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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Abb.: 27
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Neben vielen Städten haben auch die ländlichen Regionen Ostdeutschlands seit der politischen Wende starke Einwohnerverluste zu verzeichnen. In immer dünner besiedelten Gebieten fällt es zunehmend schwer die soziale und technische Infrastruktur für die Bevölkerung, im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse , aufrecht zu erhalten. Die vorhanden raumordnerischen Strategien, welche meist einen top-down-Ansatz verfolgen sind zur Lösung neuer Herausforderungen kaum geeignet. Anhand der Kooperationstheorie von R. Axelrodt sowie dem Transaktionskostenansatz nach O. E. Williamson untersucht der Autor in sieben Beispielregionen, inwieweit sich freiwillige Netzwerke und Kooperationen zwischen Klein- und Mittelstädten eignen, um auf die Folgen des demographischen Wandels sowie wirtschaftliche Strukturschwäche zu reagieren. Hierbei zeigt er auf, wodurch städtische Kooperationen erfolgreich werden und was sie erreichen können und wann sie scheitern.

Leseprobe

Kapitel 2.4.4, Leitbilder und gesetzlicher Rahmen von Städtenetzen als Planungsinstrument Der konzeptionelle Rahmen von Städtenetzen wird durch unterschiedliche Leitbilder, Verordnungen und Gesetze der Raumordnung bestimmt. Für die Entstehung und Entwicklung von Städtekooperationen in schrumpfenden Regionen sind diese als Rahmenbedingungen von maßgeblicher Bedeutung. Populär und in den vergangenen Jahren von Politikern und Medien häufig zitiert ist der Artikel 72 des Grundgesetzes und insbesondere die in ihm gebrauchte Formulierung der ‘gleichwertigen Lebensverhältnisse’ (Art. 72 Abs. 2 GG). Der genannte Artikel beschreibt das Gesetzgebungsrecht des Bundes zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet - wodurch Landesgesetze gebrochen werden können. Allerdings geht der Artikel nicht darauf ein, wie groß die Unterschiede im Bundesgebiet sein dürfen bevor ein Handlungsbedarf besteht. Es ist demnach sehr unwahrscheinlich, dass die legislatorische Zuständigkeit des Bundes in diesem Kontext in Anspruch genommen wird (vgl. SEIFERT, 1995: 400f). Im Raumordnungsgesetz (ROG) wird die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in §1 Abs. 2 und §2 Abs. 1 ROG (30.06.2009) aufgegriffen: ‘ Im Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und in seinen Teilräumen sind ausgeglichene wirtschaftliche, infrastrukturelle, soziale, ökologische und kulturelle Verhältnisse anzustreben’. Vertiefend wird in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung regionaler Kooperationen verwiesen (§2 Abs. 2 ROG v. 30.06.2009): ‘Mit dem Ziel der Stärkung und Entwicklung des Gesamtraums und seiner Teilräume ist auf Kooperationen innerhalb von Regionen […] hinzuwirken’. Zudem wird in §13 Abs. 1 ROG (v. 30.06.2009) der Städtenetz-Ansatz näher beschrieben und die Zusammenarbeit von öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts bei der Umsetzung der Regionalpläne gefordert: ‘Die Träger der Landes- und Regionalplanung wirken auf die Verwirklichung der Raumordnungspläne hin. Sie sollen die Zusammenarbeit der für die Verwirklichung maßgeblichen öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts fördern. […]. Die Zusammenarbeit von Gemeinden zur Stärkung teilräumlicher Entwicklungen (interkommunale Zusammenarbeit) ist zu unterstützen. Abs. 2: Formen der Zusammenarbeit nach Absatz 1 können insbesondere sein: (2) Maßnahmen wie regionale Entwicklungskonzepte, regionale und interkommunale Netzwerke und Kooperationsstrukturen […].’ In den Leitbildern der Raumordnung wurde das Konzept der ‘Städtenetze’ (als Handlungsempfehlung des Leitbildes ‘Siedlungsstruktur’) erstmals 1993 im Raumordnungspolitischen-Orientierungsrahmen (ORA) dargelegt. Dabei stellte die räumliche und funktionale Vernetzung ostdeutscher Mittel- und Oberzentren, die durch monostrukturelle Prägung nur in Ansätzen vorhanden war ein besonderes Ziel dar. Die Umsetzung der Vernetzungspläne sollte dabei vorrangig durch Sanierung und Ausbau der häufig vernachlässigten Infrastruktur erfolgen (BMBau, 1993: 7). Bezüglich der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse wurde schon zu diesem Zeitpunkt festgestellt: ‘Gleichwertigkeit der Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen ist eine situationsabhängige, dynamische Zielrichtung, kein absoluter Maßstab. […] . Gleichwertigkeit ist demnach nicht miss zu verstehen, als pauschale Gleichartigkeit, Anspruch auf gleiche und undifferenzierte Förderung und auf Nivellierung, pauschale Verpflichtung des Staates zum Ausgleich’ (BMBau 1993, S. 21 & BMVBW 2005, S.13). Mehr als dreizehn Jahre nach der Verabschiedung des ORA wurden am 30.06.2006 auf Bundes- und Länderebene die neuen Leitbilder und Handlungsstrategien der Raumentwicklung von der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) verabschiedet. Hierbei sollte den veränderten Rahmenbedingungen: demographischer Wandel, Globalisierung, europäische Integration und den Wandel staatlicher Gestaltungsmöglichkeiten, die innerhalb des vorangegangenen Jahrzehnts zunehmend an