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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das öffentliche Interesse an Bildung hat in den letzten Jahren in Deutschland stetig zugenommen. Beginnend mit der frühkindlichen Bildung ( Frühförderung ) sorgen sich Eltern um die bestmögliche Ausbildung ihrer Kinder und das damit assoziierte Kindeswohl. Dies zeigt sich allein dadurch, dass 75% der Eltern den Schulabschluss ihres Kindes als sehr wichtig einstufen. Mit dieser erhöhten Sensibilität der Eltern geht ein Vertrauensverlust gegenüber dem staatlichen Schulsystem einher. Eltern ergreifen die Selbstinitiative und bemühen sich unabhängig vom öffentlichen Bildungsauftrag persönlich um die Förderung ihrer Kinder. Die zunehmende Nachfrage nach privaten Bildungseinrichtungen, sei es nach Privatschulen oder privaten Nachhilfeeinrichtungen, und die damit einhergehende Stärkung des dritten Sektors gelten als Zeugnis dieser (bedrohlichen) Entwicklung. So ergibt eine Studie der Zeitschrift Eltern im Auftrag des FORSA-Instituts, dass 54% der Eltern ihre Kinder auf eine Privatschule schicken würden, sofern sie es sich finanziell leisten könnten. Paradoxerweise spielt der Privatschulbereich in der Bildungsforschung bislang jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Aufgrund dessen orientiert sich das vorliegende Buch an folgenden Leitfragen: Gibt es tatsächlich eine rapide ansteigende Zunahme von Privatschulen? Geht diese Entwicklung mit den PISA-Ergebnissen einher? Sind Privatschulen tatsächlich besser als die staatlichen Schulen? Was sind die wirklichen Beweggründe für Eltern, ihre Kinder an einer privaten Einrichtung unterrichten zu lassen? Dabei geht es nicht nur darum, die einzelnen Leitfragen separat zu erörtern. Vielmehr sollen die Wechselbeziehungen aufgezeigt werden und mögliche Widersprüche zwischen den in der Presse und von Eltern kolportierten subjektiven Eindrücken mit wissenschaftlichen Daten in Verbindung gesetzt werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.1, Legitimation des Privatschulwesens: ‘Das Privatschulwesen hat faktisch eine angestammte und keinesfalls unbedeutende Rolle’. So urteilt Leschinsky über das Privatschulwesen in Deutschland und gibt damit einerseits die historische Komponente der Privatschulen zu erkennen und andererseits deren Bedeutung für das gesamte Schulwesen. Liedtke spricht in diesem Zusammenhang von einem ‘historischen und systematischen Vorrang’ sowohl der Hauslehre als auch der Privatschule. Den historischen Vorrang begründet er simpel damit, dass beide Formen von Unterrichten ‘historisch wesentlich älter sind als die staatlich getragenen öffentlichen Schulen’. Klein stimmt dieser Argumentation bei und verweist dabei auf die Schulen als kirchliche, somit private Einrichtungen seit Beginn des 5. Jahrhunderts. Liedtke hingegen sieht die ersten Formen der institutionalisierten Schule bereits ‘in den Schreiberschulen der frühen mesopotamischen und ägyptischen Hochkultur’. Ungeachtet dieser Debatte um die historischen Ursprünge der Institution Schule scheint eine Differenzierung von staatlichen und privaten Schulen erst mit der Verstaatlichung des Schulwesens zu Zeiten Luthers sinnvoll zu sein. Hierdeis sieht in dem Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1794 den Startpunkt der öffentlichen Schule das Attribut der Regelschule zuzuteilen, indem die öffentliche Erziehung zur Staatsangelegenheit erklärt wurde. Die Verstaatlichung des Schulwesens wird von einigen Autoren als ‘soziale Großtat’ und als historischer Einschnitt vom Ausmaß der Sozialgesetzgebung am Ende des 19. Jahrhunderts bewertet. Demgegenüber sieht Klein diesen Akt als erstes Indiz für die staatliche Willkür und die einsetzende Benachteiligung von Privatschulen, die bis heute andauert. Nichtsdestotrotz waren ebenso eindeutige Schwächen des Privatschulwesens zu erkennen, die zur Etablierung der staatlichen Schule beigetragen haben. Das eklatanteste Versagen der Hauslehre und der privaten Schulen, welches in großem Maße zu ihrer Ablösung als Regelschule geführt hat, besteht in ihrer sekundierenden Funktion zur gesellschaftlichen Segregation in zweierlei Hinsicht. Zum einen bedingt die personelle Situation im Rahmen der Hauslehre, die meist individuell oder in Kleingruppen erfolgte, immer ‘ein Stück sozialer Isolierung, ein Stück Beschneidung der sozialen Erfahrungsmöglichkeiten des Kindes oder Jugendlichen’. Diese Konstellation zur sozialen Abgrenzung und Sicherung der Privilegien kann als Ursprung für die von Merkle und Wippermann diagnostizierten fremden Sinn- und Wertehorizonte angesehen werden. Ein anderer Grund für den Niedergang des Privatschulwesens besteht in dem vormals missionarischen Eifer der kirchlich getragenen Schulen. Trotz ihrer selektiven Förderung von ‘untypischer’ Schülerschaft kann es aus geschichtlicher