Suche

» erweiterte Suche » Sitemap

  • Sie befinden sich:
  • Fachbücher
  • »
  • Pädagogik & Soziales
  • »
  • Beziehungsdynamik in der sozialpädagogischen Beratung: Das Phänomen der Übertragung und Gegenübertragung

Pädagogik & Soziales


» Bild vergrößern
» weitere Bücher zum Thema


» Buch empfehlen
» Buch bewerten
Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 12.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 72
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Woran kann es liegen, dass ein Beratender einen Klienten, der die Sprechstunde betritt, von Anfang an unsympathisch findet? Oder es besteht von Anfang an eine große Zuneigung, obwohl man sich nicht kennt. Weshalb reagieren manche Personen auf eine scheinbar belanglose Frage mit einer heftigen emotionalen Reaktion? Diese Reaktionen können aufgrund einer möglichen Übertragung oder Gegenübertragung entstehen und lassen sich nicht nur im alltäglichen Miteinander beobachten, sondern auch in sozialpädagogischen Beratungsprozessen. Die Übertragung ist ein universelles, zwischenmenschliches Phänomen das innerhalb jeder Interaktion auftreten kann. Der Prozess der Übertragung und Gegenübertragung ist ein zentraler Bestandteil in der Psychotherapie, findet sich jedoch auch in der sozialpädagogischen Beratung. Innerhalb der Pädagogik ist dieses Phänomen allerdings erst wenig erforscht. Die vorliegende Bachelorarbeit verfolgt das Ziel, die Wirkung des Phänomens der Übertragung und Gegenübertragung herauszustellen und auf die sozialpädagogische Beratung zu transferieren. Es wird dabei der Frage nachgegangen, wie die Übertragung und Gegenübertragung die Beziehung zwischen Berater und Ratsuchenden beeinflussen kann und in welcher Form Übertragungen sichtbar werden. Zudem wird herausgearbeitet, wie mit dem Phänomen der Übertragung und Gegenübertragung sinnvoll umgegangen werden kann, um eine ertragreiche Beziehung aufzubauen und zu erhalten. Kann der Berater vielleicht sogar die Übertragung nutzen um einen Beratungserfolg zu erzielen? Ziel der Arbeit ist es zudem pädagogische Handlungsweisen aufzuzeigen, die den Umgang mit einer möglichen Übertragung erleichtern.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5. Übertragung und Gegenübertragung in Beziehungen: 5.1 Die Übertragung: 5.1.1 Definition und Geschichte der Übertragung: Die Übertragung ist ein klassisches Instrument der Psychoanalyse und wurde von Sigmund Freud entdeckt. Übertragung bedeutet, dass der Mensch frühere Erfahrungen, oftmals aus der Kindheit, auf aktuelle Beziehungen und Situationen überträgt. Er transferiert Gefühle, die er einmal mit anderen Menschen erlebt hat, auf das derzeitige Leben. (vgl. Gill 2007, S. 1) Meist handelt es sich dabei um verinnerlichte Beziehungsmuster. Da diese unterdrückten Gefühle den Klienten oftmals belasten ist es wünschenswert, dass sie in der Therapie auftauchen und den Klienten dadurch erleichtern. Die Übertragung ist wie eine Offenbarung des Unbewussten. Man unterscheidet zwischen positiver Übertragung, die für Gefühle wie Zuwendung oder Liebe steht, sowie der negativen Übertragung, die Empfindungen wie Hass widerspiegeln (vgl. Niehaus 2009, S. 14). Übertragungsprozesse finden seit jeher in der menschlichen Kommunikation statt. Doch erst seit 1895 wurde der Begriff der Übertragung durch Sigmund Freud in seinen Studien der Hysterie hervorgebracht. (vgl. Oberhoff 2002, S. 15) Freud lernte während seiner psychotherapeutischen Tätigkeit viele innerpsychische Abwehrmechanismen kennen, die er in dem genannten Werk nieder schrieb. Dort taucht erstmalig das Phänomen der Übertragung auf, bei dem der Patient davor erschrickt, dass er bei der Analyse peinliche Vorstellungen auf den Arzt überträgt. Freud stellte fest, dass die Übertragung auf den Arzt durch eine falsche Verknüpfung geschieht, er hielt es für einen Zwang und eine Täuschung, die während der Behandlung hinderlich ist, aber nach der Beendigung