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- Tierischer Einfluss in der kindlichen Stottertherapie. Hund und Kaninchen.
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2025
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In diesem Buch wird analysiert, warum Tiere, in diesem Fall Hunde und Kaninchen, in der Logopädie bei Kindern mit Stottern eingebunden werden sollten. Neben einer kurzen Beschreibung der Stottersymptomatik, der Stottertherapie und dem tiergestützten Einsatz, werden die verschiedene Möglichkeiten zum Einbezug von Hunden und Kaninchen und dessen Auswirkungen und auch Einwirkungen in der Therapie beschrieben. Ebenso werden Fallbeispiele in Bezug auf dieses Thema vorgestellt. Die Sprachtherapie beschäftigt sich mit einem wichtigen Bereich aller Lebewesen: die Kommunikation. Non-Verbal oder Verbal, wobei in der menschlichen Kommunikation häufig das Verbale Verwendung findet. Kommt es zu einer Beeinträchtigung hierbei, kann eine logopädische Behandlung sinnvoll sein. Nun kommt es auch immer häufiger vor, dass Therapiebegleittiere ihre Anwendung in den Therapien finden. Die verbale Kommunikation der Tiere hat zwar nur wenige Vergleiche mit der Lautsprache des Menschen, dennoch haben die Tiere einen großen Einfluss und unterstützen die Therapie aktiv und passiv mit positiven Effekten. Welche Effekte die Tiere genau mit sich bringen, erfahren die Leser hier im Buch.
Textprobe: 1 Einleitung Menschen sind ohne andere Tiere weder erklärbar noch lebensfähig. Tiere sind unsere Wurzel, unsere Vergangenheit und Gegenwart. Menschsein ist letztlich nur mit und im Tier möglich (Kotrschal 2012: 4). Schon seit mehreren tausend Jahren sind Tiere wichtig für den Menschen. Sie leben schon seit sehr langer Zeit nebeneinanderher. Beispielweise leben die Menschen schon seit circa 60 000 Jahren mit und neben den Wölfen (vgl. Kotrschal 2012: 5-7). Vor ca. 35 000 Jahren wurde dann der Haushund domestiziert (vgl. Wohlfarth und Mutschler 2021: 168). Aber nicht nur Hunde und Wölfe begleiten das Leben der Menschen, auch andere Tiere, wie z.B. Kühe, Pferde, Schafe, Ziegen, Kaninchen oder Kamele sind wichtige Wegbegleiter der Menschen. Man findet Haustiere aller Art überall dort, wo Menschen ihre Behausungen aufschlagen. Dort halten, züchten und nutzen sie die Tie-re. Daher sind sie aus dem menschlichen Leben nicht mehr wegzudenken (vgl. Hem-mer 1983: 1). Tiere stellen zudem verschiedene Nutzmittel für die Menschen dar. Zum Beispiel wurde der homo sapiens vor ca. 40 000 bis 35 000 Jahren zu Jäger und Sammler. Fundstellen erwiesen die frühere Jagd nach Großwild, die Jagd auf Pelztiere, die Vogeljagd und den Fischfang. Ältere Studien stellten die Hypothese auf, dass mit der Jagd auf Rentiere und Wildpferde erstmalig eine Vorform der menschlichen Tierhal-tung entstanden sei. Während der jahreszeitlichen Rentierwanderung zwischen den weit entfernten Futterplätzen, hätten sich demnach immer mehr Jagende den Herden als Herdenbegleitung angeschlossen. So sei eine Art Besitzverhältnis auf Seiten der Men-schen und eine Art Gewöhnung und Zähmung auf Seiten der Rentiere (zumindest von Teilpopulationen) entstanden. Diese von Benecke (1994: 20) sogenannte Herdenfolge-Theorie kann jedoch nicht durch neuere Forschungen bestätigt werden (vgl. Benecke 1994: 17, 20). Dagegen wird der Haushund als ältester Wegbegleiter der Menschen