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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Abb.: 18
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Ernährung spiegelt nicht nur die Art und Weise wieder, wie bio-physiologische Grundbedürfnisse abgedeckt werden, sondern gibt weiterhin Aufschluss über soziale Strukturen, Normen und Werte. Des Weiteren kommen klassen- und gruppenspezifische Identitätsmerkmale durch Aufnahme unterschiedlicher Nahrungsmittel zum Ausdruck. Die drastischen Veränderungen, die sich 1990 durch die Wiedervereinigung Deutschlands in der ehemaligen DDR ergeben haben, sollten sich auch im veränderten Ernährungsverhalten zeigen. Diese Studie befasst sich mit den Erinnerungen an die Ernährungssituation in der DDR bis zur Wiedervereinigung sowie mit der gegenwärtigen Lage nach der Wende , welche mittels einer umfangreichen Befragung in Thüringen untersucht wurde. Hier zeigt sich deutlich, wie eine Rückbesinnung auf die traditionellen Vorstellungen zur Ernährung sowie die wachsende Beliebtheit von Nahrungsmitteln ostdeutscher Herkunft Hand in Hand gehen mit einem Erstarken des angeschlagenen Selbstbewusstseins und einer Identitätsfindung, die eine negative Pauschalisierung der Zustände in der vergangenen DDR ablehnt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.1, Zusammenfassung und Vergleich der Tendenzen im Ernährungsverhalten der BRD und DDR von den 50er Jahren bis zur Wiedervereinigung: Die vorangegangenen Ausführungen zum Ernährungswandel in Ost- und Westdeutschland lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die 50er Jahre waren in beiden Staaten in erster Linie durch den kalorischen Nachholbedarf gekennzeichnet. Eine zentrale Bedeutung hatten kalorienhaltige Nahrungsmittel wie Fleisch, Butter und Kondensmilch. In der DDR war die Versorgungslage schlechter, so dass sich erst Mitte der 50er Jahre der Lebensmittelverbrauch dem in der BRD anglich. Lebensmittelkarten gab es in der DDR noch bis 1958. In Westdeutschland entwickelte sich ein steigender Konsum von exotischem Obst und Gemüse, während in der DDR noch um eine stabile Lebensmittelversorgung gekämpft wurde. In den 60er Jahren setzte sich der Konsumanstieg von Fleisch, Butter, Zucker, Eiern sowie Obst und Gemüse fort. In der BRD verstärkte sich der Verfeinerungsprozess in der Ernährung, indem anstelle von Roggen- und Mischbrot vermehrt Weißbrot verzehrt wurde. Auch wurde Feingemüse bevorzugt. Kartoffeln hatten einen immer geringeren Stellenwert für die Ernährung und wurden eher in verarbeiteter Form gegessen. Küchen- und verzehrfertige Nahrungsmittel, Tiefkühlkost und Fertiggerichte setzten sich durch. Die Gastarbeiter aus Italien, der Türkei, Spanien u.a. sowie die Reisewelle ins Ausland zogen die Akzeptanz der ausländischen Küche in der Bundesrepublik nach sich. In der DDR hatte sich die Ernährungssituation Anfang der 60er Jahre stabilisiert, aber das Nahrungsmittelangebot beispielsweise bei Fisch, Obst und Gemüse war nach wie vor diskontinuierlich. Durch die Planwirtschaft wurden Versorgungsengpässe, aber auch Überangebote verursacht. Der Verfeinerungsprozess in der Ernährung war noch nicht so weit fortgeschritten. Roggenbrot und Kartoffeln spielten für die Ernährung noch eine große Rolle. Trotzdem stieg der Wunsch nach hochpreisigen Genussmitteln wie Kaffee und Kakao. Ausländische Gastronomie gab es in der DDR nicht. Ausländische Gerichte in Kochbüchern beschränkten sich meist auf Gerichte aus den Ostblock-Ländern. In den 70er Jahren vollzog sich der endgültige Bruch im Ernährungsverhalten von Ost- und Westdeutschland. In beiden Staaten gab es weitere Verbrauchserhöhungen bei Fleisch, Zucker, Gemüse u.a. Für die Bundesrepublik setzten sich vier Trends durch. Ein gewachsenes Gesundheitsbewusstsein, verbunden mit einem neuen Schlankheitsideal, führte zur Gesundheitswelle. Neben kalorienärmeren Speisen wurde zunehmend auch auf naturbelassene Lebensmittel