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Pädagogik & Soziales

Philipp Heil

Cyber-Bullying und Schule: Die anonyme Gewalt im Netz

ISBN: 978-3-95934-728-0

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Abb.: 13
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung führt im Rahmen des vorliegenden Buches zu dem Ergebnis, dass bei Cyber-Bullying aufgrund der gegenwärtigen Handlungsunfähigkeit und Ohnmacht vieler Lehrkräfte nicht von einer weiteren Herausforderung, sondern einer akuten Überforderung vieler Schulen und Lehrer in Deutschland zu sprechen ist. Der Grund für ausbleibende bzw. verzögerte Reaktionen auf das neue Gewaltphänomen lässt sich allerdings nicht ausschließlich bei den Lehrkräften verorten. Cyber-Bullying wurde als Problem viel zu spät diagnostiziert, weshalb pädagogische Maßnahmen bislang auf sich warten ließen. Es ist darüber hinaus nicht immer sofort ein Thema, das von der Polizei oder Juristen gut geregelt werden kann, da die Vorgehensweise der individuellen Schwere des Vorfalls angepasst werden muss. Viele nicht-juristischen Maßnahmen und Hilfsangebote – auch für besonders schwerwiegende Quälereien –, die im Buch vorgestellt werden, sind häufig viel effektiver und tragen eher dazu bei, auch die Würde sowie das Selbstbewusstsein der Opfer langfristig wiederherzustellen. […] Weiterhin vermittelt dieses Buch grundlegende Präventions- und Interventionsmaßnahmen für den Ernstfall.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4. Zum Umgang mit der alten und neuen Herausforderung: Das traditionelle Mobbing im Klassenzimmer einerseits und Cyber-Bullying andererseits, sind grundsätzlich als zwei verschiedene Gewaltphänomene zu betrachten, deren Spezifika in den vorhergehenden Kapiteln dargestellt wurden. Cyber-Bullying kann allerdings eine Fortsetzung des traditionellen Mobbings sein, weshalb die Entwicklungen des Sozialgefüges im Klassenraum bei der Lehrerbildung sowie bei der Präventions- und Interventionsarbeit stets mitberücksichtigt werden müssen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die neue Herausforderung aus dem klassischen Mobbing in Verbindung mit dem Missbrauch der Neuen Medien hervorgeht und eine neue und eine kaum greifbare Dimension annimmt. Warum mobben Schüler in der Schule oder im Internet? Viele Täter möchten vor ihrer Klasse besonders cool wirken. Es wird Schüler geben, die eigene Schwächen zu verbergen versuchen, indem sie Mitschüler erniedrigen. Andere wiederum demonstrieren mit ihren Handlungen ihre Machtposition und zeigen auf, was sie sich erlauben können, ohne dabei von den Lehrern erwischt oder bestraft zu werden. Im Internet wird es noch einfacher und perfider, da es im Zuge der Anonymität noch seltener Konsequenzen hat. Vielen Tätern kommt es wie ein Spiel vor und kann durchaus auch aus Langeweile geschehen. Macht wird dann zum Spaßfaktor. Andere haben Freude an der Demütigung und sehen in Mobbing-Handlungen eine Art Aggressionsventil: Sie finden es schön, jemanden leiden zu sehen, der nicht weiß, von wem er gequält wird. Ihr Ziel ist dabei die Genugtuung durch Machtausübung und das Empfinden von Dominanz und kann z. B. aus Liebeskummer- oder Eifersuchtsmotiven resultieren. Lehrer müssen folglich ein Gespür dafür entwickeln, ob derartige Machtspiele in ihrer Klasse vorkommen und diese gegebenenfalls unterbinden, vermeintliche Späße auf Kosten von immer denselben Schülern im Keim ersticken und generell Verhaltensregeln für den respektvollen Umgang miteinander etablieren und überwachen. Wer wird Opfer? Das typische Mobbing-Opfer gibt es nicht, es kann somit jeden treffen und die Daten belegen, dass die Opferwerdung wesentlich durch den Kontext beeinflusst wird. D. h., dass ein Schüler, der an Schule A zur Zielscheibe von Mobbing oder Cyber-Bullying wurde, an einer Schule B ein unbeschwertes Schulleben führen kann. Die Opferwerdung ist auch davon abhängig, wie konsistent Lehrer reagieren. Zögen alle