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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 03.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Über Jahrzehnte spielten die Männer keine entscheidende Rolle in der Familie. Sie fügten sich der traditionellen Norm. Morgens schluckte sie die Fabrik, um sie abends wieder müde auszuspucken. Wenn sie für ihre Kinder auftauchten, dann als Ernährer und Disziplinierer. Emotionale oder gar Bindungsfähigkeiten wurden den Vätern abgesprochen. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung, d.h. der vermehrten Berufstätigkeit der Frau, dem Durchbruch der Emanzipation, der nicht mehr gegebenen lebenslänglichen männlichen Arbeitsplatzsicherheit etc., rutschte der Mann immer mehr ins Abseits. Forsche Zeitgenossen schrieben ihn daher als durch Frauen ersetzbar ab. Dass dem nicht so ist, möchte ich gerne mit meiner Lektüre, die auf neueren Untersuchungen der Vaterforschung fußt, nachweisen. Kinder brauchen Väter (und Mütter) für ein gesundes Wachstum. Männliche und weibliche Identität baut auf das Vorhandensein von anwesenden und sich den Kinder zuwendenden Vaterfiguren auf.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Die Vater-Kind-Beziehung in der Gegenwart: Die alltägliche Norm war die des arbeitenden Vaters und die der erziehenden Mutter. Männer waren ‘abwesende Väter’, ‘Schattenväter’ oder ‘Wochenendväter’. Die Mehrzahl dieser Spezies hatte keine bzw. nur eine geringe oder gar negative Bedeutung für die Sozialisation und Entwicklung ihrer Sprösslinge. 3.1, Die ‘Vaterlose Gesellschaft’: Die Überlegungen von A. Mitscherlich, der 1963 den Begriff von der ‘Vaterlosen Gesellschaft’ entwarf, nahm dieses erlebte und sich anbahnende Vakuum auf. Mitscherlichs Thesen gingen dahin, dass es aufgrund der umfassenden Industrialisierung zu einer bedeutenden Schwächung des Vaters gekommen sei. Der Vater habe als kleiner Angestellter oder Arbeiter die natürliche Autorität verloren, so dass den Söhnen nun keine Identifikationsfiguren mehr zur Ver-fügung ständen. Der Vater könne nichts mehr zur Förderung der geistigen Fähigkeiten sowie der Fähigkeit zu ausdauernder Arbeit beitragen. Die zunehmende ‘Entväterlichung’ zeige sich im mangelnden Sozialisations- und Erziehungsgeschehen und der verringerten innerfamiliären Machtposition. Matzner (1998) streicht aber heraus, dass die Analyse Mitscherlichs nicht die konkrete Vater-Kind-Beziehung betreffe, sondern es ihm um die ‘Vatergestalt’, bzw. das ‘gesellschaftliche Vaterbild’ gehe. Dieses Bild stütze sich auf eine väterliche Autorität, die zunehmend an Einfluss verliere. Mitscherlich erwartet deswegen einen weitgehenden ‘Rückzug des Vaters aus unserer Gesellschaft’. Dieser spiegle sich wider in der ‘Entleerung der auctoritas (lat. Vorbild) und in der Verringerung der innerfamiliären potestas (lat. Gewalt) des Vaters.’ Der Autoritätsverlust komme zustande durch die außerhäusliche Erwerbstätigkeit des Vaters und die damit verbundene Rolle als fehlende Diziplinierungsinstanz. Petri (2004) hält diese Betrachtung für zu kurz gegriffen. Er wirft Mitscherlich vor, dass er mit seiner Fokussierung auf die industriellen Arbeitsbedingungen einen wesentlichen Grund der ‘Unsichtbarkeit der Väter’ ausklammert und damit der kollektiven Verdrängung des Vaterverlusttraumas durch zwei Weltkriege den Boden bereitet habe. Nave-Herz (1985, S. 49) plädiert in ähnlicher Weise: ‘Diese ‚Entleerung’ sei außerdem die Folge der Schuldbeladenheit der Vätergeneration aufgrund der Involvierung in das NS-System.’ Die fehlende Reflektion schlug dann in der 1968er Bewegung ins Gegenteil um. Die real vaterlose Generation erklärte der ‘traditionellen Familie’ den Krieg. In Folge dessen erwuchs wieder eine Kindergeneration, die diesmal ‘nicht durch einen militärischen, sondern den Krieg der Geschlechter’ einen großen Teil ihrer Väter verlor. 