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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 05.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Abb.: 9
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Was macht den Menschen zum Menschen? Wie weit ist unser Wesen durch genetische Grundlagen determiniert? Welche Rolle spielt dabei die Umwelt, in der wir aufwachsen, welche die Erziehung und was haben wir eigentlich selbst in der Hand? Schon seit jeher haben sich die Menschen mit der Besonderheit ihres Wesens auseinandergesetzt und versucht solche und ähnliche Fragen zu beantworten. Auch diese Studie nimmt sich solcher Fragestellungen an und zielt darauf ab das Wesen des Menschen von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten und dabei das Besondere, das den Menschen als solchen auszeichnet, herauszufiltern und offenzulegen. Grundlage dieser Untersuchung sind Berichte und Dokumentationen ‘Wilder Kinder’, die in extremen und schicksalhaften Lebensumwelten aufwuchsen und dabei aus verschiedensten Gründen nicht unter menschlichem oder gesellschaftlichem Einfluss standen. Die Analyse und vergleichende Untersuchung ausgewählter Fallbeispiele, wie das Leben der beiden Wolfskinder von Midnapore Amala und Kamala, des isolierten Victor von Aveyron sowie das Schicksal der eingesperrten Genie, stellt zum einen die Anpassungsfähigkeit des Menschen als besonderes Merkmal heraus, zum anderen aber auch seine Unfähigkeit ohne die soziale Nähe anderer Menschen selbst Mensch zu werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Anthropologische Grundlagen: 2. 1, Die Mängel und der Reichtum des Menschen: ‘Zu den bedeutsamsten Befunden gehört die Auffassung des Aachener Kultursoziologen Arnold Gehlen: ‘Der Mensch – ist im Vergleich zum Tier – ein ‘Mängelwesen‘. Ihm fehlt weitgehend die verhaltensleitende Instinktausstattung der Tiere, seine Organausstattung (keine Flucht- oder Schutzorgane oder natürlichen Waffen) ist ungenügend, die meisten Tiere verfügen über schärfere Sinnesorgane, ohne Haarkleid und ohne Schutz vor Witterung ist er weitgehend schutzlos usw. Er ist – mit einem Wort Nietzsches ein ‚nicht – festgestelltes Tier‘.’ Einer dieser ausschlaggebenden Mängel besteht also darin, dass der Mensch nur sehr bedingte Instinkte besitzt, nach denen sich sein Handeln richten kann zudem sind seine Reiz – Reaktionsmechanismen sehr eingeschränkt und treten vor allem in den ersten Lebensmonaten auf, wie z.B. beim Saug- oder Greifreflex. Das Tier reagiert im Gegensatz dazu immer auf bestimmte Reize mit einem bestimmten Verhalten, wobei diese ausgelösten Mechanismen innerhalb einer Tiergattung gleich ablaufen. Der Mensch kann in einer Situation auf unterschiedlichste Art und Weise reagieren, sein Verhalten hängt einzig und allein von ihm ab, und nur er ist verantwortlich für sein Handeln und seine getroffenen Entscheidungen. Der Mangel an fehlenden Instinkten birgt nämlich zugleich eine einzigartige Eigenschaft des Menschen in sich – seine Entscheidungsfreiheit. Diese muss wohl auch Herder im Sinn gehabt haben, als er vom Menschen als dem ersten ‚Freigelassenen der Schöpfung‘ sprach. Er ist das einzige Lebewesen, das die Möglichkeit hat, nach eigenem Ermessen zu handeln und seine Entscheidungen im Leben frei zu treffen. Sicherlich sind diese Entscheidungen auch immer an bestimmte Umstände, Personen und die konkrete Lebenssituation gebunden, und dadurch eventuell beschränkt, aber eine Wahl, hat der Mensch immer – auch wenn sich seine Entscheidungsfreiheit in extremen Situationen auf ein Minimum reduzieren kann, z. B. wenn der Betroffene im Gefängnis sitzt. Das Tier, so scheint es, hat als instinkthaftes Wesen weder Wahl noch Freiheit, es handelt lediglich nach eintreffenden Reizen und Impulsen. Dafür hat es – wie oben schon erwähnt – meist die bessere körperliche Ausstattung, um in der Natur zu überleben. Die Sinne des Menschen sind schwach, sein Körper ist nicht mit natürlichen Waffen ausgestattet, mit