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Pädagogik & Soziales

René Lipphardt

Interkulturelle Kompetenzentwicklung als Aufgabe der beruflichen Bildung

Ein Diskurs über Ressourcen und Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund

ISBN: 978-3-8366-6801-9

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Abb.: 17
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Zohra, heute als Bürokauffrau tätig, ist eine von ca. 15,3 Millionen Migranten aus unterschiedlicher Herkunft, die in Deutschland leben und arbeiten. Mit vierzehn Jahren kam sie nach Deutschland und wurde zunächst in die 8. Klasse einer Hauptschule eingestuft. Es folgte der Besuch der Realschule und einer höheren Handelsschule, bevor der weitere Besuch einer Fachoberschule aufgrund zu geringer Sprachkenntnisse abgelehnt wurde. Wenig später nahm sie über einen privaten Bildungsträger eine Praktikantenstelle an der Universität Kassel an, in der sie vor allem ihre vielseitigen sprachlichen Kompetenzen einsetzen konnte. Dies erkannten auch ihre Vorgesetzten und boten ihr eine Ausbildung zur Bürokauffrau an. Der berufliche Lebenslauf von Zohra zeigt die Potenziale bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf, lässt aber gleichzeitig auch mögliche Probleme junger Migranten im deutschen Bildungssystem erkennen. Ich habe die Biografie von Zohra zum Anlass genommen, herauszufinden, ob jugendliche Migranten interkulturelle Kompetenzen besitzen und ob der Einsatz der vorhandenen Potenziale den wohl schwierigen Zugang zum deutschen Bildungssystem verbessert. Das vorliegende Buch klärt zunächst die Frage nach den Ursprüngen, der Entwicklung und dem Verständnis interkultureller Kompetenz. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen besitzen verschiedene Identitäten, die durch ihre kulturelle Prägung bestimmt sind. Sie lernen mit- und voneinander. Die Begriffe Kultur und Identität sind aufgrund dieser Tatsache wichtige Bausteine interkultureller Kompetenz. Weiterhin entstehen durch das Aufeinandertreffen von Menschen in kulturellen Überschneidungssituationen Vorurteile, Stereotype und Ethnozentrismus, die einen Ansatzpunkt interkulturellen Lernens darstellen. Das Ergebnis des Prozesses des interkulturellen Lernens stellt den interkulturellen Kompetenzerwerb dar, der bei den jugendlichen Migranten durch das Aufwachsen zwischen den Kulturen ausgeprägter erscheint als bei deutschen Jugendlichen. Dadurch kann eine mögliche interkulturelle Kompetenz Jugendlicher mit Migrationshintergrund für eine weitere Schlüsselqualifikation in der deutschen Bildung stehen. Weiterhin zeigt ein Blick auf die Bildungslage der jugendlichen Migranten im deutschen Bildungssystem, wie bedeutsam der Einsatz interkultureller Kompetenzen für ihren weiteren beruflichen Lebensweg sein kann. Hier wird vor allem die Problematik an den Übergängen von der Schule in die Ausbildung und von der Ausbildung in den Beruf deutlich, und die Gründe für diese Chancenungleichheit der Migrantenjugendlichen im Vergleich zu den deutschen Jugendlichen in unserem Bildungssystem beschrieben. Die schlechteren Bildungsverläufe der Migrantenjugendlichen werden mit dem Kulturkonflikt und den sprachlichen Defiziten begründet. Ausgehend von der Kritik an dieser Sichtweise wendet sich dieses Buch den Ressourcen und Potenzialen der jungen Migranten zu und stellt ein Forschungsprojekt des Bundesinstitutes für Berufsbildung (BIBB) näher vor. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes liefern eine Basis für die nachhaltige Verbesserung der Bildungsbeteiligung der Migrantenjugendlichen und versuchen interkulturelle Kompetenzen zu identifizieren. Durch Kompetenzfeststellungsverfahren wird ein möglicher Weg beschrieben, den interkulturellen Kompetenzerwerb in einen biografischen Zusammenhang zu stellen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.3.1, Die Übergänge im allgemein bildenden Schulwesen: Die Grundlage für die folgenden Ergebnisse bilden die PISA-2000-Daten. Die folgende Betrachtung der Schüler bei den Übergängen im allgemein bildenden Schulwesen unterscheidet sich nach den unterschiedlichen Migrantentypen. Die Schüler aus sonstigen Staaten sind in der Regel an Realschulen und Gymnasien anzutreffen, während die Schüler mit mindestens einem Elternteil aus der Türkei, den sonstigen Anwerberstaaten und der ehemaligen Sowjetunion überwiegend Haupt- und Realschulen besuchen. Hinsichtlich der zuletzt genannten Herkunftsregionen existieren erhebliche Unterschiede. Jeder zweite türkische Schüler besucht die Hauptschule und nur jeder achte das