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Pädagogik & Soziales

Christian Schipke

Wie sind wir? Die Auseinandersetzung zwischen Philosophie und Neurowissenschaften

ISBN: 978-3-8428-9514-0

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Verbindung zwischen den Neurowissenschaften und der Philosophie des Geistes ist keine neue Erscheinung. Im Jahre 1986 prägt Patricia Smith Churchland den Ausdruck Neurophilosophie für eine ihrer Meinung nach unverzichtbare Disziplin, die beide Wissenschaften miteinander verbinden, dabei jedoch im Wesentlichen unter der Federführung der Neurowissenschaften verbleiben sollte. Ausgelöst durch Veröffentlichungen zweier Neurowissenschaftler hat gegenwärtig eine breit angelegte Debatte um die Bedeutung neurowissenschaftlicher Forschungsergebnisse ihren Weg in die öffentlichen Medien gefunden. Noch über den engeren Rahmen des gehobenen Feuilletons hinaus reicht die Aufmerksamkeit mittlerweile bis in die Bereiche der Fernsehfeatures, der populären Sachbücher und der Illustrierten. Die Initiatoren dieser Debatten, die Neurowissenschaftler Gerhard Roth und Wolf Singer, haben dabei vor allem mit der provokanten These Aufsehen erregt, dass es sich bei der menschlichen Willensfreiheit um eine bloße Illusion handele. Damit kondensieren nach ihrer Ansicht die traditionellen Problemstellungen der Philosophie des Geistes, der Philosophie der Person und der Ethik in einigen Tropfen Hirnforschung. Aber kann das richtig sein?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Das psychophysische Problem: Die Philosophie des Geistes beschäftigt sich vornehmlich mit Phänomenen, Prozessen und Zuständen des menschlichen Bewusstseins. Innerhalb der neuzeitlichen Theorieentwicklung rückt vor allem das Verhältnis von Körper und Bewusstsein in den Mittelpunkt der Untersuchungen. Allerdings muss die Frage nach der Beziehung zwischen Körper und Bewusstsein bis heute als ungeklärt gelten. Vielfach scheint es sogar so, als träten hinter den ständig neuen Anläufen zur Beantwortung dieser Frage letztlich immer wieder die gleichen wohlbekannten Problemstellungen zutage. In der Hartnäckigkeit dieses so genannten psychophysischen Problems offenbaren sich unter anderem grundlegende epistemologische Fragestellungen. Der menschliche Körper wird den Wissenschaften immer weit reichender zugänglich, indem die Möglichkeiten der Perspektive der dritten Person methodisch ständig erweitert werden. Insbesondere die Neurowissenschaften und die Humangenetik erweitern derzeit die Grenzen des Wissens über den menschlichen Körper und seine Funktionsweisen immer weiter bis in den mikroskopischen Bereich hinein. Leider bezieht sich diese Erweiterung des methodischen Zugriffs nur auf den physischen Aspekt der Problematik. Der Phänomenbereich des Psychischen hingegen gilt diesem epistemischen Zugriff in der Regel als systematisch unzugänglich. Denn allein aus der Perspektive der ersten Person stellt das Bewusstsein sich in den meisten Fällen als unhintergehbar und unmittelbar gegeben für jede Person dar. Unter den epistemischen Voraussetzungen des naturwissenschaftlichen Modells geraten Bewusstseinszustände und -prozesse allenfalls indirekt in den Blick, sei es in den Verhaltensbeschreibungen behavioristischer Prägung oder durch die Beobachtung von hirnphysiologischen Abläufen. So bleibt auch die Beziehung zwischen Körper und Bewusstsein gegenüber Erklärungen geschlossen. Hier offenbart sich eine grundlegende Differenz zwischen ontologischem und epistemischen Zugriff. Es kann zwar mittlerweile als unstrittig gelten, dass unser Bewusstsein ohne unseren Körper und damit auch ohne