Perspektive keinen Zweifel daran geben, dass die ‘konfessionelle Schule der nachreformatorischen Zeit (...) durchgängig ein Instrument der gesellschaftlichen Teilung ?darstellte?, weil weniger die christlichen Gemeinsamkeiten als vielmehr die konfessionellen Unterschiede Anlass zur Einrichtung dieser Schulen waren’. Die beiden genannten Argumente für die Schwäche der Privatschulen repräsentieren gleichzeitig zwei der vier Säulen für die Existenz des Privatschulwesens. Neben dem Machterhalt kirchlicher Organisationen und der Reproduktion sozialer Eliten legitimiert sich das Privatschulwesen durch die Etablierung alternativ-pädagogischer Konzepte und die Praxisnähe und Anpassungsfähigkeit in der Berufsausbildung. Diese vier Prinzipien standen in starkem Kontrast zu der Staatsräson, die geprägt ‘von der neuzeitlichen Säkularisierung und von einem aufklärerischen Staatsrecht’ war. Nichtsdestotrotz war der Staat in der Folgezeit immerzu vor allem auf die konfessionellen Schulen angewiesen, um die Schulpflicht gewährleisten zu können. Diese gegenseitige Abhängigkeit - der Staat hatte weitgehende Befugnisse bei der Genehmigung und Kontrolle von Privatschulen - begründete damit das bis heute andauernde erfolgreiche Fortleben der konfessionellen Schulen. Zudem hatte die Säkularisierung, die mit weit reichenden gesellschaftlichen Veränderungen einherging, keinen entscheidenden Einfluss auf das Schulrecht. Der Wendepunkt in der Bedeutung des Privatschulwesens werden in der Zeit der Industrialisierung während des 19. Jahrhunderts und der Weimarer Verfassung von 1919 gesehen. Artikel 147 der Weimarer Verfassung verfügte erstmals über das Verhältnis von staatlichen zu privaten Schulen: Den Privatschulen wurde der Ersatzcharakter für das öffentliche Schulwesen attestiert, die genehmigungsbedürftig sind. Ferner wurden ein Sonderungsverbot der Schülerschaft und die wirtschaftliche und rechtliche Sicherung der Lehrer festgelegt. Somit stehen die Genehmigungsbedingungen des GG in enger Tradition mit den Verlautbarungen aus der Weimarer Verfassung. Ebenso wurden die bereits erwähnte besonderen Bedingungen zur Errichtung einer privaten Volksschule aufgestellt, die bis heute fortbestehen. Eine weitere Zäsur in der Geschichte von Privatschulen, aber auch für das öffentliche Schulwesen stellte die Herrschaft der Nationalsozialisten dar. Unabhängig von ihrer Trägerschaft wurden Schulen, die nicht konform im Sinne der nationalsozialistischen Linie waren, geschlossen und letztendlich wurden bis 1938 alle Privatschulen verboten. Das Ende des nationalsozialistischen Regimes bedeutete einen weiteren Einschnitt für das gesamte Schulwesen: Das Bonner Grundgesetz (1949) verfasste in Anlehnung an die Weimarer Verfassung ihre Grundsätze bezüglich des Privatschulwesens in Deutschland. Besonderen Umwälzungen waren die konfessionellen Privatschulen ausgesetzt, die schließlich auch ihre momentane außerordentliche Stellung partiell erklären. Ihre über Jahrhunderte dauernde Hegemonie im Bereich des Schulwesens wurde durch die Entwicklungen im 20. Jahrhundert auf eine harte Probe gestellt. Mit dem Verbot der religiös geprägten Bildungseinrichtungen während des Nazi-Regimes erlitten sie ihren absoluten Tiefpunkt. Die sowohl quantitativ als auch qualitativ herausragende Stellung unter den Privatschulen heutzutage lässt sich durch die Bestimmungen des GG und dem darin impliziten Sonderungsverbot der Schüler und der staatlichen Alimentierung von Privatschulen erklären. Die Gruppe um Cortina urteilt, dass mit diesen Entscheidungen ‘der Ball in Sachen Privatschulneu- (bzw. wieder-)gründungen deutlich den beiden Großkirchen zugespielt worden?sei?‘. Nachdem bereits die Legitimation des Privatschulwesens in Deutschland aus historischer Sicht erläutert wurde, soll dieses Kapitel dazu dienen, den Auftrag und die Funktion der Privatschulen zu erläutern. Diesbezüglich werden dem Privatschulwesen drei zentrale Merkmale zugeschrieben, die eng miteinander verknüpft sind: Man spricht dabei von gesellschaftlichen, sozialen und pädagogischen Funktionen der privaten Bildungseinrichtungen. Der Diskurs über die Aufgaben der Privatschulen schwelt durch aktuelle Entwicklungen an, ist jedoch in seiner Erscheinung nicht neuartig. Bevor jedoch die spezifischen Eigenschaften des Privatschulwesens vorgestellt werden, ist es sinnvoll zunächst die Funktion der Institution Schule und deren Ziele aufzuführen. Mit Hilfe der einschlägigen Bestimmungen aus dem GG und den unterschiedlichen Schulgesetzen lässt sich das Aufgabenspektrum dieser Institution verlässlich bestimmen.

Über den Autor

Martin Köhler studierte Politik/Wirtschaft, Englisch und Deutsch als Fremdsprache auf Lehramt für Gymnasien. Seine Schwerpunkte waren dabei Bildungspolitik, Neue Medien und interkulturelle Verständigung.

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