Bedeutung gewonnen hatten, Rechnung getragen werden. Außerdem wird der Gedanke kooperativer Vernetzung weiterentwickelt und soll nun maßgeblich größere (Wachstums-) Regionen verbinden. Die neuen Leitbilder: 1. ‘Wachstum und Innovation’, 2. ‘Daseinsvorsorge sichern’ und 3. ‘Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften gestalten’ gelten formal als gleichrangig wobei die numerische Festlegung der Ziele eine gewisse Bedeutungshierarchie erkennen lässt. Das erste Leitbild nimmt direkten Bezug auf das Konzept der Metropolregionen. Dieses Konzept kann als eine funktionale Weiterentwicklung von Städtenetzen auf nationalem bzw. internationalem Maßstab angesehen werden. Metropolregionen sollen als Motor der Entwicklung fungieren und auch peripher gelegene (Stabilisierungs-) Räume durch Vernetzung und Anbindung im Rahmen großräumiger Verantwortungsgemeinschaften einbinden (vgl. BMVBS, 2006, S. 5 & 16). Leitbild zwei beschäftigt sich, wie Art. 72 GG, mit der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland. Schränkt sich dabei jedoch auf Dienstleistungen, Infrastrukturen und öffentliche Daseinsvorsorge ein. Infolge dessen soll das ZOK gestrafft und interkommunale Kooperation z.B. in Form von Städtenetzen ausgebaut werden (ebd.: 20). Das dritte Leitbild hat keinen direkten Bezug zu kooperativer Städtevernetzung, weswegen an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen wird. 2.4.5, Probleme und Kritik des Städtenetzansatzes: Kooperative Vernetzung von Städten im Rahmen des Städtenetzansatzes wird in der Fachliteratur häufig auch kritisch betrachtet. Dabei werden hauptsächlich die engen Leistungsgrenzen der Zusammenarbeit in den Kooperationen bemängelt (vgl. DILLER, 2003, 83, KLEMME, 2002: 59). FÜRST (2001: 86ff) beschreibt Probleme, die sich bei der Entstehung von Städtenetzen ergeben bzw. diese verhindern. Kooperation entsteht nur auf Problemfeldern, die von allen beteiligten Kommunen als solche wahrgenommen werden und von denen keine glaubt sie völlig autonom lösen zu können. Da die beteiligten Städte gewohnt sind in ihren administrativen Grenzen (Gebietkörperschaften) zu arbeiten und zu denken, unterschätzen sie häufig ihre Interdependenzen zu anderen (benachbarten) Kommunen und kommunizieren kollektive Belange deshalb häufig nicht. Fehlende administrative Grenzen und häufig nicht vorhandene Institutionalisierung können bei regional agierenden Städtekooperationen zu Legitimationsverlust und Verantwortungsdiffusion führen. Auf lokaler Ebene wird versucht Probleme eigenständig zu lösen, gelingt dies nicht, wird die Zuständigkeit an höhere Ebenen der Gebietskörperschaften (Länder- bzw. Bundesebene) oder an staatliche Institutionen (z.B. Arbeitsverwaltung) verwiesen, Die regionale Ebene wird in Folge dessen bei der Problemlösung von Gemeinschafstaufgaben vernachlässigt (ebd.). Genannte Schwierigkeiten beziehen sich auf darauf, zu erkennen, dass kooperative kommunale Vernetzung notwendig ist um ein vorhandenes Problem zu lösen. SPANGENBERG (1996: 314f) benennt weitere Felder auf denen bereits existierende Städtenetze an ihre (Kompetenz-) Grenzen stoßen. So können Kosten und Nutzen der Austauschbeziehungen nur selten in Zahlen oder Geldwert ausgedrückt werden. Kooperationsteilnehmer wollen diese jedoch häufig kalkulieren, wodurch sich die Möglichkeiten der Vernetzung stark einschränken. Weiterhin führt die häufig fehlende Legitimation von Städtenetzen dazu, dass Entscheidungen in vielen Fällen nicht direkt getroffen werden können und eine nachträgliche Zustimmung der Gemeinde- bzw. Stadträte erforderlich ist. Ferner ergibt sich ein Problem aus der zum Teil fehlenden Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen von Städtenetzen nach außen. Dabei stellt sich die Frage, ob es sinnvoll wäre Kontrollmöglichkeiten zu installieren (ebd.). Ein häufig genanntes Problem stellen die Räume, die zwischen den kooperierenden Kommunen liegen, dar. In diesem Zusammenhang wird im Fachdiskurs häufig von ‘Netzknoten’ (beteiligte Kommunen) und ‘Netzmaschen’ (Zwischenräume z. B. Landkreise) gesprochen. Einige Autoren gehen davon aus, dass diese Zwischenräume von der Kooperation ausgeklammert werden – CASTELLS (1995 in: BARTSCH, 2006: 38) sprach in diesem Kontext von der Entstehung ‘schwarzer Löcher der neuen Regionalpolitik’. Von anderen Autoren wird wiederum auf die Möglichkeit der direkten und indirekten Integration der ‘Maschen’ verwiesen (vgl. BBR, 1999: 52 SPANGENBERG, 1996: 314). KNIELING (1997: 173) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass durch die Einbeziehung des Umlands die Organisation des Städtenetzes mit der einer Regionalkonferenz vergleichbar wird und somit die ‘Spezifika des Städtenetzes verloren gehen können’ (ebd.).

Über den Autor

Karl Krauß, Diplom-Geograph, wurde 1980 in Dresden geboren. Nach der Ausbildung zum Bankkaufmann studierte er Geographie, Politikwissenschaften und Soziologie in Halle-Wittenberg und Lyon (FR). Bereits während des Studiums und im Rahmen mehrerer Praktika sammelte der Autor Erfahrungen auf unterschiedlichen Ebenen politischer und planerischer Raumentwicklungsprozesse.

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