zugeordnet, sogar vor der Wirtschaftshaustierhaltung von z.B. Schafen, Ziegen oder Schweinen. Es wird vermutet, dass den Hund eine lange Geschichte mit dem Men-schen verbindet, denn so eine enge emotionale Verbindung wie zum Hund hat der Mensch zu keinem anderen Haustier (vgl. Benecke 1994: 21). Insgesamt kann gesagt werden, dass die Haustiere zur Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse existieren und damit die Geschichte des homo sapiens mit der Geschichte der Haustiere sehr eng zusammen liegt (vgl. Hemmer 1983: 1). Die Anzahl der heute gehaltenen Haustiere steigt stetig an. Laut dem Zentralverband Zoologischer Fachbe-triebe Deutschlands e.V. (ZZF: 1947) besitzen im Jahr 2023 circa 46% der Haushalte in Deutschland mindestens ein Haustier. Das bedeutet, dass ca. 34,4 Millionen Haustiere in deutschen Haushalten lebten. Im Jahr 2017 waren es ca. 45% der Haushalte mit mindestens einem Haustier. Dagegen lebten im Jahr 2000 ca. 20 Millionen Haustiere in Haushalten. Das beliebteste Haustier ist die Katze, danach folgt der Hund und dann die Kleintiere. Tiere werden schon seit langer Zeit in die Therapie mit einbezogen. Schon im achten Jahrhundert gab es die ersten Aufzeichnungen des Einsatzes eines Tieres für Heilzw-cke. Zudem wurde festgehalten, dass 1796 in einer Anstalt für Geisteskranke Tiere für die Heilung eingesetzt wurden, anstatt Ketten und Misshandlungen. Seit dem 20. Jahr-hundert wurde in der Medizin und der Therapie auch die Wirkweise der tiergestützten Therapie weiter in den Mittelpunkt gestellt. Und erst in den 1980er Jahren kam die tier-gestützte Therapie in den deutschsprachigen Raum (vgl. Habenicht 2018: 11f). Aber was haben Haustiere mit der Sprachtherapie zu tun? Und warum werden Tiere in die Therapie mit einbezogen? Es gibt mehrere Gründe, wieso ein Tier in der Logopädie sinnvoll sein kann. Diese wer-den in Bezug auf die Redeflussstörung Stottern in dem nachfolgenden Text analysiert. Außerdem werden folgende Fragen genauer beleuchtet: Was genau macht ein Haustier in der Therapie, welchen Einfluss hat es auf die Klienten und warum sollte es bei einer Stottertherapie mit anwesend sein? 2 Was ist die Redeflussstörung Stottern? Das sogenannte Stottern gehört zu den Redeflussstörungen, welches sich in den meis-ten Fällen im Kindesalter entwickelt. Zudem kann es zu einer Spontanremission im Kin-desalter kommen. Im jugendlichen und erwachsenen Alter chronifiziert sich die Rede-flussstörung (vgl. von Tiling 2019: 383-396). Dies betrifft ca. 1% der Bevölkerung. Beim Stottern wird der Redefluss durch nicht lenkbare Unterbrechungen behindert. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer kompletten Unterbrechung der verbalen Kommu-nikation. Die Betroffenen erleben dies als Kontrollverlust der Sprechbewegungen, wäh-rend die Sprachplanung im Kopf nicht betroffen ist (vgl. Natke und Kohmäscher 2020: 1). Diese Unterbrechungen sind bei allen Betroffenen sehr individuell, wobei es zu ver-schiedenen sprachlichen, motorischen und psychosozialen Symptomen kommt. Zudem wird häufiger auch die Sozialisation beeinträchtigt (vgl. Ochsenkühn, Frauer und Thiel 2015: 2). Im nächsten Punkt (2.1.) werden die unterschiedlichen Symptome genauer erklärt und aufgelistet. Die stottertypischen Symptome sind von äußeren und inneren Kontexten der stottern-den Person beeinflussbar. Zudem kann es zu flüssigen und unflüssigen Phasen kom-men. Situationen, die Stress oder verschiedene Emotionen hervorrufen, können einen großen Einfluss auf das Stottern nehmen (vgl. Ochsenkühn et al. 2015: 2). 