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  • Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung: Eine Untersuchung von Präventionsmöglichkeiten im Unterricht

Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 72
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Thema sexueller Missbrauch von Menschen mit geistiger Behinderung wurde lange Zeit nicht thematisiert, bzw. die Existenz dieser Problematik bestritten. In letzter Zeit rückt diese jedoch immer stärker ins Forschungsinteresse. Veröffentlichungen zu dieser Thematik bleiben dennoch nach wie vor rar, obwohl auch alle neueren Untersuchungen eindeutig belegen, dass sexueller Missbrauch von Menschen mit geistiger Behinderung nicht als Randphänomen vernachlässigt werden darf. Auf Grundlage der Erkenntnisse um das Vorhandensein von sexuellem Missbrauch von Menschen mit geistiger Behinderung wird in der vorliegenden Arbeit untersucht, ob die theoretischen Erkenntnisse der Forschung mittlerweile auch in der Praxis berücksichtigt werden und versucht Antworten darauf zu finden, wie sexueller Missbrauch möglichst früh auch schon im Kindes- und Jugendalter durch präventive Maßnahmen im Unterricht verhindert werden kann. Hierbei wird der Fragestellung nachgegangen, ob es adäquate und wirksame Präventionsmöglichkeiten für den Unterricht gibt, die speziell auf die individuellen Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung zugeschnitten sind.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Sexueller Missbrauch bei Menschen mit geistiger Behinderung: Im Folgenden werden zunächst Prävalenzstudien zu sexuellem Missbrauch an Menschen mit geistiger Behinderung dargestellt. Danach wird auf potentielle Täterinnen und Täter sowie Täterstrategien eingegangen. 3.1, Prävalenz von sexuellem Missbrauch von Menschen mit geistiger Behinderung: Da es im deutschsprachigen Raum erst sehr wenige Untersuchungen gibt, die sich mit der Thematik des sexuellen Missbrauchs von Menschen mit geistiger Behinderung beschäftigen, werden zusätzlich Studien aus dem nordamerikanischen Raum vorgestellt. 3.1.1, Studien aus dem deutschsprachigen Raum: Bis Anfang der 1990-er Jahre gab es im deutschsprachigen Raum keine Studien und Untersuchungen zur Problematik des sexuellen Missbrauchs von Menschen mit geistiger Behinderung. Erste Daten erfassten Noack und Schmid im Jahr 1994 im Rahmen einer bundesweiten, quantitativen Erhebung, bei der das Personal von 874 Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen schriftlich zur Thematik des sexuellen Missbrauchs befragt wurde (Noack & Schmid, 1994, 12). 51,3% der Einrichtungen gaben an, dass ihnen Fälle von sexuellem Missbrauch von Menschen mit geistiger Behinderung in ihrer Einrichtung bekannt sind (Noack & Schmid, 1994, 44). Von 31,5% der in den Einrichtungen lebenden Frauen mit geistiger Behinderung waren Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt, bei Mädchen 10,7% und bei weiblichen Jugendlichen 8,7%. Bei Männern mit geistiger Behinderung lag die Quote bei 16,6%, bei Jungen 5,2% und männlichen Jugendlichen bei 2,9%. (Noack & Schmid, 1994, 45). Kritisch merken Noack und Schmid (1994, 45-46) selbst an, dass es vermutlich eine hohe Dunkelziffer in Institutionen gibt, da sexueller Missbrauch nicht wahrgenommen oder verschwiegen wird. Diese Problematik ist darauf begründet, dass die Bewohner und Bewohnerinnen der Einrichtungen nicht selbst befragt wurden, sondern lediglich das Personal Auskünfte erteilte. Noack und Schmid gehen von einem weiten Begriffsverständnis von sexuellem Missbrauch aus, welches heimliche Berührungen impliziert und auf dem Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern basiert (Noack & Schmid, 1994, 35). In ihrer Untersuchung ließen sie jedoch die Befragten individuell definieren, welche Aspekte für sie unter sexuellem Missbrauch fallen. Die Befragung ist somit subjektiv geprägt. Eine weitere Studie im deutschsprachigen Raum folgte von Zemp und Pircher im Jahre 1996. Sie befragten 130 Frauen mit Behinderung im Alter zwischen 17 und 69 Jahren, die in Einrichtungen in Österreich lebten (Zemp & Pircher, 1996, 29-30). 57,5% dieser Frauen bezeichneten sich selbst als geistig behindert (Zemp & Pircher, 1996, 32). Auch dieser Befragung liegt ein weites Begriffsverständnis von sexuellem Missbrauch zugrunde. Darunter fallen ‘Handlungen wie despektierliche Bemerkungen über den Körper, Berühren von Geschlechtsorganen bis hin zum Geschlechtsverkehr’ (Zemp & Pircher, 1996, 8). Demnach haben 63,8% der befragten Frauen körperlich ausgeübte sexuelle Gewalt erfahren (Zemp & Pircher, 1996, 42). Zemp und Pircher (1996, 21) weisen jedoch darauf hin, dass ihrer Erhebung keine repräsentative Stichprobe zugrunde liegt. Im Jahre 1997 führten Zemp, Pircher und Schoibel eine Studie durch, die sexuellen Missbrauch von Männern mit Behinderung fokussiert. Zentrale Begriffe und Definitionen wurden von Zemp und Pircher (1996) übernommen (Zemp et al., 1997, 7). Befragt wurden 136 Männer mit Behinderung im Alter zwischen 18 und 78 Jahren, die in österreichischen Einrichtungen lebten (Zemp et al., 1997, 39). 