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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 152
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der Tanz gehört zum Leben der Menschen. Er ist neben der Musik eine der ursprünglichsten künstlerischen Lebensäußerungen. Wenn Menschen den Begriff Tanz hören, erreichen sie Bilder, die vom Kinderreigen zum Seniorentanz, von der Spitzentänzerin zum barfüßigen Afro-Tänzer, vom Gesellschaftstanz bis zum Technotanz der Loveparade reichen. Die jeweiligen Assoziationen entstehen dabei immer in Abhängigkeit von den individuellen und soziokulturellen Kontakten mit Tanz. Meist sind sie auch mit einer emotionalen Gestimmtheit dem Tanzen gegenüber verbunden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, Tanz als Lehr- und Lerngehalt in seinen Möglichkeiten und Grenzen für Erziehung und Bildung abzustecken und eine begrenzte thematische Auseinandersetzung mit den erlebnispädagogischen Möglichkeiten im Tanzen mit Kindern und Jugendlichen vorzulegen. Nach einem theoretischen Abriss und einer Vorstellung ausgesuchter, grundlegender Bildungsinhalte der Tanzpädagogik in den ersten Kapiteln folgen praxisorientierte Beispiele, die konkret und ergebnissicher aufzeigen, welche hohe praktische Relevanz das Thema in sich birgt und in wie weit Tanzlehrer und Tanzpädagogen bei Heranwachsenden die Funktionen des Tanzens individuell aktualisieren sollten, so dass sie trotzdem fachgerecht und erzieherisch wirken.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 6, Ganzheitliche Betrachtungen des Tanzens in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen: Neben der Weiterentwicklung der Persönlichkeit und der Erziehung zum lebenslangen Sporttreiben versucht sportpädagogische Arbeit, mit der Sinnorientierung Erlebnis und Tanz junge Menschen für die kleinen Erlebnisse zu sensibilisieren. Dies lässt hoffen, dass die Suche nach Sinn und Authentizität nicht immer nur radikale Ausdrucksformen verlangt. Die Suche nach aktuellen extremsportlichen Ausprägungen ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung, deren sozialökologische Perspektiven mit dem Begriff Erlebnisgesellschaft beschrieben werden können. Zusammenfassend geht Kindern und Jugendlichen in ihrem heutigen Spiel- und Bewegungsraum die Möglichkeit eines echten Erlebnisses verloren. In einer abgesicherten Gesellschaft ist die Suche nach Identität und Authentizität erschwert, sie verlagert sich in eine virtuelle Wirklichkeit per Mausklick oder Fernbedienung und wird mit dem Begriff der Erlebnisarmut überschrieben. Kinder begreifen die Welt jedoch am besten in und durch Bewegung. Kinder bewegen sich auf die Dinge zu, die sie reizen, testen ihre körperliche Kraft und Beweglichkeit. Je ungestörter sie dabei sind, d.h. wenn der Erzieher sie nicht unterbricht, sondern beobachtet, sie nicht abwürgt, sondern gewähren lässt, umso mehr Freude werden sie haben. Ein junger Mensch braucht Zeit zum Entfalten und Raum für selbstständiges Forschen. Um Erfolg zu haben und den Sinn zu verstehen, muss er sich ausprobieren und darf auch scheitern. Üblicherweise sind wir immer viel zu schnell dabei, helfend einzugreifen, wenn etwas nicht sofort gelingt. Es reicht aber oft, einfach aufmerksam zu sein, hilfsbereit in der Nähe zu stehen und abzuwarten. So können besonders Kleinkinder, aber auch Jugendliche, mit all ihren verfügbaren Sinnen eine Sache aufnehmen, prüfen, und beurteilen (vgl. MOCH o.J.:43). Darin liegt besonders der Sinn der unmittelbaren Erfahrbarkeit von