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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Im psychiatrischen Kontext rückt der Partizipationsgedanke, der durch die UN-Behindertenrechtskonventionen deutlich an Aktualität gewinnt, immer stärker in den Vordergrund. Neben dem Werkstattrat und dessen Vertretern in den einzelnen Einrichtungen, existieren bisher nur wenige Partizipationsmöglichkeiten im Rahmen der beruflichen Rehabilitation in Werkstätten für Menschen mit psychischer Erkrankung. Aus dem humanistischen Grundverständnis ergibt sich, dass jedem Menschen, über den eine Entscheidung getroffen wird, mindestens die Möglichkeit gegeben werden sollte, in die Entscheidungsfindung einbezogen zu werden, was auch der Slogan Nichts über uns ohne uns der beteiligten Betroffenenvertreter der UN-Behindertenrechtskonvention verdeutlicht. Basierend auf dieser Forderung liegt der Fokus dieses Buches auf der Partizipation im Bereich Arbeit in Werkstätten für Menschen mit psychischer Erkrankung und kreist um die Frage, welche partizipativen Instrumente und Prozesse bereits ihre Anwendung finden und inwieweit sich Verbesserungspotentiale unter der Berücksichtigung des Partizipationsgedankens ergeben. Darüber hinaus soll dargestellt werden, wie der Partizipationsgedanke im Bereich Arbeit und Beschäftigung durch die Einführung personenzentrierter, einrichtungsübergreifender und partizipativer Hilfe- oder Teilhabeplanungsinstrumente ausgebaut werden könnte.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.7, Gesellschaftliche Verantwortlichkeit: Die UN-BRK verpflichtete den Staat zur Einhaltung und Umsetzung der Partizipation von Menschen mit Behinderung. Zivilgesellschaftlichen Organisationen werden aufgefordert, Menschen mit Behinderungen und die sie vertretenden Organisationen an der Umsetzung und der Überwachung der Konvention eine aktive Mitwirkung zukommen zu lassen. Menschen mit Behinderungen sollen ihre Rechte und Interessen selbst vertreten können. Alle Organisationen und Dienste stärken ihre Glaubwürdigkeit, sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einzusetzen, indem sie selbst in ihren Zielen, Strukturen und Programmen partizipativ arbeiten und ihre Handlungsweisen mit den Zielen und Grundsätzen der UN-Konvention vereinbar machen. Neue Konzepte sollten grundsätzlich partizipativ gestaltet sein. Menschen mit Behinderung organisieren die Interessensvertretung von Menschen mit Behinderung. Ihnen sind die Rechte und Interessen von Menschen mit Behinderung bestens bekannt, so dass es besser gelingt diese gesellschaftlich voranzubringen. Wesentlich für die Selbstvertretung ist, dass behinderte Menschen die Organisation tragen und lenken und damit Ausrichtung, Programme und Arbeitsweise selbst bestimmen. Im Rahmen der organisierten Zivilgesellschaft wäre es partizipativ, die in der Satzung geregelten Interessen und Ziele behinderter Menschen in Deutschland zu vertreten und diese von Menschen mit Behinderung leiten zu lassen. Vor dem Hintergrund der UN-BRK ist es geboten, dass auch diese Organisationen ihren Beitrag zur Umsetzung der Konvention, insbesondere in Bezug auf die Partizipation, leisten. Die Zivilgesellschaft, die sich nicht vorrangig mit den Belangen von Menschen mit Behinderung beschäftigt, trägt ebenfalls Verantwortung, sich dafür einzusetzen, dass Menschen mit Behinderungen voll, wirksam und gleichberechtigt in der Gesellschaft partizipieren können. Die Konvention stärkt ausdrücklich die gesellschaftliche Funktion von Menschen mit Behinderung sich für zahlreiche Anliegen politisch zu engagieren und sich auf diesem Weg auch für die Belange von Menschen mit Behinderung einzusetzen. 4.8, Resümee in Bezug auf die Aufforderung zur Partizipation in der UN-Behindertenrechtskonvention: Abgeleitet aus diesen Forderungen der UN-BRK in Bezug auf Institutionen und Dienste kommen der Gemeindepsychiatrie große Verantwortung und Vorbildfunktion zu. Wer-wenn-nicht sie müsste mit gutem Beispiel voran gehen und Partizipation sozialen Institutionen und der Zivilgesellschaft vorleben. Mit partizipativem Beispiel voran zu gehen bedeutet im Kontext der UN-BRK, Betroffene an allen Gremien innerhalb der Gemeindepsychiatrie Zugang und Mitbestimmung einzuräumen. Das heißt, Stabsstellen, die zum Wohle von Betroffenen eingerichtet werden (z.B. Beschwerdestelle), auch von Betroffenen ausführen zu lassen. Auch so könnten neue Möglichkeiten der Beschäftigung ins Leben gerufen werden. Die Beteiligung von reflektierten Betroffenen in Ex-In-Projekten im Rahmen der Gemeindepsychiatrie (z.B. öffentliche Psychoedukationsgruppen) wäre unumgänglich, ebenso wie regelmäßig stattfindende Selbsthilfegruppen und Psychoseseminare zur Förderung des Trialogs. Es wäre wünschenswert, mehr darüber zu wissen, was Betroffene eigentlich selbst wollen und als hilfreich erleben. Hierzu wären Nutzerbefragungen sicherlich zielführend. Wer, wenn nicht die Betroffenen selbst wissen was gut für sie ist und was nicht. Partizipationsfördern wäre auch die Beteiligung des Bereichs Arbeit und Beschäftigung an einer einheitlichen, institutionsübergreifenden und personenzentrierten Hilfe- oder Teilhabeplanung mit der Fallvorstellung in einer Hilfe-oder Teilhabekonferenz. Es ist wichtig sich vor Augen zu führen, dass es bei der Ermöglichung von Teilhabe nicht darum geht, Betroffenen die Teilhabe am normalen gesellschaftlichen Leben pädagogisierend aufzudrängen, so als sei dies in jedem Fall eine Bedingung für Lebensqualität und Gesundheit. Im Einzelfall kann das Gegenteil – nämlich Rückzug und Verweigerung – die gesündere Alternative sein. Es geht darum, Hindernisse zur Teilhabe zu beseitigen und passende Angebote zu unterbreiten, um Teilhabekompetenzen zu vermitteln. Erstes Prinzip muss die Absicherung von Selbstbestimmung bleiben, wozu die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Wirklichkeitskonstruktionen und Lebensentwürfen gehört. Gemeindepsychiatrie schafft aus dieser Sicht die Grundbedingung für eine solche Wahlfreiheit, indem sie aktive Ausgrenzung gegen den Willen Betroffener verhindert und die Frage stellt: Wie möchten Sie leben? Um mit gutem Beispiel in Bezug auf Partizipation voran zu gehen, muss die Gemeindepsychiatrie Voraussetzungen für die Partizipation aller BürgerInnen in der Gemeinde schaffen. Zur Beförderung diese Öffnung gibt es sicherlich viele Ansätze, die über den bloßen Appell hinausgehen. Partizipation setzt Informiertheit voraus und das heißt wiederum, dass es ein institutionalisiertes Forum geben sollte, das regelmäßig über die kommunale Entwicklung der Gemeindepsychiatrie informiert. Eine gute Berichterstattung kann dieses Informationserfordernis und -bedürfnis befriedigen und stellt damit ein wichtiges Bindeglied zwischen Psychiatriegemeinde und Bürgergemeinde dar. Eine gemeindepsychiatrische Berichterstattung ist eine gute Grundlage für Öffentlichkeitsarbeit und Politikberatung, sie löst Reaktionen aus – ob nun Zustimmung oder Widerspruch, was weiterführende Kommunikationsprozesse in Gang bringt.

