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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Frühkindliche sichere Bindungen sind der Schlüssel zum Erfolg. Dies wusste schon der britische Psychiater und Psychoanalytiker John Bowlby (1907-1990). Doch nicht jedem Menschen wird es ermöglicht, diese in der Kindheit aufzubauen. Viel zu oft kommt es vor, dass Kinder schwere psychische Traumata erleiden. Was es aus der Sicht von Bowlbys Bindungstheorie genau bedeutet, als kleines Kind Traumatisierungen unterschiedlicher Art durchleben zu müssen, soll in diesem Buch näher beleuchtet werden. Dabei wird belegt, dass seelische Traumatisierungen in den ersten Lebensjahren eines Kindes zu schweren Beeinträchtigungen bezüglich der Bindungsfähigkeit sowohl im Kindes- als auch im Jugend- und Erwachsenenalter führen können. Das Ziel dieses Buches ist es, einen Beitrag dazu zu leisten, die immense Bedeutung der Bindungstheorie für die sozialpädagogische Arbeit, insbesondere mit frühkindlichen beziehungstraumatisierten Kindern, zu verdeutlichten. Dabei werden die frühe Kindheit und die Aussagen der Bindungstheorie näher untersucht sowie schwerwiegende frühkindliche Traumatisierungen mit ihren Auswirkungen betrachtet. Abschließend werden erfolgsversprechende bindungsbasierte Präventions-und Interventionsangebote vorgestellt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.1.4, Die Bedeutung der Feinfühligkeit: Schon sehr früh in seiner Forschungstätigkeit stellte Bowlby heraus, dass ‘(...) die Art der elterlichen Zuwendung, die das Kind in den ersten Lebensjahren erfährt, von entscheidender Bedeutung für dessen späteren geistigen Gesundheitszustand ist (...).’(Bowlby 1973, S.15). Als Mitarbeiterin von John Bowlby untersuchte auch Mary Ainsworth (1974) die Bedeutung des feinfühligen Pflegeverhaltens der Bindungsperson und stellte die Feinfühligkeit explizit als zentrales Konzept der empirischen Bindungsforschung heraus Sie fand heraus, dass Säuglinge sich an diejenige Bezugsperson binden, die ihre Bedürfnisse in einer feinfühligen Weise beantwortet. Dies bedeutet, dass die Pflegeperson die Signale des Säuglings richtig wahrnimmt und sie ohne Verzerrungen durch eigene Bedürfnisse und Wünsche auch richtig interpretiert. Weiterhin müssen die Bedürfnisse des Säuglings angemessen und prompt sowie entsprechend dem jeweiligen Alter durch die Bindungsperson beantwortet werden (vgl. Grossmann, Grossmann 2004, S.119). Der Sensibilität der Mutter für die Signale ihres Säuglings sowie ihrer emotionalen Verfügbarkeit entspricht eine intrapsychische Repräsentation, die von George und Solomon (1989) auch als ‘internal model of caregiving’ bezeichnet wird. Wenn Mütter in Interviews über ihr potenzielles Verhalten in bindungsrelevanten Situationen befragt werden, so schildern sie- abhängig von ihrer eigenen Bindungshaltung-, wie sie in solchen Situationen voraussichtlich gegenüber ihrem Kind reagieren würden. In der täglichen Pflege- und Spielerfahrung einer Mutter mit ihrem Kind werden aber auch Erinnerungen und Gefühle aus der eigenen mütterlichen Kindheit und den Bindungserfahrungen mit den eigenen Eltern wachgerufen. Die damit verbundenen angenehmen sowie emotional belastenden Gefühle und Bilder können durch Projektionen die Feinfühligkeit und das Verhalten gegenüber dem eigenen Kind bereichern oder auch erheblich behindern. Im schlimmsten Fall werden wiedererlebte Erinnerungen, etwa eine Missbrauchs- oder eine Verlassenheitserfahrung, mit dem eigenen Kind wiederholt (vgl. Brisch 2008, S. 92). Forschungen aus jüngerer Zeit haben das Konzept der elterlichen Feinfühligkeit in der Interaktion mit dem Säugling um die Bedeutung der Sprache ergänzt sowie auch den Einfluss des Rhythmus und der Zeit in der Interaktion hingewiesen. Die Ergebnisse von Jaffe et al. (2001) weisen darauf hin, dass ein mittleres Maß rhythmischer Koordination in der zeitlichen Abfolge von Interaktionen zwischen Mutter und Säugling besonders förderlich für sichere Bindungsentwicklung ist. Bemerkenswert ist, dass das Ziel nicht eine perfekt synchrone Kommunikation ist, die sich offensichtlich nicht so entwicklungsfördernd für die emotionale Entwicklung gestaltet, sondern im Gegenteil: Wahrgenommene und korrigierte Missverständnisse können sich geradezu beziehungsfördernd auf die Bindungsentwicklung auswirken, sofern sie nicht so ausgeprägt sind, dass die Interaktion vollständig abbricht oder auseinanderdriftet (vgl. Jaffe et al. 2001 zit. n.: Brisch 2010, S.59). Weitere Analysen der sprachlichen Interaktion zwischen Mutter und Säugling durch die britische Forscherin Elisabeth Meins konnten eine sichere Bindungsentwicklung des Kindes vorhersagen, wenn die Mutter aufgrund ihrer Empathie in der Lage war, die affektiven Zustände ihres Säuglings angemessen zu verbalisieren. Das Gegenteil traf ebenfalls zu: Mütter, die wenig emphatisch oder überhaupt