Suche

» erweiterte Suche » Sitemap

  • Sie befinden sich:
  • Fachbücher
  • »
  • Pädagogik & Soziales
  • »
  • Verkehrs- und Mobilitätserziehung in der Grundschule: Didaktische und methodische Hinweise sowie Erkenntnisse über Schul- sowie Freizeitwege der Grundschüler

Pädagogik & Soziales


» Bild vergrößern
» weitere Bücher zum Thema


» Buch empfehlen
» Buch bewerten
Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 136
Abb.: 21
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Während vor 100 Jahren die Menschen ausschließlich durch eigene Erfahrungen allmählich in die Verkehrsstruktur hineingewachsen sind, so bedarf es heute, auf Grund des immer dynamischeren, komplexeren und somit gefährlicheren Verkehrsaufkommens, eine gezielte pädagogische Hinführung, die die Schule, hier insbesondere der Sachunterricht der Grundschule, für die Gesellschaft zu leisten hat: Der Verkehrsunterricht hatte in dieser Erkenntnis seinen Ursprung. Die Anforderung der Gesellschaft an die Schulen ist, die Kinder auf das Leben mit all seinen Herausforderungen vorzubereiten. Dieses Buch beschreibt zum einen den Wandel der Verkehrs- hin zu einer aktuellen, dem globalen und dynamischen Weltbild gerechten Mobilitätserziehung, geht auf historische Wendepunkte ein und findet eine Vereinbarkeit zwischen Kind, Sache sowie Didaktik der Grundschule. Es stellt Aufgaben und Ziele der neuen Mobilitätserziehung heraus, geht auf die kindlichen Lernvoraussetzungen ein und zeigt mit Hilfe des ‘Mobilitätsbuch-Projektes’ einen möglichen Weg der didaktischen Aufbereitung im Sachunterricht. Ferner werden die Ergebnisse einer Untersuchung über das Schul- und Freizeitwegeverhalten von Grundschülern einer vierten Klasse präsentiert sowie analysiert.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Verkehrs- und Mobilitätserziehung in der Grundschule: 3.1, Die historische Entwicklung der Verkehrs- und Mobilitätserziehung: Die Entwicklung des motorisierten Verkehrs unterliegt seit mehr als 100 Jahren dynamischen Veränderungsprozessen, bedingt durch die Individualisierung und Pluralisierung der gesellschaftlichen Lebensstile. Diese Entwicklung repräsentiert die Widersprüchlichkeit und Vielfalt der Lebenswirklichkeit. Zum einen steht die Mobilität für die Bewegungsfreiheit der Individuen. Ob im Urlaub, am Wochenende oder beim Einkaufen, durch die Selbstbestimmtheit des Menschen sowie die sich entwickelnde Vielfalt und Verbesserung der Fortbewegungsmittel können wir viele Wünsche realisieren. ‘Reisen bildet, macht Spaß, macht weltoffen, tolerant und verständnisvoll. Mobilität vernetzt die Menschen global’ (Siller & Lahr, 2003, S. 38). Dennoch existieren neben vielen positiven Aspekten auch einige Nachteile. Die Bewegungsfreiheit hat ihren Preis, Mobilität heißt Verkehr und damit massiver Ausstoß von CO2 und anderen Abgasen. Unfälle, Kosten für Bau und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur, Zerstörung von natürlichen Lebensräumen, Staus und Lärm bedeuten einen Verlust der individuellen Lebensqualität in den Städten und Regionen. Ein Patentrezept für dieses Dilemma existiert nicht, dennoch kann dieses Problem begrenzt werden (vgl. Siller & Lahr, 2003, S. 38). Eine wichtige Präventivmaßnahme ist die Verkehrserziehung in den Grundschulen. Die Geschichte des motorisierten Verkehrs