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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Technologien wie Mobiltelefone, Laptops oder der iPod sind Ausdruck eines aktuellen weltumspannenden Mobilisierungsprozesses, bei dem vormals stationäre technische Artefakte zu mobilen Alltagsbegleitern avancieren. Kulturtechniken, die traditionell in den eigenen vier Wänden stattfanden, verlagern sich dadurch in den öffentlichen Raum. Paradigmatisch für dieses Phänomen wird das mobile Musikhören mit Hilfe des iPods in den Fokus der vorliegenden Studie gesetzt. Durch eine gesellschaftliche und ästhetische Perspektivierung des mobilen Musikkonsums tritt die Studie in einen Dialog zu bisher bestehenden Werturteilen, die seit Einführung des Walkmans das Bild des mobilen Hörers prägten. Diese deuteten das personalisierte und singuläre Musikhören im öffentlichen Raum überwiegend als Anzeichen einer sich atomisierenden Gesellschaft, oder auch als verdorbenes Gehör . Doch hatten die kulturkritischen Meinungen Recht? Mit Hilfe einer technischen Dimension, welche die Weiterentwicklung des iPods hin zum webfähigen Smartphone verfolgt, wird eine Gegenwartsdiagnose skizziert, welche die zunehmende Privatsphäre im öffentlichen Raum mit den wachsenden Vernetzungsprozessen durch mobile Internet-Technologien zusammen denkt. Daneben wird der mobile Hörer im musikästhetischen Diskurs positioniert, mit dem Ziel den mobilen Rezeptionsakt nicht als minderwertiges Musikhören zu verstehen, sondern dessen eigene ästhetische Qualität anzuerkennen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.3.2, Antithese: Der iPod schafft Verbindungen: Wie bereits erwähnt, akzentuiert Bull bei der Nutzung moderner Technologien zwar primär die Isolation des Subjekts, verweist jedoch darauf, dass der iPod auch Verbindungen schaffe: ‘Media technologies simultaneously isolate and connect.’ Dabei stellt sich die Frage, welche Verbindungen er diskutiert und wie er diese mit seiner Isolationsthese in Einklang bringt. Die Verbindung, die der mobile Hörer durch den iPod aufbaut, sieht Bull in der kontinuierlichen Begleitung von Musik. Er spricht von einem 'tethered' self to sound technologies.’ Bei der Beschreibung dieser Verbindungsform bezieht er sich auf Adornos Idee der ‘mediated we-ness.’ 'We-ness' bedeutet dabei eine medial aufgebauten Form der Verbindung zwischen Hörer und Musik, Fernseher oder Radio: ‚(…) the listener who remembers a hit song will turn into the song's ideal subject, into the person for whom the song ideally speaks. At the same time, as one of many who identify with the fictitious subject, he will feel isolated ease as he himself feels integrated into the community of 'fans'.’ Technologien helfen in diesem Sinne Nähe und Wärme zu vermitteln und eine soziale Integration zu ermöglichen: ‘Personal-stereo use provides the user with a sense of being 'connected'.’ Diese Möglichkeit wertet Bull als Versuch die Nähe und Wärme, die der urbane Raum nicht mehr bietet, anhand von Technologien trotzdem zu erfahren: ‘Music represents to the urban subject a utopian longing for what they desire but cannot achieve.’ Dass diese Nähe in der Vergangenheit traditionell von Menschen ausging, macht Bull mit Rückgriff auf den Soziologen Ferdinand Tönnies deutlich. Dieser dichotomisiert das soziale Miteinander in eine prä-industrielle, warme, intime Gemeinschaft und eine moderne, distanzierte, auf Nutzen bedachte Gesellschaft. Anstatt diese 'warmen' Erfahrungen im Zwischenmenschlichen zu machen, wird das Bedürfnis nach Nähe - ganz im Sinne des Konzepts von 'warm' und chilly' - heutzutage zunehmend durch Technologien gestillt. Mit der steigenden Nutzung von Technologien nimmt für Bull auch die Quantität medial vermittelter Erfahrung zu: ‘Mediated aural proximity constitutes states of 'we-ness' whereby 'direct' experience is either substituted or transformed by a mediated, technological form of aural experience.’ Bei der Beurteilung der 'we-ness' ist Bull der Ansicht, dass technologisch vermittelte Erfahrung eine Form der 'indirekten' Erfahrung sei, die zunehmend die 'direkte' Erfahrung substituiere. Mit Referenz auf Adorno und Horkheimer teilt Bull die Vorstellung, reproduzierte Musik und Technologien erzeugen lediglich eine ‘Illusion der Direktheit’ beziehungsweise eine Illusion der Gemeinschaft: ‘Music substitutes that which is desired for itself, producing an illusion of immediacy in a totally mediated world.’ Bull bezieht sich in seiner Argumentation und Beschreibung der 'states of 'we-ness' auch auf den amerikanischen Politikwissenschaftler Robert Putnam und den französischen Philosophen Claude Lefort, die in diesem Kontext von einer ‘'false sense' of companionship’ oder ‘constant illusion of a between us, an entre-nous in which the media provoke an hallucination of nearness’ sprechen. Bull ist demnach der Meinung, dass der iPod zwar eine Nähe oder Intimität zur Musik oder zum Sänger suggeriere, den mobilen Hörer dabei jedoch nicht pragmatisch vernetze, sondern lediglich zu einer ‘accompanied solitude’ führe. Die technologisch vermittelte Nähe ist für Bull lediglich eine imaginierte Nähe, quasi eine vermittelte Erfahrung der Imagination von Begleitung: ‘Personal-Stereo users move in public isolation but are not alone in their mediated flights of the imagination. Users are never 'alone' as theirs is a more intimate yet more 'isolated' form of company.’ Wenn Bull von einer Dialektik der iPod-Kultur spricht, bei der sich der Hörer sowohl isoliert als auch verbindet, dann erscheint seine Antithese gegenüber der These eher schwach. Anstatt pragmatische Formen zu diskutieren, baut der Hörer für Bull lediglich imaginäre Verbindungen auf. So beschreibt Bull auch keine ausgeglichene Synthese, bei der Isolation zu pragmatischen Verbindungen führt, sondern spricht von einer 'begleiteten Einsamkeit'. Aber wird der mobile Hörer durch die Technologie wirklich nur imaginativ begleitet oder kollidiert diese These mit kulturellen Praktiken oder technischen Strukturen des iPods, bei denen sehr wohl zwischenmenschliche Verbindungen über die Isolation aufgebaut werden?

Über den Autor

Danja Ulrich, Jahrgang 1984, hat Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Neuere deutsche Literatur an der Friedrich-Wilhelm Universität in Bonn studiert. Heute arbeitet sie in einem Internet-Unternehmen in Berlin. In ihrem Magisterstudium hat sich die Autorin auf die wechselseitige Durchdringung von Musiksoziologie und Kunstästhetik ab Ende des 18. Jahrhunderts und der Frage nach der Legitimation und kulturellen Entstehung von Kritik an Kunst und Kulturkritik spezialisiert. Dabei stand immer wieder die Frage im Fokus, was Kunst für die Kritiker zu Kunst macht und inwiefern damalige Wertungsmaxime auch heute noch unsere ästhetischen Werturteile determinieren. Praktische Erfahrung konnte die Autorin auf diesem Gebiet bei ihrem Praktikum beim Deutschen Musikrat, dem Interessenverband der Musizierenden in Deutschland, sammeln. Nebenbei arbeitet die Autorin als freie Journalistin.

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