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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Bürgerhaushalte haben sich im Bereich der Finanzierungsplanung einer Kommune mit Hilfe von partizipativen Instrumenten in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten einen Namen gemacht. Die Idee stammt aus Brasilien, doch sie findet sich heute in diversen Variationen weltweit wieder. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Lobeshymnen auf das Konzept, vor allem aus den Reihen der daran Beteiligten, welche die Möglichkeit sehen, informierte und engagierte Bürger an politischen Prozessen und Entscheidungen zu beteiligen. Entscheidend an Beteiligung ist natürlich, ob sie Ergebnisse nach sich zieht, da der Prozess der Mitwirkung sonst obsolet ist. Auch der Bürgerhaushalt, der Vorschläge für den Finanzplan der Kommunen sammelt, bringt Ergebnisse mit sich. Wie viele der Ideen aus den Reihen der städtischen Anwohner tatsächlich umgesetzt werden, ist höchst verschieden. Letztendlich ist dies eine Entscheidung des Rates, der weiterhin die Hoheit über das Budget behält. Zu klären ist, von welchen Faktoren es abhängt, ob die Bürgervorschläge tatsächlich politische Zustimmung erhalten. Im Rahmen der vorliegenden Studie sollen Ansätze gefunden werden, welche Einflussfaktoren in Deutschland dafür in Frage kommen. Untersucht wird hierbei der Einfluss a) der Finanzsituation einer Kommune, b) der Anzahl der Teilnehmer an einem Bürgerhaushalt, c) der Vorgaben der Verwaltung. Die Arbeit bezieht sich auf die Verfahren in den Kommunen Köln, Oldenburg, Potsdam, Münster und Trier.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Theoretische Betrachtungen: In diesem Teil nähert sich die Arbeit den theoretischen Aspekten des Themas Bürgerhaushalt auf Grundlage einer Literaturrecherche. Zunächst folgt ein Überblick über die Entwicklung der Bürgerbeteiligung allgemein. Anschließend wird das Verfahren des Bürgerhaushalts in bestehende theoretische Überlegungen und Konzepte eingeordnet. Es folgt ein Betrag zur Geschichte des Bürgerhaushalts auf seinem Weg von den Ursprüngen in Brasilien bis nach Deutschland. Danach wird das Verfahren auf dem Weg hin zu einer Typologie, einer Definition und den damit verfolgten Zielen näher beleuchtet. Ein spezieller Fokus wird mit Blick auf das Thema dieser Arbeit auf den speziellen deutschen Weg bei der Umsetzung der Idee gelegt. Zum Abschluss dieses Kapitels werden die kritischen Stimmen bezüglich des Bürgerhaushalts aufgezeigt. 2.1, Entwicklung der Bürgerbeteiligung: Die Bürger zu beteiligen, gehört zu den Grundpfeilern einer demokratischen Gesellschaft. In welcher Form dies allerdings auf dem Weg zu politischen und administrativen Entscheidungen geschieht, ist je nach Staat, Land/Provinz und Kommune sowie der jeweiligen Entscheidungsebene höchst unterschiedlich. Vielfach hatten Bürger, gerade auf staatlicher Ebene, lediglich die Möglichkeit, ihren Willen in Form von alle paar Jahre stattfindenden Wahlen auszudrücken. In der Zeit dazwischen war es die alleinige Aufgabe der gewählten Repräsentanten, den so genannten Wählerwillen aufzunehmen und in politische Entscheidungen umzusetzen. Die Administrative/Regierung war derweil mit der Umsetzung betraut. Neben dem Warten auf die nächste Wahl hatte der Bürger indes bis auf öffentliche Proteste oder den Klageweg wenig Möglichkeiten, getroffene Entscheidungen oder die Ausführung anzufechten. Diese Führungsrolle von Politik und Verwaltung war in den meisten Fällen von den Mitgliedern ebendieser Institutionen auch gewollt. So wurde beispielsweise im Rahmen der gesellschaftlichen Bewegungen Ende der 1960er Jahre die Verwaltung als konservative Kraft, als ‘Bollwerk einer veralteten autoritären institutionellen Struktur’ angesehen, das ‘den Bürger immer noch als Untertan begreift und behandelt’ (Klages 2009: 104). Bürgerbeteiligung war in den 1960er Jahren in Deutschland eine Ausnahme, auch auf lokaler Ebene. Neben der Wahl der Gemeindevertretung gab es in Bayern und Baden-Württemberg noch die Möglichkeit, die Bürgermeister direkt zu wählen – zu dieser Zeit eine Ausnahme (Vetter 2008: 11). Zudem gab es