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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Verhältnis zwischen Menschen und anderen Tieren hat zahlreiche Facetten, ist so alt wie der Mensch selbst und hat wiederum Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen. Eine strenge Hierarchie lässt den Menschen als legitimen Herrscher erscheinen und tradiert dieses Verhältnis zumeist unhinterfragt es wird im Rahmen der Sozialisation, unter anderem auch durch Sprache, fest in unseren Köpfen verankert. Als gewaltsames Herrschaftsverhältnis bietet das Verhältnis zwischen Menschen und anderen Tieren dabei Gewalt als ein legitimes Handlungsmittel an, welches zwar nicht auf Menschen übertragen werden soll, dessen bloße Existenz aber Modellcharakter für zwischenmenschliches Handeln haben kann. Ebenso haben friedliche Beziehungen zwischen Menschen zu anderen Tieren Modellcharakter. Viele Intellektuelle wie z. B. Immanuel Kant und Albert Einstein haben sich seit der Antike mit dem Verhältnis zwischen Menschen und anderen Tieren und dessen Einfluss auf den Menschen beschäftigt. Die meisten postulieren dabei ähnliche Zusammenhänge. Während gewaltsame Behandlung von nicht-menschlichen Tieren den Menschen verrohen lasse und seine Hemmschwelle zur Gewalt gegenüber anderen Menschen herabsenke, befördere der friedliche Umgang mit nichtmenschlichen Tieren ein friedliches zwischenmenschliches Miteinander. In der vorliegenden Studie betrachtet der Autor das Tier nicht aus der üblichen technisch-ökonomischen Perspektive, sondern wagt den seltenen Ansatz diese als Bedeutungsträger für den Menschen zu untersuchen. Er diskutiert dabei die folgenden Fragen: Kann eine friedliche und respektvolle Beziehung zu Tieren positive Auswirkungen auf ein zwischenmenschliches Miteinander haben? Haben gewalttätiger und verständnisloser Umgang mit ihnen negative Folgen für zwischenmenschlichen Umgang? Und was kann dies für globale Dimensionen bedeuten?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Begriffliche Unterscheidungen und daraus resultierende Konsequenzen: Nachdem Analogien und Unterschiede zwischen Menschen und anderen Tieren beleuchtet wurden, gilt es nun einen Blick auf unsere Sprache zu werfen, die nämlich jene Kluft wirkungsvoll zu vertiefen vermag. Viele auf nicht-menschliche Tiere bezogene Begriffe im Sprachgebrauch führen zu einer Entsubjektivierung von diesen und reduzieren sie rein auf die Funktion und den Wert, den sie für die Spezies Mensch haben. Ein Selbstwert wird ihnen damit abgesprochen: 'Nutzvieh' werden jene Tiere genannt, die hauptsächlich in einer Gesellschaft ausgebeutet werden in der deutschen Gesellschaft (wie in den meisten westeuropäischen und nordamerikanischen Industrienationen) also Hühner, Schweine und Rinder, manchmal auch Pferde. Während die Vorsilbe 'Nutz-' die nicht-menschlichen Tiere aus anthropozentrischer Sicht funktionalisiert, verbaut der stark abwertend konnotierte Begriff '-vieh' den Blick auf Individuen. Eben das geschieht, wenn Kühe und Bullen zum 'Rindviech' (vgl. im Engl.: cattle), Hühner und Hähne zum 'Geflügel' (vgl. im Engl.: poultry), Hirsche, Hasen, Wildschweine und viele mehr zum 'Wild' (vgl. im Engl.: game), Laster mit lebenden Schweinen zum 'Lebendfleischtransport' werden. 