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Soziologie

Katja Fischborn

Geil auf Gewalt?

Eine Studie über den Reiz von Mord und Totschlag in der Zeitung

ISBN: 978-3-8366-6722-7

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 06.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 382
Abb.: 36
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Gewalt in den Medien wird heute im Gegensatz zu früheren Zeiten recht streng gesellschaftlich geächtet. In Rundfunk, Internet und Zeitung werde nur noch über negative und schreckliche Dinge berichtet, bemängeln Kritiker, es drohe eine Verrohung der Kultur . Schlimmste Folgen werden für die Leser dieser alltäglichen Grausamkeiten befürchtet. Dabei bestimmt dieser doch selbst über seinen Konsum. Mit dem Thema der Faszination von Gewalt befasst sich die vorliegende Studie. Mit verschiedenen wissenschaftlichen Verfahren wie dem Eye-Tracking und Interviews nähert sich die Autorin einer möglichen Erklärung, wie und warum Gewalt in der Zeitung eine solche Beachtung erfährt. Das Layout spielt dabei eine wichtige Rolle. Dazu kommen die persönlichen Bedürfnisse: Von den Gewalt-Nachrichten versprechen die Leser sich sachliche Informationen, aber auch eine Befriedigung ihrer Neugier – Unterhaltung wird dabei eher selten gesucht. Gewalthaltige Artikel können Grenzen aufzeigen, sie können sogar lehrreich sein. Wenn ein Mord mit mehreren Toten vielleicht nicht unterhaltend ist, dann aber der Bericht über einen Trickbetrüger, der sich besonders dumm angestellt hat. Gleichzeitig kann der Text dazu dienen, sich Informationen über die Vorgehensweise von Gaunern dieser Art zu beschaffen. Auch liefern solche Informationen Stoff für Unterhaltungen mit anderen. Insgesamt stießen die gewalthaltigen Artikel in der Untersuchung auf ein deutliches Interesse, wenn auch nicht so stark wie erwartet. Im Gegenzug ließen sich auch einige Leser finden, die gewalthaltige Texte vermeiden. Sie beurteilten sie sie einerseits als nicht relevant genug, zu alltäglich und profan, sich persönlich als abgestumpft und deshalb interesselos. Andere verurteilten die Gewalt in der Zeitung als zu brutal, zu plakativ und zu detailliert. Die Beobachtungen der Untersuchung verdeutlichen, warum Gewalt in all ihren Formen so beliebt ist und in ihre Vermarktung viel Kreativität investiert wird. Das gibt es nicht erst seit der Neuzeit - deshalb ist der Unkenruf des Untergangs von Moral und Sittlichkeit durch Phänomene wie Reality-TV oder Boulevard-Journalismus wohl verfrüht. Eine Vorstellung gewaltfreier Medien ist allerdings eine Utopie, auch wenn das Informationsinteresse der Öffentlichkeit Grenzen hat. Die Faszination an medialer Gewalt entspringt durchaus gesunden Bedürfnissen und ist nicht verwerflich. Natürlich muss der Journalist sich in der Pflicht sehen, nicht nur das zu veröffentlichen, was dem vermuteten Leserinteresse entspricht. Selbst wenn sich Autor und Leser so weit annähern, dass beide das Gleiche wollen, liegt es in der Macht des Mediensystems, die Entscheidung zwischen öffentlichem Interesse oder Voyeurismus, Information oder Unterhaltung zu diskutieren.

