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Pädagogik & Soziales

Sven Krugmann

Berufsorientierung und Lebensplanung in der Hauptschule: Konzeption und Praxis

ISBN: 978-3-95934-600-9

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die aktuelle Diskussion im Deutschen Bildungswesen hat nach der PISA-Studie, durch die sich schwerwiegende Mängel des deutschen Schulwesens auftaten, die Hauptschule erreicht. Nun erwartet Deutschland voller Spannung die neue OECD-Studie Bildung auf einen Blick , in der die zusammengeschlossenen 30 Industrienationen jährlich auf ihr Bildungswesen hin untersucht werden. Während in allen Ländern sowohl bei der PISA- als auch der OECD-Studie 2004 die Länder Spitzenpositionen belegen, in denen ein Gesamtschulsystem existiert, hält Deutschland jedoch an seinem dreigliedrigen Schulsystem fest. Einen zentralen Stellenwert bei der Teilnahme an der Gesellschaft nimmt der Beruf ein. Der Zugang aber wird vom Schulabschluss bestimmt. Zudem macht der aktuelle Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft die Eingliederung von Absolventen der unteren Bildungsabschlüsse in die Wirtschafts- und Arbeitswelt schwierig. Neben dem aktuellen Stand der Diskussion um diesen Themenkomplex, der aus der vielfältigen Literatur zur Berufsorientierung in der Hauptschule herausgefiltert wird, soll ein historischer Abriss die Entwicklung des auf die Arbeits-, Wirtschafts- und Gesellschaftswelt vorbereitenden Unterrichts aufzeigen, um den heutigen Stellenwert der Orientierungshilfe ermessen zu können. Insgesamt soll deutlich werden, dass die Schüler und Schülerinnen, welche die Hauptschule mit oder ohne Abschluss verlassen, heute mehr denn je konkrete Hilfestellungen zur eigenen Lebensgestaltung und -planung brauchen, denn die Wirtschafts-, Arbeits- und Gesellschaftswelt empfängt sie nicht mit offenen Armen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.1, Zur Lebenswelt und Ausgangssituation von Hauptschülern: Jeder, der schon einmal mit Hauptschülern im Unterricht zusammengearbeitet hat, sieht sich zwangsläufig mit folgenden Aussagen konfrontiert: Ich bin/Wir sind doch eh nur Hauptschüler und, wenn etwas nicht so funktioniert, wie es sich der Unterrichtende vorstellt: Was erwarten Sie? Wir sind hier in der Hauptschule . Die Aussagen zeigen, dass den Schülern ihre Situation mehr als deutlich bewusst ist, sie schrauben die Erwartungen an sich selbst herunter oder versuchen andere durch solche Aussagen dazu zu bringen, die Erwartungen an sie selbst zu reduzieren. Doch wo liegen die Gründe für diese Einstellung, warum stigmatisieren sich die Schüler in diesem Maße selbst, welche Umstände bringen sie dazu, ein derartiges Selbstbild aufzubauen, das mit dem Bild des regen, flexiblen, durchsetzungsstarken Menschen unserer modernen Leistungsgesellschaft absolut nicht konform geht? Bei der Analyse der Berufsorientierungshilfe für Hauptschüler, die in unserer Arbeits- und Wirtschaftswelt eine sinnvolle Lebensplanung und einen realistischen Entwurf der eigenen zukünftigen Lebenswelt beinhalten und selbstständige Gesellschaftsmitglieder hervorbringen soll, muss man sich deren aktuelle Lebenswelt ansehen und in welchem gesellschaftlichen Kontext sie stehen. Der Wahl der Ausbildungsform und der damit verbundenen Positionierung in Bezug auf den zukünftigen Status in der Gesellschaft kommt heute eine weit größere Bedeutung zu als früher. In vorindustrieller Zeit spielte die familiäre Herkunft die entscheidende Rolle (vgl. Linssen, R. Leven, I Hurrelmann, K. 2002, S. 53f.). Im Gegensatz dazu wird heute die spätere Teilhabe an der Gesellschaft durch die Qualifikationen und Legitimationen des jeweiligen Schulsystems bestimmt (vgl. ebd., S. 54). Es erscheint nur logisch, dass die Qualifikationsmöglichkeiten am unteren Ende dieses Systems (Haupt- und Sonderschule) diejenigen Gesellschaftsmitglieder hervorbringt, welche