der Analyse abgehandelt sei (Ebenda, S. 33). Freud unterscheidet die Übertragung als Widerstand gegen das Erinnern und als die Form des Erinnerns. Er empfand die Übertragung als stärksten Widerstand gegen die Behandlung und sprach davon, dass die Übertragung bezwungen werden muss. (Freud 1912, S. 374) Die Wende trat ein, als Freud die Übertragung als eine Form des Erinnerns bezeichnete, in dem die Klienten die vergessenen Empfindungen, die oftmals im Zusammenhang mit einer Neurose6 stehen kann, in der Beziehung zum Psychoanalytiker wiederholen. Der Patient reproduziert allerdings nicht die Erinnerung, denn er überträgt, ohne es zu wissen. (vgl. Oberhoff 2002, S. 35) Daran lässt sich erkennen, weshalb Freud all die Jahre das Übertragungsphänomen als Feind betrachtet hat. Er war fixiert auf das Füllen von Erinnerungslücken, anstatt sich dem aktuellen Beziehungsgeschehen zuzuwenden. Durch diese Erkenntnis sollte die Übertragung nicht mehr verhindert werden, sondern die Beziehung zum Therapeuten intensiviert werden. So wurde die Übertragung zu einem mächtigen Hilfsmittel, mit dessen Hilfe das Seelenleben der Patienten, auch aus der frühen Kindheit, verstanden werden kann (vgl. Ebenda, S. 37). Bei dem genannten Prozess geht es darum, seine eigenen Gefühle zu akzeptieren und zu integrieren, anstatt sie als bedrohlich wahrzunehmen und zu verbannen. Denn bei der Übertragung handelt es sich um eine Wiederholung der lebensgeschichtlichen Vergangenheit, die es zu Verstehen gilt. Daher wird dieser Vorgang auch biographisches Verstehen genannt. Es dreht sich allerdings nicht nur um das bloße Erinnern. Gemeinsam mit dem Analytiker findet eine Rekonstruktion der Vergangenheit statt, die nicht völlig wahrheitsgetreu sein muss und wobei vielfältige Irrtümer auftauchen können. Sofern eine realistische Annäherung gelingt, können verloren geglaubte Gefühle integriert werden und man erhält eine völlig neue Sichtweise auf die Biographie. Durch Freuds Ansatz des biographischen Verstehens, der nicht nur am Krankheitssymptom, sondern an der Entwicklung der persönlichen Identität interessiert ist, gewinnt diese Methodik an Bedeutung, auch über den therapeutischen Rahmen hinaus (vgl. Ebenda, S. 50). 5.1.2 Übertragungsformen: In Interaktionsprozessen fließen oftmals frühere Muster von Geschehnissen bewusst oder unbewusst in die Kommunikation mit ein. Der Mensch empfindet etwas, das eigentlich auf vergangenen Erfahrungen beruht. Unbewusste Gefühle werden wieder aktiviert und beeinflussen die aktuelle Beziehung. Daher können diese Übertragungen als eine Ursache von Beziehungs- oder Kommunikationsschwierigkeiten betrachtet werden. Folgende Übertragungen können während einer Beratung auftauchen: Spontane Übertragungen treten aufgrund von äußeren Erscheinungsformen eines Menschen auf. Man fühlt sich an eine andere Person erinnert. Diese Übertragungsform löst sich von selbst auf, wenn man realisiert, dass es sich dabei nicht um die Projektionsfigur früherer Erfahrungen handelt. Typologische Übertragungen entstehen durch allgemeine Rollenerwartungen, wie z.B. das Berater-Ratsuchende-, oder Schüler-Lehrer-Verhältnis. Wenn man merkt, dass die Person nicht dem eigenen Klischee entspricht, korrigiert man diese Annahme ohne dass es dem Betroffenen bewusst wird. Nototrische Übertragungen beruhen auf frühen Erfahrungen, welche die Psyche geprägt haben und sind lebensgeschichtlich bedingt. Meist handelt es sich um unbewältigte Erlebnisse, die sich immer wieder neu inszenieren (vgl. Belardi 2005, S. 23). Wie bereits im ersten Kapitel erwähnt, können auch institutionelle Übertragungen auftreten. Dabei werden Wünsche und Illusionen projiziert, die im Zusammenhang mit der Institution, in diesem Fall der Beratungsstelle, stehen. Befindet sich die Beratung im Hause eines kirchlichen Trägers können Bezeichnungen wie Mutter Kirche die Institution mit elterlichen Zuständigkeiten verknüpfen. Aber auch der gegenteilige