Wert gelegt. In der Oberschicht verbreitete sich die Gourmetgastronomie, für die Anfang der 70er Jahre die ‚Nouvelle Cousine‘ kennzeichnend war. Ende der 70er Jahre fand eine Rückbesinnung auf das Regionale statt. Regionale Speisen standen für Einfachheit, Natürlichkeit und Urwüchsigkeit. Parallel dazu wuchs die Beliebtheit von Fast Food. Neben McDonald’s etablierten sich auch Gegenimbisse, die Salat, Obst und Fruchtsäfte anboten. In der DDR waren die Qualitätsansprüche bei Lebensmitteln sowie das Bedürfnis nach Genussmitteln weiter gestiegen, konnten aber durch das Angebot nicht befriedigt werden. Deshalb wurde der Bevölkerung ab 1974 ermöglicht, im ‚Intershop‘ einzukaufen. Für die Bevölkerung, die nicht im Besitz von D-Mark war, etablierte man ab 1977 Delikatläden. Aus ökonomischen Gründen mussten Ende der 70er Jahre Importe eingeschränkt werden. Dadurch verschlechterte sich die Angebotssituation bei hochwertigen Nahrungsmitteln, was besonders bei Kaffee zur Verärgerung der Bevölkerung führte. Tendenziell ernährten sich die DDR-Bürger zu fett- und energiereich. In den 80er Jahren wurde das Ernährungsverhalten in der BRD immer differenzierter. Die Ökologiebewegung und das kritische Hinterfragen von Nahrungsmitteln wurde durch die Gründung der ‚Grünen‘ vorangetrieben. Durch das gestiegene Gesundheitsbewusstsein erhöhte sich der Konsum von diätetischen Lebensmitteln, insbesondere von Lightprodukten. Wachsender Beliebtheit erfreuten sich außerdem Fast Food und Fertigprodukte. In der DDR erhöhte sich der Konsum an Fleisch, Zucker, Gemüse und Obst noch weiter. Es wurde zu fett, zu viel und zu süß gegessen. Das Bedürfnis nach etwas Besonderem äußerte sich in wachsenden Umsatzzahlen im ‚Delikat‘. In den 80er Jahren verschlechterte sich die Wirtschaftslage drastisch, was auch durch erhöhte Importe und ständig wachsende Aufwendungen für Subventionen verursacht wurde. Die Deutschen in Ost und West aßen zu viel und zu fett, wobei in der DDR die tägliche Kalorienaufnahme tendenziell höher war. Einheitlich war auch die hohe Qualitäts- und Genussorientierung. Die Ostdeutschen waren allerdings weniger kompromissbereit, was den Geschmack ihrer Ernährung betraf. Bezeichnend ist hierfür der höhere Stellenwert, der in der DDR der Ernährung beigemessen wurde. Es dominierte hier konstant eine besonders positive Einstellung zu Essen und Trinken. In der DDR äußerte sich dieser Trend auch durch ein überdurchschnittliches Verbrauchswachstum an alkoholischen Getränken und Röstkaffee. Das gewachsene Gesundheitsbewusstsein spielte in beiden deutschen Staaten eine Rolle. In der Bundesrepublik wurden vermehrt Bioprodukte, Obst und Gemüse verzehrt. In der DDR verstärkte sich Ende der 80er Jahre zumindest das Interesse an einer gesunden Ernährung. Tendenziell erfolgte auch im Osten eine stärkere Hinwendung zu hochwertigen pflanzlichen Produkten wie Vollkornbrot, Cerealien und pflanzlichen Ölen. Dass sich weniger DDR-Bürger dieser Ernährungsweise zuwendeten als im Westen, mag zum großen Teil am fehlenden Angebot an entsprechenden Produkten gelegen haben. Gemeinsam ist den Deutschen der Trend zum Außer-Haus-Verzehr. Dieser war allerdings in der DDR eher durch die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung gekennzeichnet, in der BRD durch Einnahme von Mahlzeiten in Gaststätten bzw. in Fast-Food-Restaurants. Ein entscheidender Unterschied lag in der größeren Auswahl und Vielfalt von Nahrungsmitteln und Ernährungsweisen in der Bundesrepublik. Deshalb konnte sich eine stärkere Individualisierung des Ernährungsstils herausbilden. Die Ostdeutschen zeichneten sich dagegen durch eine große Stabilität ihrer Ernährungsgewohnheiten aus. Das äußerte sich beispielsweise im konstanten Mahlzeitenrhythmus von durchschnittlich 3,8 Mahlzeiten pro Tag und der traditionellen Speisenbeliebtheit von Fleisch, Gemüse und Kartoffeln bei der warmen Hauptmahlzeit.

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