hauptsächlich für Einzelfälle interessante Informations- und Anhörungsrechte im Verfahrensrechtsschutz (Bogumil 2009: S. 89). Erste Ansätze auf dem Weg hin zu einer partizipativen Demokratie waren in diesem Jahrzehnt allerdings bereits zu erkennen, wozu Herzberg (2001: 9ff) auch direkte gewaltfreie Aktionen wie Sitzblockaden als wichtige Protestformen zählt. Getragen wurde diese Entwicklung von den studentischen Bewegungen an US-amerikanischen Universitäten. Von dort verbreitete sie sich weiter nach Europa. Diese Demokratisierungswelle zwang auch in Deutschland zu einem Überdenken der Vorstellung von Demokratie mit (auch von der Politik) öffentlichkeitswirksam geäußerten Zielen wie ‘Mehr Demokratie wagen’ oder ‘Demokratisierung aller Lebensbereiche’. Dabei ging es in erster Linie um die Demokratisierung sozialer Systeme wie Familie, Schule, Universitäten oder Wirtschaft. Diese Diskussion fand sowohl Befürworter als auch viele Kritiker. Die Umsetzung dieser Ideen gelang vor allem an den Hochschulen durch Beschlüsse der sozial-liberalen Koalition (Naßmacher 1997: 446). In den 1970er Jahren, in denen Vetter (2008: 11) eine ‘partizipatorische Revolution’ ausgemacht hat, wurden in Deutschland neue Wege im Rahmen der Bürgerbeteiligung beschritten. Gesetzlich festgelegt wurden Informationsrechte, die in Bürgerversammlungen wahrgenommen werden konnten, Anhörungsrechte über Beteiligung an (Stadt-)Planungsverfahren und die Aufnahme sachverständiger Bürger in Ausschüsse. Außerdem wurden informelle Beteiligungsverfahren aus dem Bereich der ‘kooperativen Demokratie’ eingeführt. Dazu gehörten Planungszellen, Runde Tische oder Mediation (Bogumil 2009: 89 Vetter 2008: 11). In der Folge dieser Entwicklung wurde zudem nach mehr Mitsprachemöglichkeiten des einzelnen gesucht, was vor allem in Bürgerinitiativen gelang (Naßmacher 1997: 446). Der Trend zu mehr Mitbestimmung fußte auf extremer Kritik an den Vermittlungsinstitutionen, insbesondere Parteien und Politikern. Diskutiert wurde gar eine Demokratie ohne Parteien mit Runden Tischen zur Entscheidungsfindung (Naßmacher 1997: 447). Zur Überwindung des repräsentativen Systems kam es indes nicht. Allerdings ist in den 1990er Jahren eine weitere Reformwelle zu beobachten. Dazu gehören die flächendeckende Direktwahl der Bürgermeister und Landräte, zum Teil sogar mit der Möglichkeit, diese unter bestimmten Voraussetzungen abzuwählen. Der Bürger als Wähler bekam weiterhin das Recht, durch geänderte Wahlverfahren mit Elementen wie dem Kumulieren und Panaschieren mehr Einfluss auf die Ratsbesetzung auszuüben. Auch plebiszitäre Elemente wie Bürgerbegehren und -entscheide wurden in die Gemeindeordnungen aufgenommen. Zudem sind in diesem Jahrzehnt weitere freiwillige, dialogisch orientierte und auf kooperative Problemlösungen angelegte Verfahren auf dem Weg zur Politikformulierung und Politikumsetzung zu beobachten (Bogumil 2008: 89 Naßmacher 1997: 446f). Dies geschieht in einer Zeit der politischen Krise, die unter anderem durch sinkende Wahlbeteiligungen auf allen Ebenen ausgelöst wurde, die laut Herzberg (2001: 13) aber weniger eine Krise des Bürgers ist, weil dieser sich von der gesamten Politik vermehrt abgewendet habe. Und dennoch ist ein Aufschwung der partizipativen Demokratie zu beobachten, die sich allerdings weniger rebellisch zeigt, sondern eher aus der Mitte der Gesellschaft entspringt. In den Folgejahren bis zur heutigen Zeit sind weitere Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung hinzugekommen. Dazu gehören vor allem beratende Mitwirkungsverfahren, die allerdings keine direkte Entscheidungskompetenz für den Bürger zur Folge haben, wie zum Beispiel der Agenda-21-Prozess. Fördernd für die Entwicklung ist dabei der Ausbau der Kommunikation und Information über das Internet, der Methoden einer so genannten E-Democracy ermöglicht (Vetter 2008: 11f). Der aktuelle Stand in Deutschland sieht so aus, dass kooperative Demokratieelemente und Engagementförderung, das zeigen einige Umfragen, durchaus Verbreitung finden. Kommunale Referenden dagegen führen eher ein Schattendasein, wenngleich dort indirekte Effekte auf Politik und Verwaltung, wie die öffentlichkeitswirksame Androhung eines Bürgerentscheids, zu beachten sind (Bogumil 2009: 89ff). 