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Pädagogik & Soziales

Sandra Andrea Hoffmann

Frühkindliche Traumatisierung und Bindungsfähigkeit: Anforderungen an die Soziale Arbeit

ISBN: 978-3-95934-579-8

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 05.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Seit etwa zehn Jahren richtet sich das Interesse der Forschungen der Psychotraumatologie zunehmend auf die Theoreme der Bindungstheorie, die 1969 durch den britischen Arzt und Psychoanalytiker John Bowlby begründet wurde. Dieser hatte bereits zum damaligen Zeitpunkt erkannt, dass sich traumatische Erfahrungen in der Kindheit auf die Bindungsfähigkeit auswirken und psychopathologisch manifestieren können. In der vorliegenden Abhandlung wird daher der Frage nachgegangen, wie frühkindliche Traumatisierungen sich auf das Bindungsverhalten auswirken bzw. wie sich dementsprechende Störungen der Bindungsfähigkeit in Denken und Handeln auch erwachsener Menschen ausdrücken und manifestieren können. Weiterhin soll geklärt werden, inwieweit die dargelegte Thematik Relevanz für die Soziale Arbeit aufweist und wie diesbezügliche Antworten darauf aussehen können.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.2, SPÄTFOLGEN DURCH TRAUMATISIERUNG IN DER KINDHEIT: Um das Ausmaß der schwerwiegenden Verletzungen der Betroffenen in der Kindheit weiter deutlich zu machen und zu vertiefen, werden im Folgenden weitere überdauernde Reaktionsmuster, die in Zusammenhang mit der Thematik Trauma und Bindung entstehen, vorgestellt. ANGST Das Gefühl von Angst spielt im Leben vieler traumatisierter Menschen eine entscheidende Rolle. Insbesondere bei sexualisierter Gewalt kann eine diffuse Angst allgegenwärtig sein. Angst ist bedrohlich und kann das Lebensgefühl eines Menschen erheblich einschränken für Betroffene gehört diese allgegenwärtig dazu, auch wenn sie nicht als selbstverständlich angenommen wird. Studien belegen, dass bei 23,4 Prozent der von einer Angstsymptomatik Betroffenen sexualisierte Gewalt in der Kindheit vorliegt, bei anderen Erfahrungen von Gewalt sind es sogar 44,9 Prozent (vgl. Arnold/Joraschky 2000, S.186f.). Die Welt als etwas zu erfahren, das außerhalb der eigenen Kontrolle liegt und voller Gefahren steckt, und die damit verbundene Ohnmacht und Hilflosigkeit zu spüren, setzen sich im Erleben des Betroffenen fort und können ein stetiges Gefühl entstehen lassen, Situationen und Anforderungen bzw. dem Leben an sich nicht gewachsen zu sein (vgl. Rothbaum/Foa 2000, S.342). NICHTZUGEHÖRIGKEIT Menschen mit (multiplen) traumatischen Erfahrungen haben oftmals ein tiefes inneres Gefühl von Andersartigkeit und Stigmatisierung. Auch wenn sie mitten im Leben stehen, erscheint es ihnen, als seien sie außenstehend und allein. In gewissem Maße ist diese Wahrnehmung auch zutreffend, da sie Erlebnisse verarbeiten müssen, die sie von anderen unterscheiden und sie durch ihr Wissen über Gewalt, Macht und Sexualität extrem verändert haben. Das Wahren des Geheimnisses aufgrund von Scham- und Schuldgefühlen verstärkt die Isolation zudem, schneidet mehr und mehr von der Umwelt ab (vgl. Wirtz 1989, S.90). Dieser Eindruck, der sich in der Kindheit entwickelt hat, kann ein Leben lang anhalten: Traumatische Ereignisse erschüttern zwischenmenschliche Beziehungen in den Grundfesten. Sie zersetzen die Bindungen an Familie, Freunde, Partner und Nachbarn, sie zerstören das Selbstbild, das im Verhältnis zu anderen entsteht und aufrechterhalten wird. Sie untergraben das Wertesystem, das der menschlichen Erfahrung Sinn verleiht. Sie unterminieren das Vertrauen des Opfers in eine natürliche oder göttliche Ordnung und stoßen es in eine existentielle Krise. ... Traumatische Ereignisse wirken sich nicht nur direkt auf die psychischen Strukturen aus, sondern ebenso auf Bindungen und Wertevorstellungen, die den einzelnen mit der Gemeinschaft verknüpfen (vgl. Herman 1993, S.77). Das Gefühl, sicher und behütet in einer Gemeinschaft zu leben und liebevolle Aufmerksamkeit und Zuwendung zu erhalten, ist Grundvoraussetzung einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung. Durch fortwährende Traumatisierung wird diese Verbundenheit zerstört und die fundamentale Wichtigkeit des Sich-eingebunden-fühlens und des Selbstgefühls gehen verloren. Die psychische Entwicklung des Kindes wird durch das Trauma massiv gestört. Dies führt dazu, dass der erwachsene Mensch auf seinem Weg der