2.1 Symptomatik Stottern zeigt verschiedene Symptome, die während des Redeflusses auftreten und nicht bei einzeln genannten Lauten. Dabei kommt es zu äußeren (Kernverhalten und Begleitverhalten) und inneren Symptomen. Bei den inneren Symptomen geht es vor allem um die Gefühle, Reaktionen und Einstellungen gegenüber dem Stottern der be-troffenen Person (vgl. Ochsenkühn et al. 2015: 4). Dies entsteht erst im Verlauf der Redeflussstörung und ist von außen nicht sichtbar. Erst beim Erfragen können die inne-ren Symptome herausgefunden werden. Bei Kindern ist dies erschwert, da sie meistens die eigenen Emotionen noch nicht beschreiben oder zuordnen können (vgl. Grohnfeldt 2009: 162). Zum Beispiel kann es zu verschiedenen Ängsten in Bezug auf das Spre-chen und Sprechsituationen, zu einer geringen Frustrationstoleranz und auch zu einem großen Leidensdruck kommen. Zudem können sich Sprechängste entwickeln oder Ängste vor manchen Wörtern oder Lauten. Auch kann es sein, dass Betroffene eher Andere sprechen lassen oder bestimmte Situationen oder Personen meiden. Infolge-dessen leidet dann auch deren Selbstbewusstsein und sie trauen sich immer weniger selbst zu (vgl. Ochsenkühn et al. 2015: 7). Die äußeren Symptome sind die hör- und sichtbaren Teile der Redeflussstörung. Dabei kommt es zu drei verschiedenen und hörbaren Stottersymptomen (Kernsymptome). Diese sind die Laut- / k-k-kann /, Silben- / ka-ka-kann / und Wortwiederholungen / kann kann kann /, die Dehnungen / fffffffast / und auch die Blockaden / ----kann / (vgl. Natke und Kohmäscher 2020: 28f). Zudem werden diese Symptome meistens noch mit An-spannungsverhalten der orofazialen Muskulatur und starkem Krafteinsatz begleitet (vgl. Ochsenkühn et al. 2015: 5). Dennoch unterscheidet sich die Stottersymptome bei jeder betroffenen Person individuell. Die Symptome können dabei einzeln oder gemischt auf-treten. Ebenso kommt es zu unterschiedlichen Ausprägungen und die Unflüssigkeiten können sowohl schwankend verlaufen als auch sich mit der Zeit verändern (vgl. Natke und Kohmäscher 2020: 28f). Wenn diese Unflüssigkeiten mehr als 3% der gesproche-nen Silben betreffen, dann spricht man von Stottern (vgl. Ochsenkühn et al. 2015: 4). Neben den hörbaren Symptomen kommt es häufig auch zu sichtbaren Auffälligkeiten, der sogenannten Sekundärsymptomatik. Diese entsteht erst durch eine Reaktion der betroffenen Person auf die eigenen Unflüssigkeiten, entwickelt sich individuell und setzt ein Störungsbewusstsein voraus. Die Begleiterscheinungen treten mit dem Wunsch nach Sprechkontrolle auf und sind in dem Fall individuelle Bewältigungsstrategien der Betroffenen. Meistens helfen die Strategien zu Beginn, doch nach und nach zeigen sich auch die negativen Seiten dieser Strategien, z.B. könnte eine soziale Isolation durch Rückzug oder eine Sprechangst durch Vermeidung von Sprechsituationen entstehen. Auch verschiedene Füllwörter, wie z.B. mmh, äh, also so und noch andere, werden eingesetzt, um Blockaden aufzuschieben oder um Zeit zu gewinnen, damit folgende Blockaden mit geringerer Anspannung herauskommen. Schwierig hierbei ist die Diffe-renzierung zu sogenannten Startern. Diese treten häufig vor schwierig empfundenen Wörtern und