3, Welche Faktoren beeinflussen den Bürgerhaushalt?: 3.1, Fragestellung: Das Konzept des Bürgerhaushalts setzt an einer entscheidenden Stelle des politischen Machtgefüges in Deutschland an: der Budgethoheit des Parlaments, in diesem Fall der Stadt- und Gemeinderäte. Die Entscheidung über den Haushalt ist gerade auf kommunaler Ebene das zentrale Planungs- und Steuerungsinstrument der gewählten Repräsentanten, um Einfluss zu nehmen und die Entwicklung der Stadt in die (aus Sicht der Mehrheits-Partei oder -Koalition) richtigen Bahnen zu lenken. Die Rede ist gar vom Königsrecht (Franzke und Kleger 2010: 41). Dies gibt die Politik auch beim Bürgerhaushalt nicht endgültig aus der Hand, denn über die Vorschläge der beteiligten Bürger entscheidet letztendlich immer noch der Rat. Daher lässt sich untersuchen, ob und inwieweit die Themen aus dem Beteiligungsprozess überhaupt politische Zustimmung erfahren und was darauf Einfluss nimmt. Zwar zeigen Beobachtungen verschiedener Verfahren, dass im Normalfall bei allen Bürgerhaushalten zumindest partiell die Vorschläge der Bürger umgesetzt wurden. Jedoch können zum Teil große Unterschiede hinsichtlich der Anzahl der umgesetzten Maßnahmen zwischen Kommunen beobachtet werden (Masser et al. 2013: 119). Was den Umfang der politischen Zustimmung am Ende eines solchen Beteiligungsverfahrens beeinflusst, bleibt dabei allerdings unklar. Einig ist man sich bislang nur, dass ‘eine Ablehnung aller Bürgervorschläge sicher zu einem raschen Ende des Verfahrens’ führen würde (Franzke und Kleger 2010: 77) und dass die Effektivität politischen Handelns bei Bürgerbeteiligung davon abhängt, ob den Beteiligungsergebnissen von den kommunalen Entscheidungsträgern zugestimmt wird und es zu einer tatsächlichen Umsetzung kommt (Vetter 2008: 35 Holtkamp 2008: 227). Bislang fehlen detaillierte wissenschaftliche Studien, welche die Wirkungen von Bürgerhaushalten untersuchen und über eine bloße Sachstandsbeschreibung oder die Analyse der Teilnehmerdaten einzelner Bürgerhaushalte hinausgehen (Kersting 2008: 281). Zudem sind die Verfasser vieler Arbeiten zu diesem Thema nicht unabhängig von beteiligten Stiftungen, Kommunen oder Ministerien (Franzke und Kleger 2010: 7/78). Dies hat zur Folge, dass die Neutralität der Ergebnisse zumindest angezweifelt werden muss. Zum Teil wird den Verfassern der Berichte sogar vorgeworfen, kein ausgeprägtes Interesse an der Thematisierung von Problemen rund um das Verfahren zu zeigen, um sich unbeschädigt mit dem Prestigeprojekt Bürgerhaushalt schmücken zu können (Holtkamp 2008: 227). Intensiver untersucht wurden bislang lediglich Effekte bei der Verwaltungsmodernisierung, wie die Verbesserung öffentlicher Angebote aufgrund von Bürgervorschlägen oder eine besser Ansprechbarkeit der Verwaltung (Sintomer et al. 2007: 125). Insgesamt zeigt sich somit ein Defizit bezogen auf die (wissenschaftliche) Forschung zu Bürgerhaushalten. Mit dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, Ansätze auf dem Weg zu einer empirisch gestützten Evaluation von Bürgerhaushalten zu identifizieren und zu analysieren. Der Fokus der Untersuchung liegt dabei auf der politischen Ebene des Verfahrens in Deutschland, nämlich auf dem Stadt-/Gemeinderat, in dem gewählte Repräsentanten die finale Entscheidung über eingereichte Bürgervorschläge treffen (Masser et al. 2013: 120). Es ist davon auszugehen, dass diese Beschlüsse im System der Kommune verschiedenen Einflüssen unterliegen. Die zentrale Frage dieser Arbeit lautet daher: Welche Faktoren beeinflussen die Reaktion (d.h. Zustimmung, Ablehnung, Prüfung) des Gemeinde-/Stadtrats auf die Vorschläge der Bürger?

Über den Autor

Patrick Buck wurde 1981 in Hamburg geboren. Er studierte Politikwissenschaft und Sportwissenschaft an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und schloss 2014 mit dem Magister ab. Daneben arbeitete er als freier Journalist in Oldenburg und beobachtete sein Interessenfeld, die Lokalpolitik, auf diese Weise noch aus einer weiteren Perspektive.

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