unser Gehirn nicht existieren würde. In dieser Hinsicht herrscht heute in der Philosophie so etwas wie ein naturalistischer Minimalkonsens. Wie nun aber das Bewusstsein mit dem Körper und dem Gehirn verbunden ist oder aus ihm hervorgeht, bleibt der Kern des psychophysischen Problems. Vor diesem Problemhintergrund spielt sich die aktuelle Debatte zwischen Neurowissenschaften und der Philosophie ab. Nachdem 2000 Jahre der philosophischen Untersuchung in den Augen der Neurowissenschaftler keine tatsächlich verwertbaren Ergebnisse zur Lösung des psychophysischen Problems geliefert hätten, streben sie nun ihrerseits eine Beseitigung des Problems mit den Mitteln der Naturwissenschaften an. Der Revisionslaune einiger Neurowissenschaftler ist mit gebührender Zurückhaltung zu begegnen. Es besteht kein Anlass, den gesamten Theoriebestand der Philosophie des Geistes zu verabschieden. Schon ein flüchtiger Blick verrät, dass das Bild der Philosophie des Geistes, das von neurowissenschaftlicher Seite gezeichnet wird, in manchen Fällen polemischen Absichten oder fehlender Sachkenntnis entspringt. Die Positionen der Philosophie des Geistes sind jedoch hoch differenziert und ihre begrifflichen Mittel sind reichhaltig. Führt man sich die entsprechende Theorielandschaft vor Augen, so verflüchtigt sich rasch der generelle Innovationsverdacht, den die Neurowissenschaften zuweilen gegen sich selbst hegen. Im Zuge einer solchen Ernüchterung wird dann der Weg frei für eine realistische Einschätzung beider Theorielager und der Möglichkeiten eines kooperativen Verhältnisses. Die Problemkonstellation, in deren Rahmen sich diese Kontroverse zuträgt, ist seitens der analytischen Philosophie in Form eines Trilemmas herausgearbeitet worden. Die Ausgangsproblematik des psychophysischen Trilemmas, der sich beide Disziplinen dabei stellen müssen, wird durch das Zusammenspiel folgender Sätze konstituiert: (1) Mentale Phänomene sind nicht-physische Phänomene. (2) Mentale Phänomene sind im Bereich physischer Phänomene kausal wirksam und umgekehrt. (3) Der Bereich physischer Phänomene ist kausal geschlossen. Es ist sofort ersichtlich, wieso es sich bei dieser Aufstellung um ein Trilemma handelt. Es können nämlich nicht alle drei Aussagen zugleich wahr sein. Aussage (1) postuliert als Differenzthese den prinzipiellen Unterschied zwischen Erlebnissen und Ereignissen. Aussage (2) steht als Wechselwirkungsthese für die gegenseitige kausale Verursachung von Erlebnissen und Ereignissen. Die Geschlossenheitsthese in Aussage (3) des psychophysischen Trilemmas gibt die Erkenntnisse der Physik wieder. Akzeptieren wir Aussage (1) und (2), gelangen wir zu einer substanzdualistischen Position. Die Akzeptanz von (1) und (3) führt uns in einen psychophysischen Parallelismus. Die Aussagen (2) und (3) münden zusammengenommen in die monistische Position des Materialismus. Aus der Auflösung dieses Trilemmas ergeben sich verschiedene Lösungsansätze, welche die verschiedenen philosophischen Strömungen widerspiegeln, die auch zum Teil von den Naturwissenschaften aufgegriffen wurden. Im Folgenden sollen dualistische und monistische Theorien zum psychophysischen Problem näher betrachtet werden.

Über den Autor

Chrstian Schipke, M.A., wurde 1971 in Dortmund geboren. Er studierte Philosophie und Kommunikationswissenschaft an der Universität Duisburg-Essen sowie Philosophie und Neurowissenschaften an der University of Skövde in Schweden. Nach unterschiedlichen beruflichen Stationen ist Christian Schipke heute Wissenschaftsmanager an einer der größten Forschungseinrichtung Europas.

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