bei großem Sprechdruck auf. Starter sind meistens Wörter oder Phrasen, die ohne Stottersymptome vom Kind gesprochen werden können, z.B. und dann und dann, schau mal, also, ich meine und dienen als Start für das erschwerte nächste Wort. Zusätzlich kann es auch zu Umschreibungen von Wörtern im Satz kommen, zu Satzabbrüchen, mit oder ohne Satzumstellung oder auch zu häufigen Neuanfängen eines Satzes, bis das blockierte Wort gesprochen werden kann. Ebenso können ver-schiedene Mitbewegungen von Extremitäten, Oberkörper oder Kopf auftauchen. Auch das Schnipsen, Aufschlagen mit der Hand oder Zusammenkneifen der Augen während der Kernsymptomatik ist manchmal gegeben. Durch eine erhöhte Anspannung wäh-rend des Sprechens kann es zu Kieferzittern oder Lippenzittern kommen. Desgleichen wird manchmal ein Schmatzen oder Schnalzen mit eingebracht, um einen zeitlichen Aufschub zu ermöglichen. Außerdem gehört ein Lautstärkeanstieg oder Tonhöhenan-stieg, Veränderungen im Sprechtempo oder -rhythmus und Atemauffälligkeiten zur Se-kundärsymptomatik. Gleicherweise sind der Blickkontaktabbruch während Stotter-symptomen oder das komplette Vermeiden des Blickkontaktes eine Begleitsymptoma-tik. Die Bandbreite der begleitenden Symptome ist riesig und bei jeder betroffenen Per-son unterschiedlich (vgl. Ochsenkühn et al. 2015: 6f). 2.2 Welche sprachtherapeutischen Ansätze gibt es? Es gibt viele verschiedene Ansätze für die Therapie von kindlichem Stottern. Dennoch ähneln sich die meisten Ansätze sehr oder greifen sogar ineinander. Zudem gibt es eine Unterteilung in direkte und indirekte Ansätze. Die indirekten Ansätze beziehen sich eher auf die Veränderung des Umfeldes und finden oft als Elterntraining und -anleitung statt. Die direkten Ansätze erfolgen mit dem Kind zusammen und unterteilen sich nochmal in den Modifikationsansatz, den Fluency Shaping Ansatz und die Sprechtechniken (vgl. Ochsenkühn et al. 2015: 108). In den folgenden Absätzen werden kurz die direkten An-sätze beschrieben, da sich dieses Buch auf die direkten Ansätze bezieht. 2.2.1 Der Modifikationsansatz (nach Dell und van Riper) Die Stottermodifikation wurde in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erstellt und galt zu dieser Zeit als neuer Therapieansatz. Dieser Ansatz besagt, dass die Sekundärsymp-tome ein erlerntes Verhalten auf die Redeunterbrechungen sind. Daher lernen die Pati-enten bei dieser Therapieform ein kontrolliertes und bewusstes Stottern, welches den Kommunikationsfluss weniger beeinträchtigen soll und zudem noch die Angst und die Scham reduziert. Ebenso sollen auch Teufelskreise mit diesem Ansatz gebrochen wer-den (vgl. Natke und Kohmäscher 2020: 159). In dem gleichen Buch von Natke und Kohmäscher (2020: 159) steht zum Teufelskreis geschrieben: Das Vermeiden von Stottern verstärkt die Angst vor dem Stottern, die wiederum zu vermehrtem Vermei-dungsverhalten führt . Der Patient lernt bei diesem Ansatz seine Muskelanspannung bewusst zu verringern und somit ein geringeres und lockeres Stottern zu erreichen. Dabei wird nicht das kom-plette Sprechen verändert, sondern Einfluss auf die Stottersymptome genommen. Das heißt, dass der Patient eine Art flüssiges Stottern (Natke und Kohmäscher 2020: 160) erlernt, damit sein Redefluss nicht mehr störend unterbrochen wird und auch seine Kommunikation flüssig bleibt. Durch das Einsetzen dieses Pseudostotterns (bewusst nachgemachtes Stottern) und das Erlernen des Umgangs mit dem Stottern, werden die Symptome in der Regel insgesamt weniger und leichter. Dieser Therapieansatz wird in 4 Phasen unterteilt, welcher als Rahmen für eine Therapie dienen kann. Die erste Phase ist die Identifikation. Wie der Name schon sagt, soll der Patient in die-ser Phase seine Kern- und Begleitsymptome kennenlernen und verstehen. Er soll ge-wissermaßen zum Profi seines eigenen Stotterns werden. Dazu werden Audio- und Videoaufnahmen gemacht und zusammen analysiert. Ebenso kann ein Spiegel ver-wendet werden. Nach jedem Symptom soll er aufhören und beschreiben, was genau passiert ist. Was er gehört hat, was er gesehen hat, was er fühlt, während er es hört und welches Vermeidungsverhalten er eventuell angewendet hat. Die Wörter und Situatio-nen, die der Patient ganz vermeidet, sollten aufgeschrieben werden. Nur durch das Wissen über das eigene Stottern kann der Klient sein Stottern verändern. Erst wenn er seine Symptome genau kennt, beginnt die nächste Phase. Die zweite Phase ist die Desensibilisierung. Dabei soll die betroffene Person gegen das eigene Stottern toleranter werden, eigene negative Emotionen verringern und auch über negative äußere Reaktionen aufgeklärt werden. Zum Beispiel wendet dafür die Therapeutin das Pseudostottern an. Auch der Patient selbst soll dies tun. Er kann wäh-renddessen wahrnehmen, dass er stottert ohne negative Emotionen aufzubauen oder in Stress zu geraten. Die Situationen, in denen dies angewendet wird, werden hierarchisch bestimmt, wobei eine stark stressbelaste Situation dabei eher zum Ende hin gewählt wird. Die Therapeutin führt immer als erstes die Aufgaben mit Pseudostottern durch, damit der Klient zunächst beobachten kann. Danach soll er die gleiche Aufgabe durch-führen. Gleichfalls soll der Patient lernen, offen mit seinem Stottern und der Tatsache, dass er zu einer Stottertherapie geht, umzugehen. Die dritte Phase ist die Modifikation. In dieser Phase erlernt der Klient das flüssige Stot-tern durch die Techniken Cancellation (Nachbesserung eines gestotterten Wortes, durch langsames und kontrolliertes Wiederholen des Wortes), Pull Out (Herausziehen aus einem Stottersymptom, indem während des Symptoms bewusst gestoppt wird und dann das Wort langsam und kontrolliert weitergesprochen wird) und Preparatory Set (bewusstes langsames und kontrolliertes Sprechen eines Wortes, bei dem der Betroffe-ne weiß, dass er stottern muss). Dazu sollten aber alle Sekundärsymptome abgebaut sein, damit nur noch das Nettostottern (Kernsymptomatik) vorhanden ist und zudem auch zugelassen werden muss. Die vierte Phase ist die Stabilisierung. Hierbei soll das Erlernte in den Alltag mit einge-bunden werden. Entweder sollen die Techniken in verschiedenen Situationen und bei schwierigen Wörtern angewendet werden, oder die Techniken sollen in flüssigen Pha-sen bewusst eingebaut werden. Dadurch sollen die Übungen im Alltag stabil und für den Betroffenen normal werden. Auch Ängste vor Stottermomenten werden dadurch weiter reduziert. Im besten Fall wird der Patient zu seinem eigenen Therapeuten und weiß bei Rückfällen zu reagieren (vgl. Natke und Kohmäscher 2020: 160-164). 