am wenigsten an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben können. Bereits am Bildungshintergrund der Eltern lässt sich zumeist festmachen, zu welcher Statusgruppe die Jugendlichen später zählen werden. Als Statusgruppen sind hier Unterschicht, untere Mittelschicht, Mittelschicht, obere Mittelschicht und Oberschicht gemeint (vgl. ebd.). Der Unterschicht gehören 10 Prozent und der unteren Mittelschicht 27 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren in Deutschland an. Die Shell-Jugendstudie stellt dazu fest, dass sich die Bildungschancen nicht unabhängig vom Bildungshintergrund der Eltern ... betrachten lassen. Mithin kann von einem durchlässigen, jedoch nicht durchmischenden Schulsystem die Rede sein ... (Ebd., S. 55). Generell lässt sich feststellen, dass Mädchen mittlerweile die Jungen in höher qualifizierenden Schulabschlüssen überrundet haben: Im Gymnasium sind 43 Prozent aller Schülerinnen und 39 Prozent aller Schüler versammelt. Genau umgekehrt stellt sich das Bild in der Haupt- und Sonderschule dar: 19 Prozent aller Schülerinnen steht ein Jungenanteil von 24 Prozent gegenüber (vgl. ebd., S. 63). Die Abhängigkeit vom soziokulturellen Hintergrund lässt sich auch daran erkennen, dass 49 Prozent der Haupt- und Sonderschüler aus der Unterschicht und 33 Prozent aus der unteren Mittelschicht stammen (vgl. ebd.). Damit kommen 82 Prozent aller bundesdeutschen Haupt- und Sonderschüler aus benachteiligten, durch die Gesellschaft stigmatisierten Schichten der Bevölkerung. Daraus lässt sich schließen, dass ein Großteil des anfangs erwähnten Minderwertigkeitsgefühls bereits von der häuslichen Umgebung mitgebracht wird. Wie stark sich das Prestige der mittleren oder oberen Schulbildung in den Köpfen der Schüler der Hauptschule festgesetzt hat, zeigt die Aussage eines Drittels der Hauptschüler, wonach sie einen mittleren oder höheren Bildungsabschluss anstreben, also einen höheren als den Hauptschulabschluss, auf welchen sie zurzeit hinarbeiten (vgl. ebd., S. 65). Das wiederum zeigt, wie wenig sich die Jugendlichen mit der von ihnen besuchten Schulform identifizieren. Sie streben nach einem höheren Abschluss, ob sich dies aber im Blick auf das einzelne Individuum wirklich realisieren lässt, sei dahingestellt. Im Rahmen der in dieser Arbeit beschriebenen Projekte stellte sich oft heraus, dass die Möglichkeiten des Einzelnen doch meist dem Wunsch nach einem höheren Bildungsabschluss entgegenstand. Eine Hauptschülerin, deren Versetzung stark gefährdet ist, spricht vom Realschulabschluss, als hätte sie bereits mit ihrer jetzigen Bildungsform abgeschlossen und erst danach beginne ihr eigentlicher schulischer Werdegang. Umso härter muss diese Schülerin am Ende ihrer Schulzeit die Realität treffen. 25 Prozent aller Schüler in der Hauptschule haben bereits eine Klasse wiederholt, bei 32 Prozent ist die Versetzung gefährdet (vgl. ebd., S. 68f.). Das daraus resultierende Gefühl, selbst am unteren Ende der Skala nicht mithalten zu können, verstärkt das ohnehin allgegenwärtige Minderwertigkeitsgefühl. Die meisten Eltern wünschen sich einen guten Schulabschluss und damit eine bessere Positionierung ihrer Kinder in der Berufs-, Wirtschafts- und Arbeitswelt sowie den damit verbundenen gesellschaftlichen Status. So entsteht noch mehr Druck auf die einzelnen Schüler, der nicht unterzubewerten ist (vgl. ebd., S. 68). Auch Hurrelmann und Jeske sehen Gefahren wie die Schwächung des Selbstwertgefühls, somatische oder psychische Gesundheitsstörungen oder Stigmatisierungen (Hurrelmann, K. 1997 Jeske, W. 1981 zit. n. Linssen, R. Leven, I Hurrelmann, K. 2002, S. 68). Zur Selbstwertkrise vieler Hauptschüler kommt bei einem beträchtlichen Teil auch noch eine real begründete Versagensangst hinzu. Es ist klar, das diese Schüler sich in der Schule nicht wohl fühlen können und nur ungern zur Schule gehen. Hier wird ihnen schließlich immer