Gymnasium. Bei den sonstigen Anwerbestaaten sind ein Drittel an einer Hauptschule anzutreffen und ein Viertel besucht das Gymnasium. Diese Ergebnisse des Bildungsverhaltens der jugendlichen Migranten sind schon beim Übergang von der Grundschule zu einer weiterführenden Schule zu beobachten. Direkt nach dem Übergang sind sie häufiger an Hauptschulen anzutreffen als Jugendliche ohne Migrationshintergrund und durchlaufen selten später noch einen höheren Bildungsgang. Selbst von den wenigen Migrantenjugendlichen, die nach der Grundschule auf dem Gymnasium anzutreffen sind, verbleiben nur 77% bis zur 9. Jahrgangsstufe (83% ohne Migrationshintergrund). In den Realschulen sind es sogar nur 73% (84% ohne Migrationshintergrund). Damit fallen insgesamt 20% der jugendlichen Migranten in die Hauptschule zurück (10% ohne Migrationshintergrund). Aufgrund dieser Rückfallquoten durchlaufen Schüler mit Migrationshintergrund das Schulsystem mit größerer Verzögerung, wobei die höchsten Wiederholeranteile in den Grundschulen beobachtet wurden. Das Wiederholungsrisiko ist hier viermal höher als bei Schülern ohne Migrationshintergrund. Bei der Analyse der Klassenwiederholungen ist allerdings der Besuch von Sonderschulen nicht berücksichtigt worden, wobei sich hier oft eine hohe Anzahl von Kindern mit Migrationshintergrund befindet. Betrachtet man die Wiederholeranteile nach Herkunftsregionen, so stellen türkische Kinder die höchsten Anteile, wobei die (Spät-)Aussiedlerkinder und Kinder aus den restlichen Anwerbestaaten ebenfalls einen großen Anteil ausmachen. Die aufgeführten Disparitäten bei der Bildungsbeteiligung der Migrantenjugendlichen müssen auch vor dem Hintergrund der großen länderspezifischen Unterschiede in der Bevölkerungsstruktur betrachtet werden. Neben Ländern wie beispielsweise Bremen und Hamburg, die einen sehr hohen Anteil an Migranten aufweisen, existiert in anderen Ländern (Bayern, Schleswig-Holstein) ein niedriger Anteil. Die Gründe hierfür sind in verschiedenen Mustern der Einwanderung und in der Einwanderungspolitik zu sehen, die von der Bildungspolitik nicht beeinflusst werden kann, aber die dortigen Schulen vor große Herausforderungen stellen. [...] Kapitel 4.3.3, Der Übergang ins Erwerbsleben: Der Weg in das Erwerbsleben ist in den letzten Jahren in Deutschland schwieriger geworden. Davon sind nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund betroffen, sondern auch die Einheimischen. Allerdings ist ohne die berufliche Integration der Migrantenpopulation deren dauerhafte gesellschaftliche Integration nicht möglich. Junge Erwachsene haben beim Übergang ins Erwerbsleben größere Schwierigkeiten zu bewältigen als junge Deutsche. In der Gruppe der 20 bis 26jährigen wird dies deutlich. Jedoch sind auch hier die unterschiedlichen Migrantenkonstellationen zu beachten. Junge Deutsche sind in dieser Altersgruppe entweder häufiger in einer Ausbildung oder erwerbstätig, während die gleichaltrigen jungen Migranten häufiger erwerbslos sind. Die hohe Nichterwerbsquote der Migranten in dieser Altersgruppe und die Schwierigkeiten beim Übergang ins das Erwerbsleben der jugendlichen Migranten sind gegenüber den deutschen Altersgenossen auf das schulische Vorbildungsniveau zurückzuführen. Deutsche Jugendliche haben ebenfalls Schwierigkeiten beim Eintritt in das Erwerbsleben, wenn sie ein geringeres Vorbildungsniveau aufweisen. Im Allgemeinen steigen bei höherer schulischer Vorbildung die Erwerbschancen für zugewanderte und deutsche Jugendliche. Jedoch bleibt festzuhalten, dass die Chancen einer Erwerbstätigkeit bei jungen Migranten, selbst bei gleicher Qualifikation (ohne Schulabschluss, Hauptschul-/ Realschulabschluss oder Hochschulreife), geringer ausfallen als bei den jungen Deutschen. Diese Feststellung ist nicht nur auf die Arbeitslosenquote zurückzuführen, sondern vielmehr auf die geringe Erwerbstätigkeitsquote bei allen Qualifikationsgruppen. Bei den Jugendlichen ohne Schulabschluss sind die Hälfte Migrantenjugendliche und gehören zu den Nichterwerbspersonen. Diese Erkenntnis weist zudem darauf hin, dass das Arbeitskräftepotenzial der jungen Migranten nicht ausgeschöpft ist. Betrachtet man die Gruppen mit Migrationshintergrund nach Herkunftsregionen, so lässt sich in Bezug auf die Erwerbstätigkeit eine Differenzierung beobachten. Die jungen Türken sind zu 16% erwerbslos oder Nichterwerbspersonen (23%), während sich 24% in Ausbildung und 37% in Beschäftigung befinden. Im Gegensatz zu den jungen Türken absolvieren ca. die Hälfte der Jugendlichen aus den EU-15-Staaten eine Ausbildung und 37% sind