50% der befragten Männer gaben an, Formen von sexueller Belästigung oder sexueller Gewalt erfahren zu haben (Zemp et al., 1997, 58). Im Vergleich zur Studie von Noack und Schmid ist anzumerken, dass bei Zemp und Pircher sowie bei Zemp et al. Menschen mit Behinderungen direkt befragt wurden und nicht das Personal der Einrichtungen Auskünfte gab. Somit deutet aufgrund der unterschiedlichen Prävalenzraten einiges darauf hin, dass das Personal von Wohneinrichtungen sexuellen Missbrauch häufig nicht wahrnimmt oder verschweigt, wie Noack und Schmid bereits vermuteten. Klein, Wawrok und Fegert untersuchten 1999 im Rahmen eines Forschungsprojektes ‘die Situation 12-25-jähriger Berliner Mädchen und Frauen mit geistiger Behinderung, die sexualisierte Gewalt erfahren haben’ (Klein et al., 1999, 497). In diesem Zusammenhang wurden die Einrichtungsleiter von 367 Wohneinrichtungen der Berliner Behindertenhilfe befragt (Klein et al., 1999, 497-498). Letztlich konnten Auskünfte über 116 Mädchen und Frauen der Zielgruppe eingeholt werden. Die Einrichtungsleiter gaben an bzw. vermuteten, dass 27,6% der 12-25-jährigen Mädchen und Frauen mit geistiger Behinderung bereits sexuelle Missbrauchserfahrungen gemacht haben (Klein et al, 1999, 503). Ihre Vermutungen stützen sie auf verbale Aussagen und überwiegend allgemeine Verhaltensauffälligkeiten und -veränderungen (Klein et al., 1999, 504). Auch bei der Untersuchung von Klein et al. handelt es sich nicht um eine repräsentative Erhebung. Die Rahmenbedingungen lassen sich mit denen, der Studie von Noack und Schmid vergleichen. Eventuell lassen sich dadurch die annähernd gleichen Prävalenzraten zumindest in Bezug auf Frauen und Mädchen mit geistiger Behinderung erklären. Aufgrund des ähnlichen Settings sind auch die gleichen Kritikpunkte am Studiendesign gegeben. So beruhen die Prävalenzraten auch bei Klein et al. lediglich auf der subjektiven Einschätzung und Wahrnehmung der Einrichtungsleiter und Einrichtungsleiterinnen. Klein (2004, 25) führt an, dass es den Leiterinnen und Leitern schwer fiel, konkrete Kriterien für sexuellen Missbrauch zu nennen. Trotzdem gaben alle die Unfreiwilligkeit der sexuellen Handlung sowie die Ausnutzung von Abhängigkeits- und Machtstrukturen als verbindliche Merkmale sexuellen Missbrauchs an. Eine erste repräsentative Studie, die auch den sexuellen Missbrauch von Frauen mit Behinderungen thematisiert wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in den Jahren 2009-2011 von einem Forschungsteam um Schröttle et al. (2013) durchgeführt. Zu ihrer Lebenssituation und Belastungen wurden 1561 Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen im Alter von 16 bis 65 Jahren befragt, die in privaten Haushalten oder Einrichtungen lebten. Frauen mit einer geistigen Behinderung, die in Einrichtungen lebten, wurden in vereinfachter Sprache interviewt (Schröttle et al., 2013, 10). Je nach Wohnort und Form der Behinderung, gaben 25-36% der befragten Frauen an, mindestens eine Erfahrung von sexuellem Missbrauch in ihrer Kindheit und Jugend durch Erwachsene oder andere Kinder und Jugendliche erlebt zu haben. Der Anteil bei Frauen mit geistiger Behinderung lag bei 25% (Schröttle et al., 2013, 162). Schröttle et al. (2013, 165) verweisen jedoch darauf, dass der Anteil von Frauen mit geistiger Behinderung, die keine Angaben zu sexuellem Missbrauch machten oder sich nicht erinnern konnten, mit 14% am höchsten von allen Befragten war. Daraus schließen sie auf ein großes Dunkelfeld. Auf die Frage nach erzwungenen sexuellen Handlungen in ihrem Erwachsenenleben antworten zwischen 21% und 38% der befragten Frauen, dass sie mindestens eine derartige Situation erlebt haben (Schröttle et al., 2013, 198). Der Anteil der Frauen, die sexuellen Missbrauch in Kindheit und Jugend und/oder im Erwachsenenleben erlebt haben, beträgt zwischen 34% und 56%. Anders als bei den zuvor vorgestellten Studien liegt dieser Studie ein enges Verständnis von sexuellem Missbrauch zugrunde, welches ‘alle erzwungenen sexuellen Handlungen, (…), zu denen die Frau gegen ihren Willen durch körperlichen Zwang und/oder Drohungen oder dem Ausnützen eines Abhängigkeitsverhältnisses (…) gezwungen wurde’ (Schröttle et al., 2013, 195). Schröttle et al. liefern im Vergleich zu den anderen Studien eine sehr differenzierte Studie mit einer repräsentativen Stichprobe.

Über den Autor

Andreas Allofs wurde 1987 in Kevelaer geboren. Sein Studium des Lehramts für Sonderpädagogik an der Universität zu Köln schloss der Autor im Jahre 2013 mit der ersten Staatsprüfung für das Lehramt für Sonderpädagogik erfolgreich ab.

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