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Gesellschaft / Kultur

Manfred Klein

Antizipation und Noch-Nicht-Sein - Zum Heimatbegriff bei Ernst Bloch

ISBN: 978-3-95425-562-7

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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 216
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Jeder versteht sicherlich unter ‘Heimat’ etwas anderes und in der Geschichte Deutschlands ist dieser Begriff durchaus vorbelastet. In der Philosophie ein Randbegriff, der bis jetzt kaum Beachtung fand. Völlig zu Unrecht, wie diese Studie eindrucksvoll belegt. Sie befasst sich mit dem Phänomen ‘Heimat’ in historischen und gesellschaftlichen Kontext sowie dem Heimatbegriff von Ernst Bloch. Dabei ist es wichtig das antizipierende Bewusstsein und die Ontologie des Noch-Nicht-Seins auszuleuchten, ergänzt wird dies mit Blochs Überlegungen um die Ästhetik des Vorscheins. Ausgegangen wird dabei vom Alltagsphänomen ‘Heimat’ unter der Berücksichtigung anderer wissenschaftlicher Ergebnisse bevor die Philosophie Ernst Blochs in diesem Kontext betrachtet wird. Dieser scheint den Heimatbegriff im Sinne eines metaphysischen Telos zu verwenden, aber was bedeutet dies für seine Philosophie? Wie korreliert der Heimatbegriff im Allgemeinen mit dem von Bloch? Diesen Fragen gilt es nachzugehen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5, Das antizipierende Bewusstsein: Im Titel dieser Arbeit heißt es: ‘Die Heimat ist die Manifestation des Noch-Nicht.’ Woher weiß aber der Mensch, dass es eine solche überhaupt geben kann, wenn sie noch nicht eingetreten ist? Wie kann der Mensch um den Inhalt der Heimat etwas wissen, obwohl sie im ‘Jetzt und Hier’ noch gar nicht vorhanden ist? Blochs Vorüberlegungen dazu basieren auf Freuds psychoanalytischer Konzeption und auf dessen Traumdeutung. Diese beschäftigt sich mit den Träumen, die als versteckte, unterschwellige, unbewusste Wünsche auftauchen können. Damit stützt Bloch sich anthropologisch auf die Philosophen unmittelbar vor Freud: Schopenhauer, Feuerbach und Nietzsche und den Psychologen Alfred Adler. Sie arbeiteten das Triebhafte im Menschen heraus. Freuds Psychoanalyse basierte auch auf deren jeweiligen Überlegungen. 5.1, Triebe und Affekte: Zunächst ist zu fragen, wie das Bewusstsein überhaupt entsteht. Eine mögliche Antwort darauf findet sich im Materialismusproblem. Bewusstsein entsteht aus dem Sein als bewusstem Sein, in dem sich das Sein als organisches sich reflektiert. Dies macht die Materie als gebärender Schoß. ‘Das Sein reflektiert sich hier aber mit einem so starken Umschlag aus Gehirn zur sogenannten Seele, dass zum üblicherweise materiell genannten Sein ein Riß zu bestehen scheint.’ Die Theorie des antizipierenden Bewusstseins legt Bloch anthropologisch dar, in der ‘[d]er Mensch als ziemlich umfängliches Triebwesen’ bestimmt wird. Besonders im ökonomischen Kontext bildete sich der Selbsterhaltungstrieb aus. Darüber hinaus entstanden durch die kapitalistische Ordnung, d. h. durch Monopole ein abstrakter ‘Rekordtrieb zum Zweck der Anpeitscherei [..] denn sonst wäre der Maximalprofit nicht so rasch aus den Arbeitern auspreßbar’ . Ferner unterliegt der Mensch, nach Freud, dem geschlechtlichen und dem Todestrieb. Insgesamt lässt sich sagen: ‘der Mensch ist ein ebenso wandelbares wie umfängliches Triebwesen, ein Haufe von wechselnden Wünschen und meist von schlecht geordneten’. Trotz dieser etwas negativ klingenden Einschätzung, kann ein Staunen darüber einsetzen: ‘Leicht ist zu sagen, was man jetzt und nachher will. Aber niemand kann angeben, was er überhaupt will, in diesem doch so sehr zweckhaften Dasein. Mich wundert, daß ich fröhlich bin! sagt ein alter Türspruch.’ Der gefühlte Trieb wird zu einer Gemütsbewegung, einem Affekt. Dieser bezieht sich auf die Zeit und kündigt eine Antizipation an. ‘Erwartungsaffekte verhalten sich zu einem aktuell noch nicht gegebenen etwas, halten sich offen für Neues, noch nicht Dagewesenes, für wirkliche Zukunft.’ Bloch unterscheidet echte und unechte Zukunft. Unechte Zukunft ereignet sich in allen regelmäßigen Tätigkeiten und Ereignissen: z. B. Schlafen, Frühstücken, zur Arbeit gehen, der Aufgang der Sonne. ‘In echter Zukunft liegt dagegen alles Neue kraft Veränderung, als das noch nicht Erschienene, freilich Erscheinungsmögliche, das heißt in der Tendenz Angelegte.’ Angst, Furcht und Hoffnung sind Neues in einer noch ungewissen Möglichkeit, die sich einstellen aber auch ausbleiben kann. Den Selbsterhaltungstrieb des Menschen bezeichnet Bloch als ‘Hunger’. Die Erwartung steigert Selbsterhaltung zur Selbsterweiterung und damit zur Wunscherfüllung. Diese Selbsterweiterung kann sich wie folgt zeigen: das Nein zum vorhandenen Schlechten, das Ja zum vorschwebenden Besseren wird von Entbehrenden ins revolutionäre Interesse aufgenommen. Unterdrückungen und Erniedrigungen der Menschen gilt es zu überwinden, d. h. diese Verhältnisse müssen verändert werden. 