erwerbstätig. Wenige sind erwerbslos (7%). Zwischen dieser starken Polarisierung befinden sich die (Spät-) Aussiedler und Jugendliche aus sonstigen Staaten, wobei sich die zuletzt genannte Gruppe dem negativen Pol annähert. Die dargelegten Unterschiede sind auf das allgemeine und berufliche Vorbildungsniveau der Jugendlichen mit unterschiedlichen Migrationskonstellationen zurückzuführen. Zwischen den Migrantengruppen der 1. und 2. Generation sind Unterschiede im Grad der beruflichen Integration festzustellen. Dies wird sowohl durch den höheren Anteil der Jugendlichen der 2. gegenüber denen der 1. Generation, die sich in der Ausbildung oder in einer Erwerbstätigkeit befinden, deutlich als auch durch den höheren Anteil derjenigen der 1. Generation, die nicht erwerbstätig sind. Neben der ethnischen Herkunft und dem Zuwanderungszeitpunkt spielt die unterschiedliche Stellung des Geschlechts in der jeweiligen Kultur bei der beruflichen Integration offensichtlich eine tragende Rolle. Die Quote der erwerbslosen Frauen mit Migrationshintergrund liegt mit 23% deutlich höher als bei einheimischen Frauen (unter 10%). Erheblich sind die Unterschiede zwischen den erwerbslosen Türkinnen und den Migrantinnen aus den sonstigen Staaten (37% gegenüber 24%). Im Vergleich sind bei erwerbslosen Männern hingegen deutlich niedrigere Werte zu verzeichnen (6% und 9%). Dies lässt auf verstärkte Rollenstereotype zwischen Männern und Frauen schließen. Die Betrachtung des Übergangs von der Ausbildung in die Erwerbstätigkeit verdeutlicht die Chancenungleichheit von jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und zwischen den unterschiedlichen Herkunftsgruppen. Es lassen sich Probleme auf dem Arbeitsmarkt und in der Ausbildungs- und Arbeitsmarktpolitik identifizieren. Zum einen liegt bei den zugewanderten Migranten ein Ausbildungs- und Qualifizierungsproblem vor, zum anderen liegt das Problem auf der kulturspezifischen Erwerbsbeteiligung der Frau. In Bezug auf die zentrale Rolle der Frau in der Erziehung sollte das Problem der Integration ernst genommen werden. Anhand der vorangegangenen Ausführungen können folgende Kernaussagen zusammenfassend festgehalten werden: Im allgemeinbildenden Schulwesen verzögert sich die Schullaufbahn der Migrantenjugendlichen durch häufige Abstiege und Wiederholungen in der Grund-, Haupt- und Realschule. Insgesamt fallen ca. 20% der jugendlichen Migranten in ihrer Schullaufbahn in die Hauptschule zurück. Dies ist auch auf die sprachlichen Defizite zurückzuführen. Grundsätzlich haben jugendliche Migranten größere Probleme beim Übergang in eine Berufsausbildung als die deutsche Vergleichsgruppe. Die Fortführung der Bildungslaufbahn findet nach Ende der Vollzeitschulpflicht weiterhin häufiger in Schulen in Formen der Berufsvorbereitung statt (BV oder BvB) und nicht in einer Berufsausbildung. Migrantenjugendliche sind sowohl bei niedrigen schulischen Vorleistungen als auch bei gleichen schulischen Vorleistungen schlechter gestellt als ihre Altersgenossen. Sie benötigen daher bessere Leistungen um einen Ausbildungsplatz zu bekommen als deutsche Jugendliche. Die jungen Migranten erfahren aufgrund eines geringeren Bildungsniveaus eine geringere Integration in das Erwerbssystem. Dies gilt ebenfalls für Migrantenjugendliche, die ein gleiches Bildungsniveau aufweisen. Frauen sind aufgrund kulturspezifischer Rollenmuster (bspw. in einer türkischen Familie) seltener erwerbstätig als Männer. Aufgrund der aufgezeigten Ergebnisse des Bildungsstandes und der Bildungsbeteiligung schneiden jugendliche Migranten im deutschen Schulsystem und bei den Übergängen in die berufliche Ausbildung sowie die Erwerbstätigkeit deutlich schlechter ab als deutsche Jugendliche. Der nächste Abschnitt stellt mögliche Erklärungsversuche vor. Kapitel 4.4, Erklärungsversuche: Die vorangegangenen Ausführungen haben ein deutlich schlechteres Abschneiden der jugendlichen Migranten im deutschen Bildungssystem geschildert. In der Literatur finden sich mit der Kulturkonflikt- und Defizithypothese, dem humankapitalistischen Erklärungsansatz, der institutionellen Diskriminierung und der Unterbewertung interkultureller (Basis-) Kompetenzen vier mögliche Erklärungsansätze, die die schlechtere Bildungslage der Jugendlichen mit Migrationshintergrund begründen können. [...]

Über den Autor

René Lipphardt, Diplom-Handelslehrer, Studium der Wirtschaftspädagogik an der Universität Kassel. Abschluss 2007 als Diplom-Handelslehrer. Derzeit Referendar an den beruflichen Schulen Der Ravensberg in Kiel.

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