ihre Unzulänglichkeit vor Augen geführt. Ein wesentlicher Unterschied in der Selbstwahrnehmung zwischen Hauptschülern und etwa Real- und Gymnasialschülern besteht in Hinsicht auf die eigene Zukunftsperspektive. Hauptschüler sind sich unsicherer als Real- und Gymnasialschüler, ob sie das angestrebte Ziel erreichen werden (vgl. ebd., S. 73f.). Und 40 Prozent der Hauptschüler sind sich unsicher, ob sie ihren Wunschberuf wirklich ergreifen können, am Gymnasium sind es nur 20 Prozent (vgl. ebd., S.74). Diese Unsicherheit ist, wie sich am Ende der Schulzeit zeigt, leider oftmals begründet: 12 Prozent der 12- bis 25-Jährigen, welche die Schule verlassen haben, sind arbeitslos, 64 Prozent haben entweder keinen (45 Prozent) oder den Hauptschulabschluss (19 Prozent). So müssen sich diese Schulabgänger anderweitig orientieren, um ins Berufsleben eintreten zu können. Viele suchen nach alternativen Berufsmöglichkeiten, andere insistieren auf ihrem speziellen Wunsch. Es stellt sich die Frage, ob z. B. ein Junge am Ende der neunten Klasse, dessen Wunsch es ist, Kfz-Mechatroniker zu werden, der aber aufgrund der schlechten Situation auf dem Lehrstellenmarkt eine Ausbildung zum Bäcker macht, wirklich motiviert arbeiten kann. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, ihn schon in der Schule auf diese mögliche Situation aufmerksam zu machen und gemeinsam mit ihm realisierbare Alternativen zu entwickeln? Neben der Shell-Studie machen auch eine Vielzahl von Autoren auf die belastenden soziokulturellen Faktoren der Hauptschüler aufmerksam. Fink geht u. a. auf das geschlechtsspezifische Gefälle, das Elternhaus als Risiko und die psychische Stabilität der Schüler und Schülerinnen ein (vgl. Fink, M. 2003, S. 200ff.). Zusätzlich weist er auf die Belastungen durch ein höheres Armutsrisiko (S. 205) hin. 1995 waren 23 Prozent aller Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt zwischen 15 und 29 Jahren alt. Die Armut belastet Kinder und Jugendliche in dreifacher Hinsicht: Sie belastet strukturell, indem Eltern die über ein niedriges Einkommen verfügen, lediglich eine unzureichende bis schlechte Ernährung bieten können. Sie belastet bildungsspezifisch, indem sie schlechtere Lernmöglichkeiten und Lernumgebungen evoziert. Sie belastet entwicklungspsychologisch, durch dass das Aufwachsen in einem Haushalt mit belastenden Milieus stattfindet (Vgl. Dangschat, J. 1996, S. 167, zit. n. Fink, M. 2003, S. 206.). 3.2, Die Shell-Studie 2002: Werte und Wertetypen unter Jugendlichen: Um erfassen zu können, was die Jugendlichen im Bildungsgang Hauptschule als wichtig erachten bzw. was eine eher untergeordnete Rolle in ihrem Leben spielt, wird hier die aktuelle Jugendstudie der Deutschen Shell des Jahres 2002 herangezogen, die vier Wertetypen im Block der 12- bis 25-Jährigen festmacht: die Idealisten, die Unauffälligen, die Macher und die Materialisten. 3.2.1, Idealisten: Den Idealisten ist es wichtig, sozial Benachteiligten zu helfen (vgl. Linssen, R. Leven, I Hurrelmann, K. 2002, S. 160ff.). Sie tolerieren andere Meinungen, denn Toleranz als Wert nimmt bei ihnen einen hohen Stellenwert ein. Wichtiger als Fleiß und Ehrgeiz ist ihnen Fantasie und Kreativität. Weiterhin ist ihnen der Respekt vor Recht und Gesetz wichtig, überhaupt haben Ideale und Wertvorstellungen in dieser Gruppe den höchsten Stellenwert vor den anderen Gruppen. Vor allem Mädchen und junge Frauen finden sich in der Gruppe der Idealisten. Insgesamt zählt ein Viertel aller 12- bis 25-Jährigen dazu. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob die Jugendlichen aus den neuen oder alten Bundesländern kommen, die Werte variieren um nur einen Prozentpunkt. Die meisten Idealisten finden sich in der Altersgruppe der 22- bis 25-Jährigen. Bei Studierenden, nicht Erwerbstätigen und Gymnasiasten sind sie am häufigsten anzutreffen.

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