2.2.2 Der Fluency Shaping Ansatz Bei diesem Ansatz soll durch eine langsame und gedehnte Sprechweise die verbale Kommunikation flüssiger werden. Das bedeutet, dass der Betroffene eine Sprechweise erlernt, bei welcher keine Stottersymptome auftreten (vgl. Natke und Kohmäscher 2020: 165). Es werden weiche Stimmeinsätze, spürendes und kontrolliertes Sprechen und auch die Prolongation (weicher Übergang von stimmhaften zu stimmlosen Lauten im Wort) eingeübt. Die Übungen beginnen immer auf Wortebene (vgl. Ochsenkühn et al. 2015: 118). Dazu muss der Patient aber sein komplettes Sprechen verändern und nicht nur Teile seiner Kommunikation. Das neu erlernte Sprechen wird so lange und streng hierarchisch eingeübt, bis es für einen Außenstehenden wie ganz normales Sprechen klingt. Dazu muss der Patient dies aber auch im Alltag üben. Dieser Ansatz soll die Stottersymptome von Anfang an ausschließen. Auch die Sekundärsymptome und die negativen Emotionen, in Bezug auf das Stottern, sollen durch das flüssige Sprechen verringert werden (vgl. Natke und Kohmäscher 2020: 165). Bei Kindern ist der Einbezug der Eltern essenziell (vgl. Ochenkühn et al. 2015: 119). Vielen Vertretern dieses Ansatzes ist jedoch bewusst, dass die Rückfallrate hierbei sehr groß ist und im-mer wieder Auffrischungen der erlernten Sprechweise durch Therapien angegangen werden müssen (vgl. Natke und Kohmäscher 2020: 165). 2.2.3 Kombination von Stottermodifikation und Fluency Shaping Natke und Kohmäscher (2020: 169f) schreiben in ihrem Buch, dass laut verschiedener Studien keiner der beiden Ansätze dem anderen Ansatz überlegen ist. Anscheinend profitieren die Klienten unterschiedlich von den Ansätzen. Häufig werden die beiden Ansätze von Therapeuten gemischt verwendet. Dabei erlernen die Betroffenen ein flüs-siges Stottern, aber auch eine flüssige Sprechweise. Somit können sie ihre Techniken den Situationen anpassen. Ebenso ist eine Desensibilisierungsphase vor dem Fluency Shaping eine gute Voraussetzung. Ängste und Vorurteile werden dadurch abgebaut. Mit dem Fluency Shaping Programm werden gleichermaßen die Einstellung und die Gefüh-le der Betroffenen angesprochen. So profitieren beide Ansätze voneinander. Dadurch ergeben sich drei Möglichkeiten für die Patienten: Sie können die flüssige Sprechweise anwenden, wenn diese gewünscht ist. Wenn dies in einer Situation nicht anwendbar ist, sollen beide Ansätze zusammen zu einem leichteren stottern führen. In Situationen, in denen die Sprechweise nicht wichtig ist, kann der Klient sein Stottern akzeptieren, ohne dass er Wörter oder Sätze vermeidet oder umgeht. Dennoch ist es noch weitgehenden unerforscht, ob ein Kombinationsansatz genauso erfolgreich ist, wie die Konzepte iso-liert. Da die beiden Ansätze jedoch auch unterschiedliche Wirkungen auf die Klienten erzielen, könnte ein individuelles Angebot, gemischt aus den beiden Konzepten, ideal sein. 2.2.4 Das Lidcomb- Programm Dieses Programm stammt ursprünglich aus Australien und wurde dort an der Universi-tät Sydney konzipiert. Es richtet sich an Betroffene im Vorschul- und Schulalter zu einer frühen Intervention. Es ist als verhaltenstherapeutische Therapie entwickelt. Ebenso wie bei den anderen Verfahren ist das Lidcomb- Programm hierarchisch aufgebaut. Es wird zudem unter fortlaufender Anleitung und Kontrolle eines Therapeuten durch ein Eltern-teil oder eine enge Bezugsperson durchgeführt. Dadurch sind die Übungseinheiten eng in den Alltag integriert (vgl. Ochsenkühn et al. 2015: 121). Um bei diesem Programm teilzunehmen, sollte das Stottern