Erlebnissen im Alltag. Den meisten Lernprozessen fehlt diese besondere Devise. Notwendige Lerninhalte und neues Wissen werden in der Regel über Medien, wie Bücher, Fernseher und Computer via Internet aufgenommen. Die Lernformen in der formalen Bildung sind also darauf ausgerichtet, abstrakte Inhalte zu vermitteln. Für unmittelbare Lebenserfahrungen verbleibt neben Schule, Arbeit und Freizeit sehr wenig Raum. So sind Lernsituationen, wie erlebnispädagogische Maßnahmen, die ihren Ernstcharakter durch das hohe Maß an Selbstbeteiligung und Handlungsechtheit erlangen, für Lernende gleichsam Versuchsfelder, um die Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten zu testen (ebd. S.45). Allgemein betrachtet, erzeugen Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer heutigen Interessen und Bedürfnisse eine Vielzahl an Gefühlen, die sich dann, wenn sie zu einem seelischen Ereignis in der Wirklichkeit des Handlungsfeldes werden, als Erlebnisse darstellen und den biographischen Aufbau innerer Konstruktionen mitbestimmen. Gemäß dem Imperativ Er-Lebe dein Leben erfolgt eine Selbstobjektivierung der jungen Menschen. Der einzelne versucht, seine Innenwelt über eine Ästhetisierung des Alltags (u.a. Selbstinszenierung im Sport) zu managen und nach außen zu präsentieren. Erlebnisse bleiben aber so aus dem individuellen Lebenszusammenhang ausgegrenzt, sie stehen unverbunden hintereinander und sind nur unter Objektivierungskriterien wie stärker, höher, schneller usw. miteinander zu verbinden. Dies führt in unserer heutigen Gesellschaft einerseits zu einer rastlosen Suche nach immer intensiveren Erlebnissen, wie auch zu der Sorge, fast schon Angst, etwas zu verpassen, was durch die immensen Angebote der Märkte und den fehlenden Orientierungshorizont gefördert, wenn nicht gleich geschärft wird (vgl. SCHULZE 1992:64ff). Auch durch Tanzen gestaltet der Mensch sein ´Bild´ der Wirklichkeit, indem er seine Innenwelt nach außen projiziert. Diese Aktivierung erfolgt durch die reale räumliche und zeitliche Veränderung des Körpers und hinterlässt ´Erlebnisspuren´ für zukünftiges Handeln. Solche überdauernden energiegeladenen Erinnerungen resultieren aus der Gestaltung von Tanz als Augenblicksproduktion (vgl. JUNK 1990:44, HECKMAIR & MICHL 1998:75). BENJAMIN definiert den Augenblick als Aufhebung der Zeit mit gleichzeitiger Entstehung von Authentizitätsgefühlen bzw. einer Glück erzeugenden Erlösung (1989:192). Dieser Moment könne in der Tanzpädagogik nur erlebt werden, wenn der tänzerische Erlebniskomplex in einer Wechselbeziehung zwischen Tätigkeit bzw. Bewegung und Bewusstseinsbildung gestaltet wird. Für den ganzheitlichen erlebnispädagogischen Prozess im Tanz bedeutet das: Selbstentdeckendes, herantastendes, durch tänzerisches Handeln vollzogenes, selbstorganisiertes und damit kreatives Lernen muss vor kognitiven Aneignungsformen dominieren. Auch GILSDORF betont, dass der praktische Handlungsvollzug permanent und auf allen Tätigkeitsebenen mit geistiger Reflexion verbunden sein müsse (1995:107). Erst die Reflexion des (tänzerisch) Erlebten sichert die gegenständliche Wertung und damit die wichtigste Grundlage für Verarbeitungs-, Transfer- und Operationalisierungsleistungen. Ziel ganzheitlichen Lernens ist es einerseits, die emotionalen, körperlichen und geistigen Wesenskräfte des lernenden Individuums für den Prozess der inneren und äußeren Wirklichkeitsverarbeitung zu stärken und andererseits konkrete Aspekte der interpersonellen Kommunikation und arbeitsteiligen Kooperation