'Milchkühe', 'Mastsäue', 'Versuchskaninchen', 'Speisefische' und 'Legehennen' lassen eher einen individuellen Blick zu, reduzieren nicht-menschliche Subjekte aber ebenfalls auf bestimmte Funktionen für den Menschen. Gleichzeitig suggerieren diese Bezeichnungen eben diese Funktionstiere jeweils als factum brutum und nicht als menschengemacht was es für das jeweilige Tier bedeutet, eine 'Mastsau' oder eine 'Legehenne' zu sein ist irrelevant, sie sind es schlichtweg. 'Der Mensch ist funktional nicht definierbar. Doch auch Tiere sind es nur in den Augen und Ordnungssystemen des Menschen.' Kuh, Sau, Schwein, Rindviech, Ochse und dergleichen mehr – meist mit despektierlichen Adjektiven versehen – gelten als gängige Schimpfwörter und betonen die unterschiedlichen Wertigkeiten von Menschen und anderen Tieren macht man jemanden 'zur Sau', erniedrigt man ihn. 'Solange Artbezeichnungen als Schimpfworte Verwendung finden, wird es schwierig sein, unsere Gefühle der Überlegenheit und Verachtung 'dreckigen' und 'dummen' Nutztieren gegenüber abzubauen.' Auch Begrifflichkeiten zu potentiell Leid (vgl. Kapitel 4) verursachenden Vorgängen taugen zur Relativierung: Qualvolles Sterben wird zu 'Verenden' oder 'Eingehen', mit großem Unwohlsein einhergehende Zwangspaarung ('Vergewaltigung') zur 'Deckung', präventives und massenhaftes Totschlagen zur 'Keulung'. Weitere Hinweise auf die enorme Geringschätzung von nicht-menschlichen Tieren und die als legitim wahrgenommene Gewalt gegen sie bieten Phrasen wie 'Bluten wie ein Schwein', 'Abstechen wie eine Sau', 'abgeschlachtet' und 'behandelt wie ein Tier' zur Beschreibung von furchtbaren Taten an oder grausamen Umgang mit Menschen und 'Schlächter von...' als Bezeichnung für Kriegsverbrecher. Was bei Menschen als bestialisch wahrgenommen wird, gilt bei nicht-menschlichen Tieren als historisch normal. Es wird 'Empörung über die Behandlung von Menschen durch den bloßen Tiervergleich ausgelöst, während die gewalttätige Behandlung der Tiere nur die Kontrastfolie des Normalfalls bildet.' Die Soziologin Birgit Mütherich (1959-2011) erkannte in der Abgrenzung des Menschen von nicht-menschlichen Tieren dienenden Begrifflichkeiten einerseits einen Identitätsschutz,andererseits die Verlagerung von negativ empfundenen Ich-Anteilen nach außen, sowie abwertende Implikationen, die der eigenen (menschlichen) Aufwertung dienen. Auch in der Pädagogik kennen wir das Phänomen der Selbsterhöhung durch Fremderniedrigung, welches ein modellhaftes Vorbild im Verhältnis zu nicht-menschlichen Tieren haben kann. Birgit Mütherich betont die enorme Relevanz, die diese begrifflichen Unterscheidungen mit sich bringen, 'denn das Medium Sprache ist weltbildbildend und damit weltbildend. Indem sprachliche Kategorien und Verknüpfungen maßgeblich die Art der Wahrnehmung und Beurteilung von Individuen beeinflussen, kollektive Deutungsmuster generieren oder reproduzieren und schließlich – der Reflexion weitgehend entzogen – in gesellschaftliche >>Wahrheiten<< transformiert werden, sind sie konstitutiv für soziale Handlungsorientierungen und -muster.' Die vorgestellte Auswahl an Begrifflichkeiten und deren Einfluss auf menschliches Handeln zeigen, dass sie einen Einfluss auf die geistige Entwicklung von Menschen und ihrem daraus resultierenden Verhältnis zu nicht-menschlichen Tieren haben muss: Lerne ich von Anfang an, dass bestimmte Lebewesen minderwertig sind, sie nur zu einem bestimmten menschlichen Nutzen existieren und dass meine eigene Spezies in Relation