Effekt kann auftreten, wenn das Gebäude oder die Instanz den Ratsuchenden eher beunruhigen. Diese institutionellen Übertragungen sind Affekte und Einstellungen die in der Familie oder durch andere Bezugspersonen erlernt wurden und nun auf die Institution übertragen werden. (vgl. Gröning 2006, S. 65) Zudem existieren im Kontext der Beratung die familiarisierte und die kulturelle Übertragung. Die familiarisierte Übertragung entsteht z.B. dadurch, dass der Mensch eine Beziehung zu Vorgesetzten und dem Team eingeht und Gefühlshaltungen von seinen Eltern auf diese Personen überträgt. Traditionelle Rollenverteilung und hierarchische Strukturen innerhalb der Institution unterstützen diesen Vorgang. Die kulturelle Übertragung bezieht sich auf das Bildnis des Fremden . Dieses Bildnis ist entwicklungspsychologisch bedingt und entsteht zeitgleich mit dem vertrauten Bildnis der Mutter. Das Vertraute und das Fremde werden in Kategorien wie das Gute und das Schlechte eingeteilt. Reale Erfahrungen, die man mit Fremden gemacht hat, können auf Andere übertragen werden, wodurch eine Voreingenommenheit entstehen kann (vgl. Gröning 2006, S. 72). 5.1.3 Übertragung auf den Berater: Freud richtete seine Konzentration hauptsächlich auf die Übertragungsneurose, was dazu führte, dass sich dieses Phänomen ausschließlich auf eine therapeutische Situation reduzierte. Das Wiederaufkommen von vergangenen Gefühlen kommt jedoch auch in weiteren beruflichen Feldern wie eben der Beratung zum Tragen. Außerhalb des analytischen Settings muss die Übertragung jedoch differenziert werden, da der Berater zunächst nicht mit dem Ratsuchenden verwickelt ist und eine andere, neutralere Rolle, als der Therapeut besitzt. (vgl. Oberhoff 2002, S. 51) Eine Kernrolle in einer Beratungssituation spielt die spontane Übertragung, die gegenüber allen Personen auftreten kann. Diese sich wiederholenden Erfahrungen führen dazu, bestimmte Erwartungen an eine Situation zu haben und diese Annahme auch an den Berater auszusenden. Der Ratsuchende bringt dem Berater Gefühle entgegen, die ursprünglich früheren Beziehungspartnern gegolten haben. Kommt es zu einer positiven Übertragung und der Ratsuchende wendet sich mit Vertrauen an den Berater um Hilfe zu erlangen, kann ein positives Arbeitsbündnis entstehen. Durch die Objektbeziehungstheorie lässt sich die Beziehungsdynamik zwischen Berater und Klient genauer beschreiben. Der Klient macht den Berater innerhalb einer Beratungssituation zu einem Objekt, in dem er Aspekte der Objektrepräsentanz auf ihn überträgt. Dies können z.B. ablehnende oder kritisierende Betrachtungsweisen früherer Beziehungspersonen sein. Alternativ kann er auch Aspekte der Selbstrepräsentanz z.B. Unsicherheit übertragen. Es handelt sich also um Interaktionsmuster, die den verinnerlichten Objektbeziehungen entsprechen. Zur Verdeutlichung wird hierzu jeweils ein Beispiel aufgeführt: Übertragung als Objektrepräsentanz Bei der Übertragung der Objektrepräsentanz, die aus früheren Beziehungsmustern entstanden sind, hat ein Klient gelernt, dass er immer abgewiesen wird, sobald er aktiv auf jemanden zugeht. Er trägt dadurch ein inneres Bild (Objektbeziehung) und wird in weiteren Beziehungen immer eine Zurückweisung erwarten, wenn er aktiv auf Menschen zugeht, oder er wird ihnen ausweichen, um die damit verbunden Gefühle zu vermeiden.

weitere Bücher zum Thema

Zur Qualität der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Trägern der freien Jugendhilfe und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe

Eine Analyse des Zusammenhangs von Förderung und Partnerschaft

ISBN: 978-3-96146-968-0
EUR 49,50

Prävention sexualisierter Gewalt. Kompetenzentwicklung im Rahmen des Religionsunterrichts

Aspektorientierte Analyse der Problematik, christliche Perspektiven und Unterrichtsansätze

ISBN: 978-3-96146-947-5
EUR 39,50


Bewerten und kommentieren

Bitte füllen Sie alle mit * gekennzeichenten Felder aus.