korrespondiert eng mit der Geschichte der Verkehrserziehung: Das Fachgebiet musste sich den dynamischen Veränderungsprozessen und dem steigenden Verkehrsaufkommen anpassen und wurde immer wieder modifiziert: ‘Je mehr der motorisierende Straßenverkehr expandiert, desto spezieller muss sich die Verkehrserziehung darauf einstellen, um die Schüler auf die Möglichkeiten und die Gefahren dieser Lebenspraxis vorzubereiten und auszubilden’ (Siller & Lahr, 2003, S. 38). In der Fachliteratur werden die beiden Begriffe ‘Verkehrserziehung’ sowie ‘Mobilitätserziehung’ verwendet. Worin besteht der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen? Spitta gibt folgende Antwort: ‘Vordergründig handelt es sich nur um verschiedene Begriffe, die in der Regel sogar synonym gebraucht werden. […] Tatsächlich ist jedoch mit der Einführung des Begriffes Mobilitätserziehung von vielen Fachleuten auch ein Richtungswechsel und eine Abgrenzung von der traditionellen Verkehrserziehung intendiert gewesen (Spitta, 2005, S. 8).’ Somit werden für das Konzept der Mobilitätserziehung neue Aspekte in die traditionelle Verkehrserziehung integriert, weshalb in dieser Arbeit für die heute praktizierte Verkehrserziehung der Begriff ‘Mobilitätserziehung’ verwendet wird. Um die Entwicklung von der Verkehrserziehung zu einer umfassenderen Mobilitätserziehung nachvollziehen zu können, muss in die Geschichte der Verkehrserziehung zurückgegangen werden, die sich in folgende Zeitabschnitte einteilen lässt: 1) Verkehrserziehung bis 1972, 2) Entwicklungen ab der Kultusministerkonferenz 1972, 3) Entwicklungen ab der Kultusministerkonferenz 1994: Von der Verkehrs- zur Mobilitätserziehung. 3.1.1, Entwicklungen der Verkehrserziehung bis 1972: ‘Die Anfänge des motorisierten Straßenverkehrs im 19. Jahrhundert haben eine Entwicklung eingeleitet, durch die bis heute Kommunikation und Mobilität- die Grundlagen jeder Gemeinschaftsbeziehung- in einer Weise entwickelt und revolutioniert wurden, für die es nur wenige Beispiele gibt’ (Koch & Walter, 1978, S. 16). Obwohl in zwei Jahrhunderten motorisiertem Verkehr bahnbrechende Erfolge gelungen sind, sahen die Anfänge eher bescheiden aus. So entwickelte Cugnot im Jahr 1769 ein mit Dampf betriebenes Straßenfahrzeug, den Dampfwagen. Doch er stieß auf unüberwindbare technische Probleme, so dass sich diese Erfindung nicht durchsetzen konnte. Einen Meilenstein in der Entwicklung von Automobilen wurde erst mit der abgeschlossenen Entwicklung der Explosions- und Verbrennungsmotoren erreicht, und zwar durch Lenoir (1860), Otto und Langen (1877) sowie Diesel (1893-1897) (vgl. Koch & Walter, 1978, S. 16). Mit Hilfe dieser Motoren wurden bald die ersten Straßenfahrzeuge in Deutschland betrieben, die Motorwagen von Benz (1884/1885) und Daimler (1885), sowie die Opel- Patent- Motorwagen (1898). Je mehr Automobile auf den Markt kamen, umso deutlicher stellten sich die Unzulänglichkeiten der damaligen Verkehrsbedingungen heraus. Besonders die Verkehrswege sowie die Verkehrsregelung konnte den neuen, deutlich höheren Ansprüchen nicht mehr genügen. Während die Verkehrswege jedoch verhältnismäßig schnell ausgebaut werden konnten, stellte die Planung einer dem motorisierten Verkehr angepassten Straßenverkehrsordnung die Verantwortlichen vor völlig neue Herausforderungen. Mit dem ‘Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen’ vom 3.5.1909 wurde die erste Straßenverkehrsordnung verabschiedet (vgl. Koch & Walter, 1978, S. 17). Neben technischen Fragen beinhaltete das Gesetz auch Regeln, die einen konfliktfreien Ablauf des Verkehrs gewährleisten sollten (vgl. Spitta, 2005, S. 10). Diese neue Ordnung musste nun den Verkehrsteilnehmern vermittelt werden. Die ersten Ansätze einer Verkehrserziehung lagen also im Bereich der Straßenverkehrsordnung, lange, bevor die ersten pädagogischen Ansätze existierten. Die Vermittlung der aufgestellten Verkehrsregeln an die Verkehrsteilnehmer hatte höchste Priorität, da man glaubte, Unfälle resultieren monokausal aus der Nichtbefolgung der geschaffenen Regeln. In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es zum ersten Mal Bestrebungen, Verkehrserziehung auch in den Schulen zu praktizieren, beispielsweise forderte dies der ‘Deutsche Schutzverband für Kraft und Verkehr’ im Jahr 1925. Bald darauf finden sich in den Erlassen und Richtlinien der zuständigen Ministerien Vorschriften, die Schulen für die Belange der Verkehrserziehung zu nutzen. 1938 wurde das erste Buch ‘Der Lehrer als Verkehrserzieher’ von Karl Böhm veröffentlicht (vgl. Koch & Walter, 1978, S. 17). Dennoch wuchsen Gefahren und Risiken des neuen motorisierenden Verkehrs enorm. Bereits im Jahr 1950 kamen in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 50.000 Menschen durch Verkehrsunfälle ums Leben, darunter hauptsächlich Radfahrer, Fußgänger und Kinder (Vgl. Siller & Lahr, 2003, S. 39). Diese erschreckend hohe Zahl erforderte einen sofortigen Handlungsbedarf. Aufgrund mangelnder Konzepte wurde auf Gesetze und Verordnungen des Dritten Reiches zurückgegriffen: ‘Zur Leitlinie wurde die Anpassung und Unterordnung aller Verkehrsteilnehmer unter die Straßenverkehrsordnung und damit des nichtmotorisierten Verkehrs unter den Kraftverkehr’ (Siller & Lahr, 2003, S. 39). Diese gesellschaftlichen Regeln schlugen sich dementsprechend in der Verkehrserziehung der 50er Jahre nieder. Höchstes Bildungsziel in den Schulen war die Kenntnis des Straßenverkehrsrechts sowie dessen Einhaltung. Die Methode, um dieses Ziel zu erreichen, orientierte sich an Negativbeispielen sowie Abschreckung: Drastische Schilderungen von Unfällen und Androhen strafrechtlicher Konsequenzen von falschem Verhalten bestimmten den Unterrichtsalltag in der Verkehrserziehung (Vgl. Siller & Lahr, 2003, S. 39). Der Verkehrsunterricht bestand hauptsächlich aus Belehrungen, Ermahnungen und Unterweisungen. Das Lernen von Regeln und Vorschriften stand absolut im Vordergrund. Dies belegen u.a. die Überlegungen von Wilhelm Vonolfen, der 1957 über Kinderaktivitäten im Verkehr schrieb: ‘Spiele, bei denen Kinder laufen oder rennen, z.B. alle Fangspiele, Reifentreiben, Fußballspiele usw. müssen auf den Gehwegen unterbleiben, weil sie den reibungslosen Ablauf des Verkehrs stören. […] Nachdrücklichst sind Kinder darauf hinzuweisen, daß Spielen auf der Fahrbahn grundsätzlich untersagt ist’ (Vonolfen, 1957, S. 49). Der Grundstein für die spätere Verdrängung von Kindern aus dem öffentlichen Raum und ihre Verbannung in umzäunte Spielplätze oder pädagogisch begleitende Situationen war hiermit gelegt. Doch bald setzte sich die Erkenntnis durch, dass Wissen und Können alleine nicht ausreichen, um ein angemessenes und risikoarmes Verkehrsverhalten zu erzielen. Die Wichtigkeit charakterlicher Dimensionen rückte immer weiter in den Diskussionsvordergrund: ‘Es kommt vielmehr darauf an, daß der Verkehrsteilnehmer das, was er weiß und kann, nun auch mit unfehlbarer Sicherheit tut. Und das ist eine Frage seiner charakterlichen Wertigkeit und Aktivität. Die Charakterbildung ist daher die primäre und unabdingbare Voraussetzungen für alle Verkehrsunterweisungen’ (Vonolfen, 1957, S. 15). 