Leseprobe

Kapitel 4, Nachrichtenauswahl - good news are bad news? Jedes Medium hat nur einen beschränkten Umfang und kann nicht die komplette Wirklichkeit abbilden. Deshalb müssen Journalisten selektieren, welche Ereignisse sie zu Nachrichten verarbeiten. Diese Auswahl-Funktion erwartet das Publikum: Den Medien kommt damit die Aufgabe zu, das Weltgeschehen zu beobachten, zu strukturieren und hinsichtlich der ‚Wichtigkeit und Interessantheit’ zu bewerten. (EILDERS 1997: 13) Problematisch dabei ist oft nicht die Auswahl selbst, sondern die Selektionskriterien, anhand derer der Journalist über Veröffentlichungen entscheidet. Zu den intrinsischen Faktoren gehören die Nachrichtenfaktoren, zu den extrinsischen die persönlichen Einstellungen der Journalisten (vgl. BROSIUS 1995: 24f.). Oft müssen sich Journalisten den Vorwurf gefallen lassen, sie würden Gewalt absichtlich als Aufmacher, als Aufreißer und Hingucker benutzen. Kritik wird vor allem daran geübt, wie über Gewalt berichtet wird und welchen Stellenwert die Gewalt in den Medien einnimmt (vgl. CHILL / MEYN 2000) – kurz gesagt: Die journalistische Berufsethik wird in Frage gestellt. Wenn man die Leser selbst entscheiden ließe, würde die Nachrichtenlage in der Zeitung dann anders aussehen? Ein immer wiederkehrender Vorwurf lautet, negative Ereignisse wie Katastrophen oder Skandale tauchten zu häufig auf – gemäß dem Satz good news are bad news . Zwar gelten Nachrichten über Kriminalität allgemein als attraktiv für den Leser – eigentlich ist das aber ziemlich erstaunlich. Denn Berichte über Verbrechen haben kaum Neuigkeitswert, schließlich passieren sie fast alltäglich in ähnlicher Form. Ob die Nachrichtenfaktoren wie Prominenz, räumliche Nähe etc. als allgemein-menschliche Selektionskriterien (vgl. GALTUNG / RUGE 1965) auch für den Leser gelten, wird später beleuchtet (Kapitel 6.4). Dass Zeitungen die Nachrichten nur deshalb drucken, weil andere Zeitungen es auch tun und immer getan haben, wie Hans Joachim Schneider (1980: 127) behauptet, ist keine ausreichende Begründung. Auch seine Behauptung, die Zeitungen kämen in der Berichterstattung den Vorurteilen und Stereotypen ihrer Leser entgegen, um die Auflage zu steigern (vgl. SCHNEIDER 1980: 128), kann man nicht einfach verallgemeinern. Dann ist schon eher die Sichtweise akzeptabel, dass diese Art von Nachrichten den Lesern die Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem bewusst machen soll (vgl. SCHNEIDER 1980: 127) – früher fanden Hinrichtungen vor allem öffentlich statt, um durch diese schreckliche Bestrafung andere von kriminellen Taten abzuhalten (vgl. GOLDBERG 1998: 27). In diesem Kapitel wird ein Forschungsüberblick zu den journalistischen Auswahlkriterien gegeben und auf die Nachrichtenfaktoren eingegangen, die diese Auswahl beeinflussen können. Dabei wird möglichst auf Ergebnisse zu den Faktoren, die den Bereich der gewalthaltigen Nachrichten betreffen, eingegangen, um darzustellen, warum sich Journalisten für die Veröffentlichung solcher Ereignisse entscheiden könnten. Im weiteren Verlauf geht es dann um Studien, die sich mit dem Verhältnis der tatsächlichen zur berichteten Kriminalität beschäftigen.

Über den Autor

Katja Fischborn, Diplom-Journalistin, absolvierte nach dem Abitur ihr Volontariat beim Jeverschen Wochenblatt in Jever. Von 2002 bis 2006 studierte sie Journalistik und Politikwissenschaften an der Universität Dortmund. In dieser Zeit arbeitete sie als freie Mitarbeiterin u.a. in der Online-Redaktion der Rheinischen Post in Düsseldorf, für die Ruhr Nachrichten in Dortmund und die Welt Kompakt NRW in Düsseldorf. Seit ihrem Abschluss 2006 ist sie Lokal-Redakteurin beim Bocholter-Borkener Volksblatt in Bocholt.

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