3.2, Die ‘Neuen Väter’: Aufgrund dieser schmerzhaften Entwertung und Angriffe sahen manche Wissenschaftler die Vaterschaft in eine umfassende Krise taumeln. Doch mit der Vaterschaft ist es wie mit der Geschichte vom Hasen und dem Igel. Mag der alte ‘Vaterhase’ sich totgelaufen haben. Der ‘neue Vater’ kündigt sich mit seinem zaghaften ‘Ich bin schon da!’ inmitten dieser Trümmer an. Matzner (2004) konstatiert einen ermutigenden, wenn auch unsicheren Neuanfang: ‘Viele Väter suchten sozusagen erst nach ihrer neuen pädagogischen Rolle und seien verunsichert. Manche Väter hätten die neue pädagogische Rolle bereits gefunden, indem sie Spiel – und Freizeitkameraden geworden seien. Auch die Versorgung und Betreuung gehöre manchmal zu den neuen pädagogischen Aufgaben dieser Väter, wobei hier noch Ambivalenz und Unsicherheit herrschten, da aktive Vaterschaft noch immer nicht zu ‚echter Männlichkeit’ passe.’ Es wird von einer ‘neuen Väterlichkeit’ bzw. von ‘neuen Vätern’ gesprochen. Eine Sensibilität für die Wichtigkeit der Vater-Kind-Beziehung begann zu erwachen. Väter wollen sich nicht mehr auf die Rolle des ‘symbolischen Vaters’ beschränkt sehen, sondern anwesende und damit erfahrbare Väter sein. Antje Wewer (2004) skizziert: ‘Die neuen Väter haben ein Selbstbild entworfen, das weit über die klassische Rolle des Familienoberhauptes hinausgeht. Freiwillig übernehmen sie familiäre Aufgaben, die früher den Frauen vorbehalten waren. Sie wollen nicht nur für die finanzielle Sicherheit sorgen, sie wollen ihren Kindern nahe sein und ihre Entwicklung miterleben. Die Betreuung ihrer Söhne und Töchter ist für sie keine unangenehme Pflicht, sondern eine substantielle Bereicherung. Das fängt beim Wechseln der Windeln an.’ Nach einer Väterstudie, die von der Firma Procter & Gamble in Auftrag gegeben wurde, sind Wickeln und Füttern für viele der Väter inzwischen selbst-verständlich. ‘Neue Väterlichkeit’ bedeutet: ‘Väter wollen mehr Zeit haben für ihre Kinder. Sie verstehen sich nicht bloß als ‚Ernährer der Familie’, sondern wollen aktiv an der Kindererziehung mitwirken.’ Das Bild vom Vater als ‘Ernährer der Familie’ ist ein Auslaufmodell. Eine Studie des Bundesfamilien-ministeriums (2001) belegt diese These: ‘Zwei Drittel der Väter sehen sich als ‚Erzieher ihrer Kinder’, was auch von den Partnerinnen bestätigt wurde.’ Die ehemalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann bringt diesen Wandel auf den Punkt: ‘Männer wollen sich aktiv an der Betreuung und Erziehung von Kinder beteiligen und die Entwicklung der Kleinen bewusst erleben.’ 3.3, Der Wandel der Familie: Neben der Diskussion um die ‘Vaterlose Gesellschaft’, das Aufkommen der ‘Neuen Väter’ gibt es weitere Anstöße, die den Wandel der Familie, d.h. eine Veränderung des gängigen Rollenbildes, dass die Väter für den ökonomischen Bereich zuständig sind, während die Mütter die Innenwelt, d.h. den Bereich der Betreuung und Zuwendung, abdecken, beschleunigten. Vier Gründe seien hier genannt: • Das gesellschaftliche Umdenken als Folge der 68er Bewegung. • Die zunehmende Emanzipation der Frauen. Diese drückte sich aus in einer verbesserten rechtlichen Gleichstellung in Familie und Gesellschaft, der Beseitigung der Bildungsbenachteiligung und der Möglichkeit der Erwerbstätigkeit. Frauen wurden selbstständige, gleichberechtigte Partner. Bedingt durch die Berufstätigkeit haben die Frauen weniger Zeit für die Kinder und benötigen Hilfe von außen. Diese Orientierung der Frau nach außen bedingt eine höhere Beteiligung der Väter an der Hausarbeit und besonders an der Kinderversorgung. Camus (2003) bezeichnet diesen Wechsel mit ‘nicht Gleichheit – sondern weniger Ungleichheit.’ • Die signifikante Zunahme von Scheidungen und Trennungen. • Das Entstehen von neuen Formen des Zusammenlebens. Familie ist heute vielerorts nicht mehr Familie im ‘traditionellen’ Sinne, sondern oft ein Mosaik von Familienstrukturen.

Über den Autor

Rüdiger Jope, geb. 1969, studierte Theologie und Sozialpädagogik und ist Redakteur des Kirchenmagazins 3E – echt.evangelisch.engagiert. Er lebt zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern in Wetter/Ruhr. In seiner Freizeit ist er leidenschaftlicher Läufer.

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