1952 forderte der damalige Bundesverkehrsminister Seebohm die Einführung des Schulfaches ‘Verkehrskunde’ und heizte damit eine Diskussion über Charaktererziehung an: Ist dies wirklich Aufgabe der Schule, oder bleibt diese Aufgabe den Familien vorbehalten? Im Jahre 1956 setzte sich auf einer Tagung die Erkenntnis durch, dass Charakter- und Gesinnungsbildung eine notwendige Bedingung für eine effektive Verkehrserziehung darstellt. Künftig sollten Unterrichtinhalte, welche Wissen über die Verkehrsregeln und Verkehrsschilder vermitteln, mit der Charaktererziehung und Verkehrsdisziplin verknüpft werden (vgl. Siller & Lahr, 2003, S. 39). Die Verkehrserziehung begann hier, das Vermittlungsziel mehr perspektivisch anzugehen. In den 60er Jahren erhöhten sich die Unfallzahlen allerdings weiter. Die politische Diskussion über Verkehrssicherheit spitzte sich zu und die bis dahin praktizierte Verkehrserziehung wurde heftig kritisiert. So wurde ‘gerade die enge Fixierung auf die Unfallstatistik und der Versuch, sie kurzfristig ‘positiv’ zu verändern, zum Hauptbeispiel und zum Hauptargument für die Kritik, Verkehrspädagogik sei bisher unpädagogisch gewesen’ (Koch & Walter, 1978, S. 28). Die Verkehrspädagogen argumentierten gegen, dass eine angemessene pädagogische Bemühung nicht kurzfristig Unfallstatistiken senken kann und die Beeinflussung des Verkehrsverhaltens ein langfristiger Prozess ist, deren Erfolg nicht kurzfristig statistisch nachgewiesen werden kann. Eine wichtige Konsequenz der Debatten ist der Hauptgedanke, dass Verkehr, insbesondere der Straßenverkehr, nicht ausschließlich als Ausnahmesituation, sondern als bedeutsamer Teil der menschlichen Lebenswirklichkeit betrachtet werden muss und Verkehr in seiner Komplexität Berücksichtigung finden muss (vgl. Holstein, 1976, S. 41).

Über den Autor

Sarah Weihrauch wurde 1988 in Dorsten, Nordrhein-Westfalen geboren. Ihr Studium der Germanistik, Pädagogik sowie des Sachunterrichts schloss sie im Jahr 2012 erfolgreich mit dem Grad des Masters of Education ab. Ihr Interesse für die Didaktik des Sachunterrichts und ihre Lehrerfahrung motivierten sie dazu, dieses Buchprojekt zu starten. Sie arbeitet heute als Grundschullehrerin an einer Grundschule in Duisburg.

weitere Bücher zum Thema

Zur Qualität der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Trägern der freien Jugendhilfe und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe

Eine Analyse des Zusammenhangs von Förderung und Partnerschaft

ISBN: 978-3-96146-968-0
EUR 49,50

Prävention sexualisierter Gewalt. Kompetenzentwicklung im Rahmen des Religionsunterrichts

Aspektorientierte Analyse der Problematik, christliche Perspektiven und Unterrichtsansätze

ISBN: 978-3-96146-947-5
EUR 39,50


Bewerten und kommentieren

Bitte füllen Sie alle mit * gekennzeichenten Felder aus.