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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2018
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Abb.: 15
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Ein geschlossenes psychiatrisches Setting bedeutet Zwang: Besonders in der Akutversorgung werden Zwangsmaßnahmen durchgeführt. Trotz grundlegender Veränderungen durch Reformen der letzten Jahrzehnte in den entwickelten Ländern bezüglich der Behandlung von Patienten ist Zwang in der deutschen Psychiatrie noch immer weit verbreitet. Nach aktueller Studienlage sind Patienten auf geschlossenen psychiatrischen Akutstationen besonders stark von Zwangsmaßnahmen und Zwangsmedikation betroffen, obwohl jede Zwangsbehandlung sowie jede Zwangsmaßnahme einen gravierenden Grundrechtseingriff darstellt. In der psychiatrischen Praxis scheint das Bewusstsein dafür nicht durchgängig vorhanden zu sein und so gibt es noch immer Mängel sowie einen großen Handlungsbedarf bezüglich dieses ethisch brisanten Themas. Vor diesem Hintergrund ist ein Umdenken entstanden, das sich dadurch auszeichnet, Zwang, Türschließung, Restriktion und Isolation in der Behandlung psychiatrisch erkrankter Menschen zu reduzieren Eine konkrete Lösung der Problemstellung könnte das Konzept der offenen Tür in der Psychiatrie sein, welches in den letzten Jahren oft diskutiert wurde und in bereits mindestens zwanzig (von insgesamt ca. 400) psychiatrischen Kliniken in Deutschland praktiziert wird. Darüber hinaus spielt eine frühzeitige Wiedereingliederung in die Gemeinschaft eine tragende Rolle. Das bedeutet beispielsweise, dass die Betroffenen schon während des Klinikaufenthaltes Zugang zu gemeindeintegrierten, ambulanten und komplementären Angeboten erhalten oder versucht wird, akutpsychiatrische Patienten generell länger im ambulanten und häuslichen Setting zu behandeln und zu versorgen, anstatt die Betroffenen stationär zu isolieren. Die Psychiatrie steht deshalb auch in Zukunft vor großen Aufgaben und Herausforderungen, um sich als ein modernes medizinisches Fach zu positionieren, zu entstigmatisieren und um die Selbstbestimmungsrechte und Autonomie der Patienten zu wahren.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.2 (Zwangs-)Unterbringung und rechtliche Rahmenbedingungen Wenn ein Patient gegen seinen Willen in räumlich abgegrenzten Bereichen eines Krankenhauses, beispielsweise auf einer geschlossenen Akutstation, für einen gewissen Zeitraum festgehalten wird, dann wird von einer Zwangseinweisung oder einer freiheitsentziehenden Unterbringung gesprochen. Bei ca. 25% aller Aufnahmen in der Psychiatrie handelt es sich um Zwangseinweisungen. Laut Behrens ist das [...] die wohl am schwersten in individuelle Freiheitsrechte eingreifende Maßnahme[...] . Es werden in Deutschland drei rechtliche Arten von Unterbringungen unterschieden: - die öffentlich-rechtliche Unterbringung bei Selbst- oder Fremdgefährdung entsprechend der Landesgesetze für Hilfen für psychisch Kranke nach PsychKG - die zivilrechtlich/betreuungsrechtliche, fürsorgliche Unterbringung bei Selbstgefährdung nach § 1906 BGB sowie - die strafrechtliche Unterbringung bei Schuldunfähigkeit gemäß § 63 und § 64 StGB Es kommt häufig vor, dass Patienten aufgrund ihrer Erkrankung mit der Einweisung in die Psychiatrie nicht einverstanden sind. Oft wird eine notwendige Behandlung verweigert, da meist keine Krankheitseinsicht vorhanden ist. Bei jeder Form der Behandlung bedarf es allerdings vorab einer Einwilligung des Patienten. Erfolgt keine Einwilligung zu Beginn einer Behandlung oder im Rahmen der Aufnahmesituation, wird gegen geltendes Recht verstoßen. Die Bundesrepublik Deutschland legt in 19 Artikeln die für alle Menschen geltenden Grundrechte vor. Eine Zwangsunterbringung, Zwangsbehandlung sowie die Durchführung von Zwangsmaßnahmen verstoßen grundsätzlich gegen das im Grundgesetz formulierte Freihheitsgrundrecht sowie auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Eine Behandlung gegen den freien Willen einer Person vorzunehmen oder sie in eine geschlossene Einrichtung unterzubringen gilt daher als Grundrechtsverletzung. Sie erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung und Freiheitsentziehung. Der Arzt oder das Pflegepersonal machen sich daher ohne eine wirksame Einwilligung strafbar. Tritt der Fall ein, dass das Leben und die Gesundheit eines Patienten oder die Rechtsgüter anderer durch den Betroffenen aufgrund seiner psychiatrischen Erkrankung gefährdet werden und dies auf andere Weise nicht abgewendet werden kann, oder ist der Patient aufgrund seines krankheitsbedingten Zustandes weder einsichts- noch steuerungsfähig, so kann eine Behandlung gegen den Willen des Patienten eingeleitet werden und es erfolgt eine Zwangseinweisung. Ist der Patient weiterhin selbstbestimmungs- und einwilligungsfähig, verbietet sich jede Zwangsmaßnahme und -behandlung. Werden hingegen bestimmte Voraussetzungen erfüllt, darf in die Rechte der Betroffenen eingegriffen werden. Aber nur mit Hilfe eines anderen Gesetzes können die Grundrechte eingeschränkt werden. Die Entscheidung, ob eine Behandlung gegen den Willen des Patienten durchgeführt werden soll, obliegt hier nicht dem Arzt, sondern wird generell von einer unabhängigen Kontrollstelle, einem zuständigen Gericht getroffen, welches dann die jeweils verbindlichen Unterbringungsgesetze prüft. 5.2.1 Betreuungsrechtliche Unterbringung Die Rechtsgrundlage für eine zivilrechtliche/betreuungsrechtliche Unterbringung eines Patienten bildet der § 1906 Abs. 1-3 BGB in Verbindung mit § 312 Nr. 1 FamFG . Voraussetzung für die fürsorgliche Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 BGB ist, dass dem Betroffenen ein gesetzlicher Betreuer zur Seite gestellt wurde. Die zwangsweise Unterbringung und Behandlung in einer psychiatrischen Einrichtung ist demnach nur durch einen gesetzlichen Betreuer und mit Genehmigung des zuständigen Betreuungsgerichtes möglich. Es wird im Zivilrecht zwischen der Verwahrungsunterbringung und der Behandlungsunterbringung gemäß BGB unterschieden. Bei der Verwahrungsunterbringung handelt es sich ausschließlich darum, selbstgefährdende Betreute auf einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses zu verwahren, solange es zum Wohle des Patienten erforderlich ist. Die Gefährdung muss durch eine psychische Krankheit oder geistige und seelische Behinderung verursacht sein. Zwangsmaßnahmen, beispielsweise Fixierungen, oder die Behandlung gegen den Willen des Patienten sind hier allerdings nicht inbegriffen. Das Ziel der Verwahrungsunterbringung ist die Gefahrenabwendung für den Betroffenen. Für die Behandlungsunterbringung, sprich für eine ärztliche Maßnahme im Rahmen einer Zwangsbehandlung ist es erforderlich, dass der Patient bereits untergebracht ist und sich in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung befindet. Gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist die Behandlungsunterbringung gegen den freien Willen eines Patienten nur zulässig, wenn zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, [welcher] ohne die Unterbringung [...] nicht durchgeführt werden kann, [weil] der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit [...] nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Daneben konkretisiert der § 1906 Abs. 3 Nr. 1-5 BGB weitere Voraussetzungen für die Durchführung einer Zwangsbehandlung. Nr. 1 fordert, dass der Patient aufgrund seiner psychischen Erkrankung oder seelischen Behinderung nicht einwilligungsfähig ist. Laut Nr. 2 muss der Betreute vom gesetzlichen Betreuer und dem Arzt davon überzeugt worden sein, die Behandlung zunächst freiwillig durchzuführen. Hierfür muss hinreichend über Behandlungsmaßnahmen und deren Notwendigkeit aufgeklärt werden. Die Gespräche zwischen dem Patienten und dem Arzt sollten vertrauensbasiert und ohne Druck erfolgen. Für den Überzeugungsversuch sollten ca. 10-14 Tage vergehen, bis man den Versuch als gescheitert ansieht. Weiter wird erwähnt, dass die Zwangsbehandlung lediglich zum Wohl des Betreuten sowie zum Schutz vor erheblichen gesundheitlichen Schäden durchzuführen ist und keine milderen Alternativmaßnahmen zur Verfügung stehen, die der Zwangsbehandlung vorzuziehen wären. Der zu erwartende Nutzen der Zwangsbehandlung muss gegenüber der zu erwartenden Beeinträchtigung laut Nr. 5 