Be- und Verarbeitung des Geschehenen noch einmal den Kampf um Selbstgefühl, Identität und Autonomie durchleben muss. Ein Kind, das unter Bedingungen aufwächst, die liebevoll unterstützend wirken, kann ausreichend Selbstachtung und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln. Es entfaltet altersentsprechend Autonomie, lernt seinen Standpunkt zu formulieren und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, wobei die eigenen Grenzen und die der anderen deutlich werden (a.a.O., S.79). Wiederholte traumatische Erfahrungen in der Kindheit nehmen das Vertrauen in Beziehungen zu anderen Menschen und die eigene Autarkie, da dem Kind suggeriert wird, dass seine Meinung nicht zählt seine physische und psychische Integrität werden angegriffen durch die ungehemmte Macht, die vom Angreifer ausgeht und demonstriert wird. Handelt es sich beim Angreifer um eine Vertrauensperson, muss das Kind zudem mit dem überwältigenden Bruch, der das Vertrauen in die Beziehung zerstört, umzugehen lernen. Vermutlich wird es gezwungen, niemandem über das Erlebte zu berichten, während das Gegenüber gleichzeitig reagiert, als sei nichts geschehen. Die gesamte Umwelt des Kindes scheint sich zu einer Lüge zu entwickeln (ebd.). Der Zusammenbruch der Integrität des Kindes in seiner noch nicht abgeschlossenen Entwicklung lässt es für verschiedenste Störungen anfällig werden: Bei Erwachsenen greift wiederholtes Trauma eine bereits geformte Persönlichkeit an, bei Kindern dagegen prägt und deformiert wiederholtes Trauma die Persönlichkeit (a.a.O., S.135). Das Kind wird neben anderem anfällig für Zweifel und Scham: Scham als Antwort auf die widerfahrene Ohnmacht, die erduldete Demütigung und Verletzung der körperlichen Integrität Zweifel als Spiegelung des Unglaubens, die eigene Auffassung bewahren und die Bindung zu einem anderen Menschen aufrechterhalten zu können, da der Glaube daran, in Beziehungen zu anderen sein eigenes Selbst finden und bewahren zu können, dauerhaft zerstört wurde (a.a.O., S.79). Ein Kind, das völlige Ohnmacht erlebt hat, wird keine angemessenen Entwicklungskonflikte um Kompetenz und Initiative bewerkstelligen können, da es verinnerlicht hat, die Situation nicht abwehren und dem Geschehen nicht entkommen zu können. Spätere Reflektion und Beurteilung des eigenen Verhaltens sind geprägt von Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen (a.a.O., S.80). Traumatische Ereignisse vereiteln per definitionem jegliche Initiative und überfordern die individuelle Kompetenz (ebd.). Am Anfang des Lebens entsteht der Glaube an eine sinnvolle Ordnung der Welt, die durch Interaktion mit anderen erfahren wird. Urvertrauen ist die Grundlage jeden Vertrauens. Im Laufe der Zeit bildet ein Kind nun einen Sinn für Gerechtigkeit hinsichtlich seiner selbst und anderer aus. Aufgrund von Traumatisierungen wird jedoch eine Vertrauenskrise ausgelöst, die die Verbindung zwischen ihm und der Gemeinschaft zerstört. Die Auswirkungen dessen sind auch im Erwachsenenalter, durch ein allgegenwärtiges Misstrauen und das Gefühl, in einer irrealen Welt zu sein, zu spüren (a.a.O., S.81f.). Das Empfinden von Nichtzugehörigkeit und der gleichzeitige Wunsch nach Dazugehörigkeit und Intimität stellen ein eklatantes Problem dar, welches sich auch in partnerschaftlichen Beziehungen manifestiert: Schwankungen bestimmen die Regulierung von Intimität. Das Trauma zwingt die Opfer, sich aus engen Bindungen zurückzuziehen und sie gleichzeitig verzweifelt zu suchen. Die schwere Beschädigung des Urvertrauens, die verbreiteten Scham-, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle und der Wunsch, jede Erinnerung an das Trauma zu vermeiden, die im sozialen Umgang vielleicht aufkommen könnte, fördern den Rückzug aus engen Bindungen. Doch der Schrecken des traumatischen Ereignisses intensiviert gleichzeitig das Bedürfnis nach schützender Zuneigung. Der Traumatisierte schwankt daher zwischen Isolation und ängstlichem Anklammern hin und her. Die Dialektik des Traumas berührt nicht nur das Innenleben des Opfers, sondern auch seine engsten Bindungen. Damit entstehen intensive, instabile Beziehungen, die von einem Extrem ins andere fallen. ... Die Fähigkeit zu Intimität wird durch intensive und widersprüchliche Wünsche und Ängste beeinträchtigt. Die Identität, die sie vor dem Trauma erreicht hatten, ist unwiederbringlich zerstört (a.a.O., S.83f.).

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