nicht in der Interaktion mit ihrem Baby sprachen, hatten Kinder, die überzufällig häufig unsicher gebunden waren (vgl. Meins 1997, zit. n. Brisch 2010, S.58). Diese erhaltenen Ergebnisse sind überraschend, weil sie klar daraufhin weisen, das die Säuglinge nicht nur auf einer Verhaltensebene in der konkreten Pflege die Feinfühligkeit ihrer Bindungspersonen wahrnehmen und sich an diese sicher binden, sondern sich auch durch die empathische Verbalisation von Affektzuständen verstanden fühlen, auch wenn sie entwicklungsbedingt den eigentlichen Inhalt der Worte der Mutter noch gar nicht verstehen können (vgl. Brisch 2010, S. 59). Laut Brisch haben prosodische Inhalte, die den inneren und äußeren Zustand des Säuglings erfassen und diesen widerspiegeln, wie z.B. der Tonfall, die Melodie, der Rhythmus oder die Lautstärke in der mütterlichen Sprache, eine immense Bedeutung für den Säugling, d.h. dieser fühlt sich erst dadurch feinfühlig verstanden (vgl. Brisch 2010, S.59). Weiterhin kann man sagen, dass in zahlreichen Untersuchungen mütterliche Feinfühligkeit in engem Zusammenhang mit positiven Entwicklungsverläufen des Säuglings und Kindes standen. Auch das Ehepaar Grossmann zeigt hier klare Befunde auf: Eine verständnisvolle feinfühlige externe Organisation des Säuglings führte oft schon im ersten Lebensjahr zu einer guten inneren Organisation, d.h. zu positiven inneren Arbeitsmodellen. So haben sich z.B. 7 Monate alte Säuglinge feinfühliger Mütter intensiver, ausdauernder und auf höherem Niveau mit diversen Spielsachen beschäftigt als Kinder von weniger feinfühligen Müttern (vgl. Grossmann & Grossmann 2004, S.123). Im Krabbelalter zeigten Säuglinge feinfühliger Mütter eine ausgewogene Balance zwischen selbständigem Spiel und Freude am Kontakt mit ihren Müttern. Sie suchten bei Leid ihre Bezugsperson auf, ließen sich von ihr trösten und verließen sie dann, um sich wieder ihrem Spiel zu widmen (vgl. Grossmann, Grossmann 2004, S.123). Insgesamt lässt ein feinfühliger Umgang mit dem Säugling in ihm das Gefühl der Sicherheit wachsen d.h. feinfühlige Erfahrungen, die ein Kind erleben darf, vor allem in Form von Schutz, Zärtlichkeit, Sicherheit sowie einer affektgeladenen, adäquaten Kommunikation fördern seine sichere Bindung. Dementgegen muss an dieser Stelle klar geschlussfolgert werden, dass sich wenig feinfühlige Interaktionen negativ, sowohl auf die kognitive als auch die seelische Entwicklung des Kindes auswirken können. Auf der Grundlage von traumatischen und wenig einfühlsamen Erfahrungen des Kindes, wie z.B. jegliche Form von Gewalt und Vernachlässigung, können sich bei den betroffenen Kindern Pathologien bis hin zu schwersten Formen der Bindungsstörungen entwickeln. Um dies zu verhindern, müssen adäquate Interventionsangebote genau an dieser Stelle, d.h. an der Feinfühligkeit der Bindungspersonen ansetzten, um diesen ihr Verhalten aufzuzeigen. Nur so kann man einen hoffentlich emphatischeren Umgang mit dem jeweiligen Kind fördern und etwaige Entwicklungsverzögerungen oder gar -störungen verhindern. In diesem Zusammenhang soll auf das Feinfühligkeitstraining für werdende Eltern von Brisch verwiesen werden, der auf dem Hintergrund der Forderung von Mary Ainsworth nach feinfühligen Pflegeverhalten der Bindungspersonen, in Zusammenarbeit mit Anna Buchheim in Ulm, ein Training für Paare, die ihr erstes Kind erwarten, konzipiert hat. Die Eltern sollen dabei selbst lernen, anhand von Videobeispielen elterliches Pflegeverhalten einzuschätzen und ihre Wahrnehmung für feinfühliges elterliches Verhalten zu sensibilisieren (vgl. Brisch 2010, S. 48). Nachdem nun die Bedeutsamkeit des feinfühligen elterlichen Verhaltens dargestellt wurde, soll nachfolgend intensiver auf den Begriff der ‘sicheren Basis’ eingegangen werden, der ebenfalls in einem engen Zusammenhang mit einer entwicklungsfördernden Interaktion zwischen Bezugsperson und Kind steht.

Über den Autor

Dipl. Päd. Sabrina Barche wurde 1985 in Köthen geboren. Ihr Studium der Erziehungswissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg schloss die Autorin im Jahre 2010 mit dem akademischen Grad der Diplom-Pädagogin erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen in der Kinder- und Jugendhilfe sowie im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Fasziniert von Bowlbys Ansätzen der Bindungstheorie und den dadurch offen gelegten verbesserten Möglichkeiten des Umgangs mit frühkindlich traumatisierten Kindern, verbrachte die Autorin ein halbes Jahr in Südafrika, um dort die Besonderheiten der Thematik im Hinblick auf früh traumatisierte Aidswaisen näher zu betrachten. Die Erkenntnis über die Wichtigkeit der Anwendung der Bindungstheorie im pädagogischen Setting, v.a. in der ambulanten und stationären Kinder -und Jugendhilfe, motivierte sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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