überwiegen. Für die Behandlungsunterbringung muss ein gesetzlicher Betreuer mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung/Unterbringung und Gesundheitsfürsorge vorhanden sein. Die Behandlungsbetreuung hat insbesondere das Ziel, einerseits gesundheitliche Gefahren abzuwenden und andererseits beim Patienten eine freie Willensbestimmung wiederherzustellen, damit er selbstbestimmt über den weiteren Verlauf der Behandlung frei entscheiden kann. 5.2.2 Öffentlich-rechtliche Unterbringung Im Gegensatz zu der zivil-/betreuungsrechtlichen Unterbringung, die für alle Bundesländer in gleicher Weise gilt, erfolgt die öffentlich-rechtliche Unterbringung nach Landesrecht. Jedes Bundesland in Deutschland hat demzufolge ein eigenes Landesgesetz hinsichtlich der Unterbringung psychisch kranker Menschen. Je nach Bundesland werden diese Landesgesetze entweder Unterbringungsgesetz oder Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) genannt. Die Bundesländer haben zwar eigene Regelungen, inhaltlich ähneln sich diese Gesetze stark. In Sachsen gilt das SächsPsychKG, welches in den weiteren Ausführungen exemplarisch als Diskussionsgrundlage dienen soll. Beim SächsPsychKG handelt es sich nicht nur um ein reines Gesetz zur Unterbringung und Regelung von Zwangsmaßnahmen und –behandlungen psychisch kranker Menschen, es beinhaltet vielmehr Hilfen und Schutzmaßnahmen für die jeweiligen Betroffenen. Die Rechtsgrundlage für eine öffentlich-rechtliche Unterbringung in Sachsen ist § 312 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit §§ 10 ff. SächsPsychKG. Unterbringungen nach PsychKG sind als unbedingt notwendige, in der Regel kurzfristige Kriseninterventionen mit Schutzfunktion für die Betroffenen und Dritte gedacht. Im Gegensatz zur zivilrechtlich/betreuungsrechtlichen Verwahrungsunterbringung wird eine Zwangseinweisung nicht durch den gesetzlichen Betreuer wahrgenommen, sondern in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung erfolgt dies durch den Staat, also durch das Ordnungsamt. Die Vorrausetzungen für eine Unterbringung nach PsychKG sind in § 10 SächsPsychKG geregelt. Demnach ist [e]ine Unterbringung [...] nur zulässig, wenn und solange ein psychisch kranker Mensch infolge seiner psychischen Krankheit sein Leben oder seine Gesundheit erheblich und gegenwärtig gefährdet oder eine erhebliche und gegenwärtige Gefahr für bedeutende Rechtsgüter anderer darstellt und die Gefahr nicht auf andere Weise abwendbar ist. Im Vergleich zur betreuungsrechtlichen Unterbringung nach BGB wird beim SächsPsychKG fremdgefährdendes Verhalten seitens des Betroffenen als Voraussetzung für eine Zwangsunterbringung berücksichtigt. Das Ziel einer Unterbringung nach PsychKG ist primär die Abwendung der Selbst- und Fremdgefährdung und sekundär die Schaffung eines fürsorglichen Angebots. In der Regel soll eine Behandlung erfolgen, die der Einwilligung des Betroffenen bedarf und auf einen gemeinsamen Konsens zwischen Patient und Behandler aufbaut. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es allerdings möglich, einen PsychKG-Untergebrachten gegen seinen Willen zu behandeln. Gemäß § 22 Abs. 2 SächsPsychKG ist eine Behandlung nur zulässig, wenn die Behandlung der Anlasserkrankung geboten ist, um die tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung wieder herzustellen, damit dem Patienten nach der Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft möglich ist [...] und [...]dazu dient, eine schwerwiegende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Patienten abzuwenden[...] . Das SächsPsychKG konkretisiert im § 29 nochmal deutlich, dass die Unterbringung eines psychisch Kranken sowie das angestrebte Behandlungsziel [...] nach Möglichkeit in offenen und freien Formen erfolgen[...] soll.

Über den Autor

Cedric Butze schloss sein Studium im Pflege- und Gesundheitsmanagement an der Fachhochschule Dresden – University of Applied Sciences mit dem B.A. Pflege- und Gesundheitsmanager erfolgreich ab. Der Autor ist als examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger in psychiatrischen Fachkliniken und als gesetzlicher Betreuer tätig.

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