mindestens 6 Monate bestehen. In diesem Konzept wird das flüssige Sprechen verbal gelobt und bei Unflüssigkeiten wird eine Korrektur verlangt. Die Korrektur darf jedoch kein unangenehmes Gefühl erzeugen. Zudem darf diese die Lobsituationen nicht übersteigen. Das Verhältnis zwischen Lob und Korrektur wird durch die Therapeutin festgehalten und regelmäßig an das Stottervorkommen an-gepasst. Insgesamt wird nach Schwierigkeitsgraden unterschieden, welche individuell an den Patienten angepasst werden. Die Sprechanforderung beginnt auf Wortebene und wird nach und nach gesteigert, bis es zur Spontansprache kommt. Die Übungen und das Verfahren werden durch Therapeuten angeleitet und kontrolliert. Dabei sollen sich die Eltern an strikte Regeln halten. Die Wirksamkeit ist nachgewiesen, auch wenn nicht klar ist, auf welche Wirkmechanismen genau sich das Verfahren stützt (vgl. Natke und Kohmäscher 2020: 177). 2.3 Remission Obwohl einige Einflüsse auf das Stotterverhalten und die -entwicklung bekannt sind, kann nicht gesagt werden, ob das Stottern bei Kindern wieder verschwindet oder bleibt und wie der genaue Verlauf sein wird. Daher sind viele Eltern von betroffenen Kindern sehr besorgt und ratlos (vgl. Hansen und Iven 2016: 9). Je früher eine Therapie bei be-ginnendem Stottern gestartet wird, umso eher werden die Symptome eingegrenzt und der Schweregrad gering gehalten. Ist das Stottern schon in die chronische Phase ge-kommen, ist die Chance einer spontanen Remission geringer. Während in Deutschland ca. 3-5 % der Kinder stottern, tritt dies im erwachsenen Alter nur noch zu 1% auf. Ent-weder kam es im Kindesalter spontan zu einem Verschwinden der Unflüssigkeiten oder es wurde therapeutisch unterstützt. Es gibt einige Einflussfaktoren, die eine Remission verhindern. Dazu gehören: männliches Geschlecht, Linkshändigkeit, Vorliegen von Stottern in der Familie, hartnäckige Symptome und ein früher Beginn der Unflüssigkei-ten, ohne vorausgehende Phase von flüssigem Sprechen. Ebenso ist ein Unterschied zwischen Männern und Frauen zu beobachten. Im Kindesalter verteilt es sich auf 3:1 (Junge: Mädchen), wobei sich das Verhältnis im Erwachsenenalter auf 9:1 verschiebt. Entstehen die Unflüssigkeiten in der sensiblen Spracherwerbsphase, ist die Chance einer spontanen Remission erhöht (vgl. Ochsenkühn, Thiel und Ewerbeck 2010: 3,10f).
Michelle Cisneros wurde 1995 in Buenos Aires, Argentinien geboren. Nach 2 ½ Jahren zog ihre Familie zurück nach Deutschland, wo sie im kleinen Örtchen Liederbach am Taunus aufwuchs. Im Jahr 2015 begann sie ihr Studium zur akademischen Sprachtherapeutin, welches sie 4 Jahre später erfolgreich mit dem Bachelor of Science abschloss. Im Anschluss begann sie mit der Tätigkeit als Sprachtherapeutin in einer logopädischen Praxis. Durch vermehrte Anfragen in der Praxis zum Thema Stottern bei Kindern, vergrößerte die Autorin ihr Wissen zu diesem Thema über Fortbildungen und Fachbücher. Nebenbei beschäftigte sie sich zudem mit dem Thema Therapiebegleittiere und absolvierte 2024 erfolgreich ihre Fachkraftausbildung zur tiergestützten Therapie. Ihre Hündin Merle begleitet sie nun regelmäßig zur Arbeit und auch ihr Kaninchen Antonio war als Therapiebegleittier in der Sprachtherapie im Einsatz. Dadurch entstand ein großes Interesse für die Thematik des vorliegenden Buches.
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