denen er sich wehren könnte, und er ist auch nicht schnell genug, um vor einer Gefahr fliehen zu können. Trotzdem ist er allen anderen Tieren überlegen und kann nahezu an jedem Ort der Welt überleben. Verantwortlich dafür, ist seine ungeheure Lernfähigkeit, die all diese mangelhaften, physischen Voraussetzungen mit Leichtigkeit kompensiert. Intelligente Tiere haben zwar auch die Fähigkeit bestimmte Dinge zu lernen, aber der Mensch verfügt über diese Fähigkeit in nahezu unbeschränktem Maße. Ob und wie viel ein gesunder Mensch dann tatsächlich aufnehmen und lernen kann, hängt allerdings wieder stark von seiner Umwelt und Erziehung ab. Die Lernfähigkeit bedingt nämlich zugleich auch die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen. Wird ein Mensch nicht erzogen, wird ihm nichts beigebracht, gezeigt, erklärt oder gelehrt, verkommen seine Fähigkeiten und er wird zu einem hilflosen Wesen, das nur sehr schlechte Überlebenschancen hat. Diese Hilfe und Förderung durch Erwachsene sieht auch Adolf Portmann als zwingend notwendig an, da er den Menschen als eine »physiologische Frühgeburt« betrachtet, der auf sich allein gestellt nicht lebensfähig wäre. ‘Ein hilfloser Nestflüchter – so erscheint der neugeborene Mensch dem Zoologen. Ist uns bewußt, daß diese Tatsache die Regel der Säugetiere durchbricht?’ Weiter heißt es: ‘Der neugeborene Mensch, seinem Grundplane nach ein Nestflüchter, gerät in eine besondere Art von Abhängigkeit, weshalb wir ihn als einen ‚sekundären Nestflüchter‘ bezeichnet haben (Portmann 1942). In dieser besonderen Abhängigkeit steht der Mensch in der Gruppe der Säuger allein.’ Der menschliche Säugling kommt also einige Monate zu früh auf die Welt, und bedarf deshalb gerade zu Beginn seines Lebens einer intensiven Pflege und Betreuung, um nach und nach selbstständiger zu werden. Dieser Umstand birgt sowohl wieder die Lernfähigkeit, als auch die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen in sich. Eine weitere Besonderheit des Menschen ist die Tatsache, dass er das einzige Lebewesen ist, das einem Gegenstand, einer Sache und auch sich selbst mit einer gewissen Distanz entgegentreten kann. Diese Distanz befähigt ihn auch den Gehalt eines Gegenstandes zu erfassen. Nur so kann der Mensch die Welt erfahren und sie sich erschließen. Er weiß, dass er ein Mensch ist, er weiß, dass er lebt und eines Tages sterben wird, und er weiß auch, dass es immer ein ‘morgen’ geben wird. All das macht die einzigartige, exzentrische Position des Menschen aus – wie Helmut Plessner sie bezeichnet hat – im Gegensatz zur zentrischen Position des Tieres. Als ichhaftes und reflektierendes Wesen nimmt er diese besondere Position ein und hebt sich so von der ‘tierischen Unmittelbarkeit’ ab: ‘Das Tier steht in einem unvermittelten Wirklichkeitsbezug: es nimmt unter erheblichen perspektivischen Verkürzungen konkret gegebenes wahr und reagiert instinktiv oder aufgrund von Lernleistungen darauf dem Menschen hingegen gelingt ein denkendes Erfassen und Bewältigen der Wirklichkeit, was nicht nur Rückblicke, sondern auch planendes Vorausdenken, Fragen, Zweifeln, Begriffsbildung und dgl. beinhaltet’ Sicher ist der Mensch nicht frei von Trieben und lässt sich teilweise auch bedingt von diesen leiten, jedoch hat er im Gegensatz zum Tier die Möglichkeit, Distanz zwischen Antrieb und Handlung zu legen beispielsweise muss er nicht essen, wenn er hungrig ist, und ein angerichtetes Mahl vor Augen hat. Eine derartige Verhaltensweise ist dem Tier nicht vorbehalten. Diese Distanz, die der Mensch also auch sich selbst gegenüber einlegen kann, macht ihn zu einem reflexiven Wesen. Er steht in einem gedanklich vermittelten und vermittelnden Verhältnis zur Realität. Reflexivität und Selbstbestimmung, wobei letzteres mit der oben diskutierten Entscheidungsfreiheit einhergeht, sind zwei wesentliche Merkmale des Menschen, die Max Scheler nun in einem Begriff zusammenfasst – die Weltoffenheit des Menschen. ‘Weltoffenheit ist der Gegenbegriff zur tierischen ‘Trieb- und Umweltgebundenheit’ und besagt, daß durch keine Instinktausstattung festgelegt ist, auf welche Empfindungen (Reize) der Mensch reagiert und auf welche Ziele sein Verhalten ausgerichtet ist.’ Diese Weltoffenheit bzw. Umweltungebundenheit, die auch Jacob von Uexküll als grundlegende menschliche Eigenschaft herausgestellt hat, steht also wieder in engem Zusammenhang mit der Instinktlosigkeit und Triebentbundenheit des Menschen. Trotz dieser Weltoffenheit darf man jedoch nicht vergessen, dass der Mensch sehr wohl an bestimmte Dinge gebunden ist, wie z.B. an verinnerlichte Einstellungen, Gefühle, Meinungen, seinen Lebensstil, die unmittelbare Umwelt und Situation, Personen, seinen Beruf oder Überzeugungen, die er im Laufe seiner Entwicklung zu seinen eigenen gemacht hat. Rothacker beschreibt diese spezifische, an die jeweilige Person gebundene Weltsicht sehr anschaulich an einem Beispiel: ‘Der Wald ist ‘für den Bauern Gehölz, für den Förster ein Forst, für den Jäger ein Jagdgebiet, für den Wanderer kühler Waldesschatten, für den Verfolgten ein Unterschlupf, für den Dichter Waldesweben und … für den Spekulanten ein Spekulationsobjekt, für die kämpfende Truppe eine Stellung, für den Geologen ein Forschungsobjekt, für den Maler ein Sujet.’ Auf der anderen Seite hat das Tier wiederum keinerlei Möglichkeiten die Welt auf verschiedene Art und Weisen zu betrachten. Es kann sie besser gesagt überhaupt nicht betrachten – es lebt einfach nur in ihr und handelt nach seinen naturgegebenen Instinkten. Es lebt in einem unmittelbaren Bezug zur Wirklichkeit. Der Mensch hingegen handelt nie unmittelbar in der Wirklichkeit – er steht immer in einem symbolisch vermittelten Bezug zu dieser. ‘Darstellung von konkreter Wirklichkeit in ihrer Konkretheit vollzieht der Mensch mit Hilfe sinnlicher Zeichen (Symbole) nicht nur in der Kunst. Er stilisiert sich, wie schon angemerkt, im Umgang mit anderen Menschen durch äußere Merkmale, er stellt sich durch Benehmen und Insignien als Inhaber bestimmter sozialer Rollen dar, er lebt nicht nur Freundschaftsbindungen, sondern verleiht der Tatsache einer Freundschaft auch symbolischen ‘Ausdruck‘ durch Gesten, Geschenke und dgl., er verhält sich Gott und seinen Göttern gegenüber und vollzieht diese seine Handlungen zumeist in den vorgeprägten Symbolen seiner Religion.’ Aufgrund dieser symbolischen Vermittlung, die immer zwischen Mensch und Welt steht, bezeichnet Ernst Cassirer den Menschen als ‘animal symbolicum‘. Die symbolische Form seines Denkens und Verhaltens findet vor allem in der Sprache seinen Ausdruck. Die Fähigkeit überhaupt symbolisch zu denken, sowohl Gegenstände als auch Ungreifbares zu benennen, also abseits der realen Wirklichkeit in unseren Gedanken virtuelle Bilder zu schaffen, verdankt der Mensch seiner Einbildungskraft. ‘Fantasie, Imagination, Einbildungskraft sind drei Begriffe für das menschliche Vermögen, Bilder von außen nach innen zu nehmen, also Außenwelt in Innenwelt zu verwandeln, sowie für die Fähigkeit, innere Bilderwelten unterschiedlicher Herkunft und Bedeutung zu schaffen, zu erhalten und zu verändern.’ Ohne diese Fähigkeit wäre der Mensch nicht in der Lage die komplexen Strukturen unserer Sprache zu beherrschen – und ohne die Sprache, wäre die Grundvoraussetzung und Basis aller menschlichen Kultur verloren.

Über den Autor

Irena Eppler, Dipl.Päd, wurde 1983 in Hammelburg geboren. Von 2002 – 2009 studierte die Autorin an der Julius – Maximilians – Universität Würzburg Diplompädagogik sowie das Lehramt für Grundschulen, was sie beides erfolgreich abschloss. Sie arbeitete in dieser Zeit auch als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und –didaktik sowie am Institut für Pädagogik. Die gesetzten Schwerpunkte im Studium zielten vor allem auf Bereiche der pädagogischen Anthropologie und Psychologie. Heute lebt und arbeitet die Autorin als Grundschullehrerin im Raum Garmisch-Partenkirchen.

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