Über den Autor

Judith Ommert, M.A., Jahrgang 1985. Nach dem Abschluss ihrer Berufsausbildung als Medizinische Fachangestellte begann die Autorin 2005 ihr Studium der Sozialen Arbeit an der Hochschule Fulda. Bereits in ihrem Grundstudium legte sie ihren Studienschwerpunkt auf die Arbeit mit Menschen mit psychischer Erkrankung. Das Studium der Sozialen Arbeit schloss sie mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts im Jahr 2008 erfolgreich ab. Ihr Anerkennungsjahr absolvierte die Autorin als koordinierende Bezugsperson in einer Tagesstätte für Menschen mit psychischer Erkrankung. Anschließend wechselte sie in den Sozialdienst zweier Werkstätten für Menschen mit psychischer Erkrankung. Seit Beginn ihrer Tätigkeit im Sozialdienst ist sie auch als Kooperationsmitglied einer Rehabilitation psychisch Kranker (RPK) tätig und war am Aufbau der integrierten Versorgung Psychiatrie in ihrem Landkreis beteiligt. Neben ihrer Vollzeittätigkeit begann die Autorin mit dem berufsbegleitenden Master-Studiengang der Gemeindepsychiatrie an der Hochschule Fulda, den sie im Sommer 2013 mit dem akademischen Grad Master of Arts erfolgreich abschloss. Das Thema der Partizipation von Menschen mit psychischer Erkrankung beschäftigt die Autorin bereits seit ihrem Grundstudium, in dem sie im Rahmen ihres Schwerpunktmoduls einen sehr reflektierten und sozialpsychiatrisch engagierten psychisch erkranken Mann über ein Jahr begleiten durfte, der ihre wertschätzende und partizipative Haltung gegenüber psychisch erkrankten Menschen mitprägte. Durch die Bearbeitung eines Forschungsprojektes im Rahmen ihres Master-Studiums, dass sich mit der Beteiligung von Menschen mit psychischer Erkrankung an der Hilfeplankonferenz beschäftigte, verfestigte sich das Interesse am Thema Partizipation von Menschen mit psychischer Erkrankung an ihrem Rehabilitationsprozess im Rahmen der Gemeindepsychiatrie und motivierte sie, sich dieser Thematik im vorliegenden Buch zu widmen.

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