begründet dies aber mit den Sprachschwierigkeiten der Deutschen, die ungewollt für Lacher sorgten. Tatsächlich kursierten selbst im 20 Jahrhundert unter den Deutschamerikanern noch Dialektwitze wie dieser, den Walter Schneider, ein Farmer aus Marshfield später seinem Sohn erzählte, der gleichzeitig ein Schüler Learys war und so den Weg in Learys Essay fand: ‘This old guy came over from Germany, and he decides to move to Milwaukee because he heard that a lot of people in Milwaukee know how to speak German. He figured he'd get along just fine. So he gets settled down, and one morning he decides to go to the local restaurant to get some breakfast. He walks in, sits down to the table, and the waiter comes over, and the old guy says, ‘Wie geht´s.' ‘The guy yells behind the counter, ‘Wheat cakes,” And the old guy goes, ‘Nein, nein.” The waiter looks. ‘The hell with you. You get three like everyone else.' And he goes, ‘boy, this Milwaukee's a crazy all city. No one can speak German.' He says, 'I am getting the hell out of here.' Das Sprachproblem des Deutschen und die damit verbundene Scheu, mehr als das Nötigste zu sprechen, kann natürlich zu der Fehlinterpretation geführt haben, dass Deutsche immer nur ernsthaft sind und keinen Spaß verstehen. Vermutlich verstanden sie ihn aufgrund der Sprachbarriere wirklich nicht und konnten, selbst wenn sie wollten, nicht so frei von der Seele reden wie die Iren, die durch ihre Muttersprache deutlich im Vorteil waren. Würde man den gesprächigsten Iren nach Deutschland oder ein anderes nicht englischsprachiges Land schicken, verhielte er sich vermutlich ähnlich schweigsam wie der Deutsche in Nordamerika. Dennoch existiert auch heute noch – vermutlich in Verbindung mit den Weltkriegen – das Klischee des freudlosen, pragmatischen und in sich gekehrten Arbeitstiers. Ein Text aus J. M. Weatherfords Untersuchung aus den 70er Jahren über die amerikanische Betrachtung der deutschen Kultur unterstreicht dieses Stereotyp: ‘Das deutsche Leben ist so strukturiert, dass das Zustandekommen emotionsgeladener Situationen soweit wie möglich vermieden wird…Dieser deutsche Grundzug von Lebensorganisation als Vermeidung emotionaler Stauungen gilt sogar für die sexuellen Beziehungen in der Ehe. Mann und Frau schlafen in der Regel in getrennten Betten, wenn sie es sich leisten können, sogar in getrennten Zimmern.[…] Das Sexualinteresse scheint in deutschen Ehen schnell und gründlich abzusterben. […] Nach ein paar Jahren Eheleben stellen viele Paare den sexuellen Verkehr völlig ein. Zur Kompensation der fehlenden ehelichen Sexualität haben die Deutschen eine ganze Fülle von Ersatzlösungen entwickelt: von Sexläden über Massagesalons bis zu ganzen Amüsiervierteln.’

Über den Autor

Katherin Wendt ,1983 in Berlin geboren, besuchte die Universität Duisburg-Essen. Sie schloss ihr Magisterstudium der Anglistik, Germanistik und Kommunikationswissenschaft 2011 sehr erfolgreich ab. Ihr besonderes akademisches Interesse galt der interkulturellen Kommunikation, weshalb sie sich auf dieses Fachgebiet in ihren anglistischen- und kommunikationswissenschaftlichen Studien spezialisierte. Als Tochter einer in der ehemaligen DDR aufgewachsenen, Mutter und eines kubanischen Vaters wurde Kathi Wendt selbst in eine interkulturelle Gesellschaft hineingeboren und setzte sich daher schon früh mit den verschiedenen Wirkungsweisen von Stereotypen auseinander.

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