viel höher wiegt und vergleichbare Akte, die bei Menschen als scheußlich und grausam wahrgenommen werden, bei ihnen normal und unbedeutend sind, so prägt sich dies massiv in meinem Weltbild ein und es kostet einen enorm hohen und sehr unbequemen Energieeinsatz, diese übernommenen Konventionen zu revidieren. So lässt sich z. B. erklären, dass im Frühling 1996 'die Nachricht von wenigen mutmaßlich durch den Verzehr von Rindfleisch erkrankten Creutzfeld-Jakob-Patienten die deutsche Bevölkerung weit mehr [erschreckten] als die mörderische Aussicht, 2.800.000 britische Rinder auf bloßen Verdacht hin zu schlachten und zu verbrennen.' Obwohl Precht hier den nach Sprachkonventionen unzulässigen Begriff 'mörderisch' auf nicht-menschliche Tiere anwendet (sie werden 'gekeult', höchstens 'getötet', aber keinesfalls 'ermordet'!), ist klar was er ausdrücken möchte: Eine potentielle, nicht genau untersuchte Gefahr fürs eigene Leben fällt wesentlicher schwerer ins Gewicht, als das gewaltsame Beenden von nahezu 3 Mio. Leben einer anderen Spezies, wobei ersteres letzteres rechtfertigt. Eine gefährliche Gedankenstruktur lässt sich hierin erkennen, wie auch Albert Schweitzer (1875-1965) befindet: 'Im Gefolge dieser Unterscheidung kommt dann die Ansicht auf, dass es wertloses Leben gäbe, dessen Schädigung und Vernichtung nichts auf sich habe. Unter wertlosem Leben werden dann, je nach den Umständen, Arten von Insekten oder primitive Völker verstanden.' Schon die Begrifflichkeiten zeigen neben dem Umgang mit nicht-menschlichen Tieren, dass gewalttätige Strukturen und Handlungen an sich als erfolgreiche Handlungsstrategien legitimiert werden, wenngleich stets die Prämisse gelehrt wird, diese nicht auf Menschen zu übertragen. Als unter bestimmten Umständen adäquate, mögliche Handlungsalternativen sind sie damit dennoch gesellschaftlich verankert. Trotz der eingangs postulierten Versachlichung von nicht-menschlichen Tieren durch Sprache scheint Folgendes zu gelten: 'Während sich Menschen gegenseitig zu Objekten degradieren, dehumanisieren und verdinglichen könnten wie z. B. im Rassismus, sei dies bei Tieren unmöglich, 'weil nichtmenschliche Tiere schon von vornherein den Objekt-Status haben/ entmenschlicht sind, d.h. sie müssen erst gar nicht objektiviert werden. Sie sind sozusagen andere Andere – ihre Unterdrückung ist ein Gemeinsinn.'' Der große Einfluss von Sprache auf unser Denken und Handeln ist kaum zu unterschätzen er wirkt seit frühester Kindheit und prägt damit sogar gesellschaftliche Haltungen. Dieser Gedanke wird in Kapitel 5 erneut aufgenommen. Zunächst sollen aber entscheidende Aspekte des Wesens von nicht-menschlichen Tieren beleuchtet werden.

Über den Autor

Robert Pilgrim, M.Ed. wurde 1987 in Neustadt, Holstein geboren. Er befasste sich schon früh mit dem Verhältnis von Menschen und Tieren und untersuchte dessen Verbindungen in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen und Verhaltensweisen. Viele philosophische Überlegungen, soziale Ablehnung und bisweilen leidenschaftliche Diskurse ließen ihn vertiefte Einblicke in die Zusammenhänge von der Welt des industrialisierten Systems, der Ausbeutung von nicht-menschlichen Tieren und sozialer Tradierung gewinnen. Sein Studium der Sonderpädagogik wurde von theoretischen und praktischen Erfahrungen in der Tierrechtsarbeit begleitet.

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