Kollegen an einem Strang, ließen sich einzelne Viktimisierungen eindämmen bzw. im Ansatz verhindern. Zudem gibt es in der Schule viele Normen, Regeln und Werte, die das Kauen von Kaugummis, die Handynutzung, den Unterrichtsbeginn sowie dessen Ende regeln. Bei Mobbing bzw. Cyber-Bullying greift allerdings kaum eine Regel – viel zu häufig existieren nämlich gar keine. Die Botschaft für die Schüler ist somit, dass es demnach völlig legitim zu sein scheint, andere zu erniedrigen. G. Gugel vertritt hierzu die Position, dass Mobbing dann entstehen kann, wenn keine klaren Regeln des Zusammenlebens und -arbeitens vorhanden sind oder diese nicht durchgesetzt werden. Er benennt hiermit eine erste Maßnahme, die Lehrer innerhalb ihres täglichen Unterrichts präventiv ergreifen können. Die Suche nach Grenzen ist aus entwicklungspsychologischer Sicht ganz normal, jedoch muss der Lehrende diese Grenzen hier ganz klar aufzeigen und Grenzüberschreitungen entsprechend sanktionieren. In diesem Zusammenhang würde das Wegschauen gleichbedeutend sein mit Mitmachen. Und dies gilt auch für Lehrer bzw. Eltern. Was beschäftigt die Opfer? Wenn Opfer von Mobbing oder von Cyber-Bullying Gespräche mit ihren Peinigern suchen, um ihre Situation zu verstehen oder gar zu verändern, führt das oft zu nichts, setzt im Einzelfall aber großen Mut voraus. Die Opfer bemühen sich dringend um Antworten auf ihre Fragen, weil sie ihre Außenseiterrolle zu verstehen versuchen. Anstelle der gewünschten Antworten erhalten sie in der Regel böse Blicke, werden weiter beleidigt, im Beisein weiterer Mitschüler gehänselt oder geschubst und kommen sich vor wie in einer Arena. Ein Entkommen aus dieser Arena aus eigener Kraft ist kaum mehr möglich, vor allem dann nicht, wenn sich der Kampf für die Mobbing-Opfer im Internet fortsetzt und neuerdings in bislang sicher geglaubte Räume vordringt, nämlich in die eigenen vier Wände. Die unbeantworteten Fragen werden die Betroffenen nach einiger Zeit an sich selbst richten und sich auf Fehlersuche an der eigenen Person begeben. So erlebte es auch die ehemalige Schülerin Sylvia Hamacher, die sich nach ihrem Abitur mit einem Buch über ihre Mobbing-Erfahrungen und möglichen Auswegen an die Öffentlichkeit wendet. Manche Jugendliche kommen zu der fatalen Erkenntnis, dass an ihnen etwas falsch ist, und dass sie es verdient haben, so behandelt zu werden, wenn sie sich nicht ändern. An dieser Stelle beginnt eine Abwärtsspirale, die im Selbsthass endet, weil schlechte Eigenschaften sich selbst zugeschrieben werden. Andere Opfer haben über lange Zeit hinweg die Hoffnung, dass sich mit der Zeit alles klärt, wobei hier die Gefahr besteht, gedanklich im Konflikt hängen zu bleiben und Mobbing als solches nicht erkannt wird. Es bedarf hier folglich einer Sensibilisierung und Kompetenzerweiterung seitens der Lehrkräfte: Sie müssen lernen, wie sie Mobbing-Handlungen erkennen können und wie im Ernstfall dagegen vorzugehen ist. Das betrifft auch Vergehen, die in der virtuellen Welt erfolgen, da die Auswirkungen hier noch weitreichender sind. Wie schaffen es Schüler, nicht beim (Cyber-) Mobbing mitzumachen? Was das jeweilige Schulklima angeht, wissen Schüler ganz genau, was an ihrer Schule, in ihrer Klasse und bei den einzelnen Lehrern möglich ist und was nicht. Deutschlands führende Expertin für Mobbing in der Schule, Mechthild Schäfer, stellt fest, dass Aggression durch alles gefördert wird, was nicht ganz klar die rote Karte bedeutet. Gleichzeitig übt sie Kritik an den Schülern, die denken, dass sie sich durch Passivität der Situation entziehen könnten: Dadurch, dass man nichts macht, gibt man denen, die versuchen mit Aggression an Macht zu kommen, einen Freifahrtschein nach dem Motto: Sagt keiner etwas, dann kann ich es mir erlauben! Wie reagieren Lehrer bislang? Mobbing ist kein Einzelfall, denn jeder achte Schüler ist betroffen. Im Internet ist die Zahl noch alarmierender: bis zu 16 Prozent geben an, bereits