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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die psychische Erkrankung eines Elternteils stellt für Kinder ein kritisches Lebensereignis dar. Empfindliche Änderungen im Familienalltag gehen in der Regel mit erheblichen Belastungen einher. Kinder psychisch kranker Eltern werden häufig als ‚vergessene‘ Angehörige bezeichnet, da sie kaum die Möglichkeit besitzen ihre Bedürfnisse und Probleme zu äußern. Wesentlicher Belastungsfaktor ist die häufige Übernahme der Erwachsenenrolle und die damit einhergehende Verantwortung für Geschwister und kranke Elternteile. Aber auch Schuldgefühle des Kindes aufgrund fehlender Kenntnisse über die elterliche Erkrankung und die Isolierung vom sozialen Umfeld wirken sich negativ auf die Entwicklung des Kindes aus. Kinder von psychisch kranken Eltern haben etwa ein 2- bis 10-fach (je nach Krankheit) erhöhtes Risiko, selbst eine psychische Störung zu entwickeln, da sie häufig besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Psychische Störungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen. Die Anzahl minderjähriger Kinder psychisch kranker Eltern wird auf ca. 200.000 bis 500.000. geschätzt. Es ist erstaunlich, dass das Thema in der deutschsprachigen Fachöffentlichkeit lange Zeit kaum Beachtung fand. Problematisch ist, dass der Fokus der Erwachsenenpsychiatrie immer noch auf den Patienten liegt und die Angehörigenarbeit gewöhnlich nur die Arbeit mit erwachsenen Angehörigen beinhaltet. Anhand von Studien widmet sich dieses Buch den schwierigen Lebenssituationen und Auswirkungen auf die Kinder von psychisch kranken Eltern. Der Schwerpunkt liegt zum einen auf den Risikofaktoren, die sich auf kindliche Entwicklung gefährdend auswirken können und zum anderen auf der Frage, was Kinder psychisch kranker Eltern stärken kann.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Zur Lebenssituation Kinder psychisch kranker Eltern: Ein psychisch krankes Familienmitglied steht in der Regel im Mittelpunkt der Familie, bekommt von Angehörigen viel Aufmerksamkeit und kann zudem aus einer Vielzahl von professionellen Unterstützungsmöglichkeiten wählen. Häufig erwarten Fachleute, und oftmals der Erkrankte selbst, von Angehörigen, dass sie Verständnis für die Erkrankung aufbringen und ihn mit allen Mitteln unterstützen. Die Belastungen und eigenen Bedürfnisse der Angehörigen werden dabei oft übersehen und gerade Kinder sind die schutzlosesten Angehörigen (vgl. Beeck 2004b, S. 9). Erst seit Ende des 1990er Jahre werden Kinder von Fachleuten explizit als Angehörige wahrgenommen. Das Interesse an der konkreten Betroffenheit, Problemen im Alltag und Belastungen verlagert sich nun auch auf die betroffenen Kinder (vgl. Lenz 2005, S. 73). Sie leiden besonders unter den Auswirkungen einer psychischen Erkrankung ihrer Eltern, da unmissverständlich sie die bedürftigsten Angehörigen mit den geringsten emotionalen und finanziellen Ressourcen sind (vgl. Beeck 2004b, S. 9). Studien bestätigen einen Zusammenhang zwischen psychischer Erkrankung der Eltern und Störungen der kindlichen Entwicklung (vgl. Lenz/Kuhn 2010, S. 269). Aufgrund ihrer Lebensumstände und ihrer genetischen Disposition zählen Kinder zu einer Hochrisikogruppe für psychische Krankheiten, psychovegetativen Störungen und andern stressbedingten Erkrankungen. ‘Eine determinierte Wirkung genetischer Faktoren kann aber ausgeschlossen werden’ (Lenz/Kuhn 2010, S. 269). Festgehalten werden kann, dass die genetische Ausstattung die Umwelteinflüsse moderieren (vgl. ebd.). Laut der Gießener Angehörigenstudie ist die durchschnittliche Stressbelastung von Angehörigen psychisch kranker Menschen genauso hoch, wie bei einem Menschen der sich kurz vor seiner ersten Examensprüfung befindet (vgl. Franz/Meyer/Gallhofer 2003, S. 215ff.). 