5.2, Differenz Nachttraum - Tagtraum: Alle Erwartungshaltungen, die dargestellt wurden, weiten sich auch auf die Träume der Menschen aus. Dabei gilt es jedoch zu unterscheiden: ‘ein Unter - Bewußtes, das Nicht - Mehr - Bewußte des Nachttraums, und ein Über - Bewußtes, das Noch - Nicht - Bewußte des Tagtraums.’ Bloch klassifiziert die Traumdeutung Freuds, als eine reine Beschäftigung mit den Nachträumen, der Anamnesis von Nicht-Mehr-Bewusstem, welches bei gemilderter Zensur des Ichs im Bewusstsein auftaucht. Damit aber verschließt sich die Traumdeutung gegen das Neue einer echten Zukunft. Nur in Tagträumen ist es möglich, das Noch - Nicht - Bewusste in das Bewusstsein zu holen. Das Verständnis von den Tagträumen fasst Bloch sehr weitreichend, wenn er sagt: Er [der Tagtraum] begibt sich [..] auf eine tunlichst ungehemmte Fahrt nach vorwärts, derart daß statt eines wieder rezent werdenden Nicht - Mehr-Bewußten Bilder eines Noch - Nicht in Leben und Welt heraufphantasiert werden können. Jedenfalls werden Fluchtträume errichtet, auf Spaziergängen oder in ruhigen Pausen bezogen. Oft windige, weil da ja nicht mit viel Überlegung des Drum und Dran gebaut wird, oft ausschweifend kühne und schöne, weil die Baukosten bei Luftschlössern keine Rolle spielen. Mit dieser breiten Fassung des Gebietes Tagträume deckt Bloch einen großen Bereich der Erwartungsaffekte ab und erwähnt betont gleichsam die Freiheit gegenüber dem Nachttraum. Vor allem bleibt das Ich erhalten. In der Tat erhält es sich nicht nur, es erhöht sich sogar: Im Tagtraum erfüllt sich das Ich-Ideal den Raum der Subjektivität des in der Wirklichkeit eventuell auch noch so armseligen Menschen und verleiht ihm Bedeutung, Größe und Glanz. Erträumt von dem, was er sein und haben will. Die Tagträume zielen auf sinnlich konkrete Erfüllung in der Wirklichkeit, dies betont Bloch gegen Freud nachdrücklich. Hier liegt die stichhaltigste Kritik an Freud zu Grunde. ‘Bei Freud erscheint die Realität allemal als unveränderliche, und sie erscheint als die mechanische, im Einklang mit dem Weltbild des vergangenen Jahrhunderts.’ Die Realität erscheint bei Freud restriktiv Bloch will aber ihre unleugbare Wunschfeindlichkeit auf die Mängel in der Gesellschaft und der Natur im gegenwärtigen Zeitpunkt einschränken. Dazu beitragen wird die Kategorie Möglichkeit und sein Begriff des utopischen Realismus, denn die Beschränkung seitens der Wirklichkeit will Bloch immer weiter hinausgeschoben wissen. ‘Der Tagtraum ist gleichermaßen Vorstufe für die Kunst und die Gesellschaftsveränderung der innere Zusammenhang ist durch den Prozeßcharakter der Realität gegeben.’ Der Tagtraum birgt damit das entscheidende Moment der ‘Weltverbesserung’. Die Rolle der Prozesshaftigkeit in der Philosophie Blochs wird noch genau aufzuzeigen sein. Der Tagtraum ist sinnlich-tätige Erkenntnis und keine ‘künstlerische Tätigkeit’ nach dem ‘Feierabend’ zur Erhöhung des Freizeitwertes und er ist kein diffus-zielloses Kreativitätstrainig. Jegliche Tagfantasie kann zum Noch – Nicht -Bewussten führen und somit in die Realität gelangen. Bloch gibt sich große Mühe, immer wieder den antizipatorischen Charakter des Tagtraums gegenüber dem Nachttraum, der in das Vergangene reicht, herauszustellen. Der Tagtraum hat aber eine weitere, wichtige Funktion: er wird als Vorstufe zur Kunst, wie bereits erwähnt, bestimmt. An dieser Stelle ist der engste Berührungspunkt zwischen Freud und Bloch, denn er konzediert, dass Freud hier die Wahrheit des Utopisch-Kreativen streift. Bloch äußert sich jedoch auch kritisch: ‘Völlige Deckung ist selten, wahrscheinlich noch nie eingetreten. Im Traum von etwas, bevor das Herz sich labt, war’s besser oder schien so.’ Ist der Traum erfüllt so endet das Hoffen. Die Erfüllung des Traums muss nicht immer das gewünschte Ergebnis bringen. Bloch scheinen hier durchaus Zweifel an seinem Konzept aufzukommen. Wunsch und eingetretenes Ereignis decken sich demnach nie.

Über den Autor

Manfred Klein wurde 1965 in Gießen geboren. Er schloss sein Studium in Philosophie, Germanistik und Erziehungswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen mit einer Dissertation ab und ist derzeit in der Erwachsenenbildung tätig. Interessengebiete des Autors sind neben Philosophie der Lebenskunst, Metaphysik und Religionsphilosophie auch das Denken Ernst Blochs, woraus dieses Buch resultierte.

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