online beleidigt oder bloßgestellt worden zu sein. In vielen Schulen in Deutschland wird nicht richtig reagiert, weder präventiv noch intervenierend. Lehrern wird vorgeworfen, dass sie akute Mobbing-Handlungen in der Klasse nicht erkennen können, weil sie zu wenig über die gesamte Problematik wissen und die Schuld unter Umständen sogar beim Opfer suchen oder weil sie die Mehrarbeit scheuen, die mit der eigenen Kompetenzerweiterung sowie der Aneignung von Präventions- bzw. Interventionsmaßnahmen einhergeht. Willkürlich gewählte Maßnahmen sind dann häufig nicht genügend reflektiert und greifen nicht, sodass solche lediglich gut gemeinten Interventionen die Situation nur weiter verschlimmern. Dieser gegen Schulen und Lehrer gerichtete Vorwurf soll im Rahmen dieses Buches umgekehrt und als neue Herausforderung formuliert werden, der sich diejenigen Lehrer stellen können, die ihren Unterricht dahingehend verbessern wollen, indem sie ein gewalt- und angstfreies Lernen fernab von Mobbing oder Cyber-Bullying anstreben und ermöglichen wollen. Hieraus ergibt sich die dringende Forderung, dass angehende Lehrer bereits in ihrer universitären Ausbildung mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden. In Hessen ist das bis dato nicht der Fall. Erstmalig reagiert mit Beginn des aktuellen Schuljahres die Politik und erteilt Cyber-Bullying eine Kampfansage: Die Hessische Kultusministerin Nicola Beer stellt im Elternbrief zum Schuljahr 2013/14 Neuerungen und Ziele vor, die im laufenden Schuljahr umgesetzt werden sollen und widmet sich speziell Sozialen Netzwerken im Internet und erstmalig auch der Cyber-Bullying-Thematik: Soziale Netzwerke sind Teil der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen. Die Schule weist hier auch auf Gefahren und Risiken jenseits des verbindenden Charakters der Netzwerke hin. Der Datenschutz und vor allem der Schutz vor Cybermobbing im Internet haben dabei Priorität. Präventionsarbeit ist hauptsächlich in den Klassen 7 bis 10 von Bedeutung, da hier Cybermobbing am häufigsten auftritt. Den Schülerinnen und Schülern müssen sowohl die Wirkung solcher Einträge auf die Opfer als auch die möglichen privat-, straf- und schulrechtlichen Konsequenzen vor Augen geführt werden, denn die Anonymität des Internets senkt Hemmschwellen. Unsere hessischen Lehrkräfte bekommen zu diesen und auch vielen anderen Themen Fortbildungsangebote. Aus der bislang defizitären Ausbildung der angehenden und sich bereits im Schuldienst befindlichen Lehrer resultiert größtenteils eine große Handlungsunfähigkeit, die dazu führt, dass viele Pädagogen bewusst oder unbewusst wegschauen und damit Herabwürdigungen und Beleidigungen aller Art sämtliche Türen öffnen. Mangelnde Erfahrungswerte führen seitens der Pädagogen zu Unsicherheiten und sie zweifeln daran, dass sich Mobbing bzw. Cyber-Bullying überhaupt lösen lässt. Die Frage, ob Cyber-Bullying demnach eine neue Herausforderung für Lehrkräfte darstellt, lässt sich ganz klar mit einem Ja beantworten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist mit Blick auf den Kompetenzstand des Großteils der unterrichtenden Lehrer sogar davon auszugehen, dass Cyber-Bullying eine Über-Forderung darstellt.

Über den Autor

Philipp Heil wurde 1988 in Fulda geboren. Sein Studium der Politikwissenschaft, Germanistik und Erziehungswissenschaft schloss der Autor im Jahre 2014 mit dem akademischen Grad des ersten Staatsexamens erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor außeruniversitär praktische Erfahrungen zur Prävention und Intervention von klassischem Mobbing sowie Cyber-Bullying. Überzeugt von präventiven Ansätzen zur Vermeidung virtueller Übergriffe legte er früh in seinem erziehungswissenschaftlichen Studium einen Schwerpunkt auf diese Thematik. Die praktischen Erfahrungen und Einzelschicksale motivierten ihn, sich der Fragestellung des vorliegenden Buches zu widmen.

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