4.1, Typische Auffälligkeiten und Verhaltensweisen: Die Tabuisierung psychischer Erkrankungen in der Öffentlichkeit und in den Familien sowie die fehlende Krankheitseinsicht verhindern oftmals ein Erkennen der kindlichen Problemlage. Nicht selten verlaufen psychische Erkrankungen phasenweise, sodass in stabilen Zeiten der Elternteil unauffällig ist. Oftmals ist es ein Gefühl, dass mit dem Elternteil des Kindes ‚irgendetwas nicht stimmt‘ und weiterhin ist problematisch, dass bestimmte Verhaltensweisen und Auffälligkeiten andere Ursachen haben können. Katja Beeck (2004b, S. 14) hat einige Hinweise, die auf eine psychische Erkrankung eines Elternteils hindeuten können, zusammengestellt. Diese dienen in erster Linie Fachkräften, die mit Kindern zusammenarbeiten (z.B. Schule/Kindergarten). Aber auch für Personen aus dem erweiterten Umfeld können diese Hinweise nützlich sein: Anzeichen von Verwahrlosung, die durch schmutzige Kleindung oder fehlendes Pausenbrot erkennbar sind oder gar Konzentrationsschwierigkeiten, die in einer chronischen Müdigkeit gipfeln können, erweisen sich oft als äußerlich ersichtliche Anzeichen. Folge dessen ist ein Einbrechen der Schulleistungen. Auffällig ist, dass die betroffenen Kinder wenige Freundschaften haben und in einer Außenseiterposition verweilen. Sie können sich nur schwer aus dieser Rolle befreien, da selbst den Mitschülern der Kontakt zum Schüler durch ihre Eltern verboten wird und sie so nicht mehr nach Hause eingeladen werden. Als Gesprächspartner bevorzugen sie Erwachsene und verhalten sich auffällig erwachsen, sind selbständig, verantwortungsbewusst, vernünftig, ernst und übernehmen häufig Verantwortung und Aufgaben. Kinder mit einem psychisch kranken Elternteil sind fürsorglich, wachsam und haben Schwierigkeiten, sich auf andere zu verlassen und einzulassen. Bei Nachfragen nach den Lebensumständen der Familie erfinden sie Ausreden oder weichen aus. Kinder psychisch kranker Eltern sind von der Bestätigung durch außen angewiesen, da sie ein geringes Selbstkonzept haben, das durch wenig Selbstwertgefühl, Selbstzweifeln, mangelnde Selbstwahrnehmung geprägt ist. Aggressives Verhalten gegenüber Mitschülern (Jungen), Autoaggressionen (Mädchen) könnten auch Hinweise auf betroffene Kinder sein (vgl. Beeck 2004b, S. 15f.). 4.2, Kinder als Angehörige psychisch kranker Eltern: In Albert Lenz‘ qualitativer Erhebung (2005) wurden in leitfadengestützten Interviews 22 Kinder und Jugendliche im Alter von sieben bis 18 Jahren befragt. Man verfolgte das Ziel, die subjektive Lebenswirklichkeit der Kinder aufzuzeigen und einen umfassenden Einblick in ihre Erlebens- und Gefühlswert, Vorstellungen, Gedanken und Wünsche zu geben (vgl. Lenz 2005, S. 73ff.). Es standen folgende Fragestellungen im Fokus der Untersuchung: ‘Wie erleben und bewältigen Kinder die psychische Erkrankung ihrer Eltern? Wie nehmen sie die Auswirkungen der Erkrankung auf das Familienleben wahr? Wie erleben die Kinder den Klinikaufenthalt des erkrankten Elternteils? Wie sehen ihre Vorstellungen über die Ursachen der Erkrankung aus? Welche Formen der Unterstützung erhalten sie bzw. wünschen sie sich?’ (Lenz 2005, S. 76). 4.2.1, Gefühle und Gedanken der Kinder: Für Kinder stellt sich vor allem die Klinikeinweisung als eine einschneidende Erfahrung dar. Sie werden mit schmerzlichen Verlusterfahrungen konfrontiert. Ist die Mutter erkrankt, steht das Kind vor drastischen Veränderungen im Alltag: ‘Ja, es war komisch, besonders weil es so ´ne Nacht- und Nebelaktion war. Wir Kinder wussten nicht davon und wir kamen aus der Schule und plötzlich hieß es dann: Jetzt machen wir Urlaub im Sauerland, weil wir auch hier Verwandte haben und ja dann standen wir plötzlich hier […]’ (Lenz 2005, S. 83). Besonders dramatisch ist die Situation, wenn der Erkrankte zwangseingewiesen werden muss: ‘[…] dann hat mein Vater gesagt: ‚Sie kommen gleich.‘ Da sagte sie nur: ‚Bitte nicht, bitte nicht‘.’ (Lenz 2005, S. 84). Die Kinder erleben, wie der Elternteil durch die Zwangseinweisung an Autonomie und Autorität verliert. Traumatische Gefühle der Angst und Hilfslosigkeit begleitet von Verzweiflung entstehen ebenso wie den Zwangsmaßnamen vorangegangene Ereignissen, wie Suizidandrohungen oder Suizidversuche:

Über den Autor

Jasmin Jasz, Dipl.-Päd., wurde 1986 in Eschweiler geboren. Ihr Studium der Erziehungswissenschaft (Schwerpunkte: Sozial- und Sonderpädagogik) schloss die Autorin im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad der Diplom-Pädagogin ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin praktische Erfahrungen in Wohneinrichtungen für psychisch kranke und behinderte Erwachsene sowie im Integrationsfachdienst bei der sozialpädagogischen Unterstützung von Schülern/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Übergang von der Schule in den Beruf. Derzeit ist Sie in einem Gemeindepsychiatrischen Zentrum angestellt.

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