realitätsnah zu erleben. Durch Tanz gewinnt der Lernende Anschluss an gesellschaftliche Erfahrungen, denn die Tanzbewegung erhält nach außen immer eine kommunikative Bedeutung mit der Möglichkeit einer aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Lebenszusammenhang. Die eigentliche Tätigkeit des Menschen, d.h. das Bewegen im Raum, aktiviert seine Persönlichkeit, auch weil es Funktion der Bewegung ist, das Leben in ´Gang´zu halten. Bewegungen erleben und gestalten zählen zu den wichtigsten Interessen jugendlicher Selbstbehauptung, erklärt RAINER TREPTOW (1993). Bewegung ist für ihn eine grundlegende Kategorie, welche die ereignisgebundene Gestaltung von Aktivitäten zentral erfasse und bezeichne. In seiner Arbeit hält er sich, neben den Dimensionen Raum und Zeit, in die alle Bewegung eingefasst ist, an der Rolle der Bewegungssouveränität fest. Es gehe bei praktischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stets darum: ein Phänomen einzufassen, für das die Begriffe Raum und Zeit zwar die äußeren, formalen Dimensionen angeben, Bewegung aber diejenige Kategorie darstellt, die die jugendpädagogische ereignisgebundene Gestaltung von Erlebnissen bezeichnet (TREPTOW 1993:236). Sinnerfüllte und erlebnismäßig gestützte Bewegungen erhalten durch ihre freie Gestaltung einen hohen Eigenwert. Durch das Tanzen erlebt der junge Mensch eine tätige Begegnung mit sich selbst, er gestaltet einmalige Erlebnisse, gesammelt als seine tiefsitzende Lebenserfahrung, das Immergleiche (vgl. BENJAMIN 1989:198). Die Unmittelbarkeit von Tanz und die daran gebundene Innenweltgestaltung durch das Subjekt ist zwar außendeterminiert und gegenständlich geleitet, hat aber nicht die [äußere] Gegenständlichkeit zum Ziel (HUBERT 1993:135). Durch die Expressivität der Bewegung und die kommunikative Rolle von Tanz werden individuelle Erlebnisse in einem gemeinschaftlichen Kontext gestaltet und aus der Innenperspektive des Tanzenden heraus verarbeitet und weitergegeben (HUBERT 1993:136). Tanz ist daher auch Mittel der Erfahrungsübertragung. Es soll immer versucht werden, Kindern und Jugendlichen sinnvoll ausgesuchte Angebote anzubieten, die während des Erlebnisprozesses in einer Phase des kognitiven Aufarbeitens gedanklich verarbeitet, ausgetauscht oder überliefert werden können. Dabei werden erlebte Momentaufnahmen (Augenblicke) zum Lebenselixier der Heranwachsenden, um sich lebendig fühlen zu können, um der eigenen Existenz Sinn verleihen zu können. Der Wert der in der Gemeinschaft vermittelten emotionalen Einstellung im Tanz besteht [zusammenfassend] darin, dass sie Spuren in der Erinnerung hinterlassen, die vom Individuum gespeichert werden und zur Modifikation seiner Tätigkeit anregen (HUBERT 1993:136). Bewegung ist gleichbedeutend mit Welterfahrung, Welterleben und Weltzugang. BECKER & FRITSCH formulieren aus ihren Überlegungen zu tänzerischen Zugangsweisen zur Welt die grundlegende Zieldimension der Bewegungserfahrung, bei der sich Bewegungslernen sowohl von dem üblichen Fertigkeitslernen als auch einer unverbindlichen Spielerei absetzt (1998:70). Die freie und angeleitete Tanzimprovisation biete für sie z.B. individuelle Bewegungsmöglichkeiten anhand einer didaktischen Zielsetzung durch Lernen an Bewegungsfragen und Bewegungsproblemen (ebd. S. 78f). Wir lernen durch Bewegungen, durch Erfahrungen und durch Empfindungen und berücksichtigen dabei nicht nur die Wahrnehmung der Gegenstände unserer komplexen Außenwelt, sondern das eigens erworbenen Bild durch die von der Gesellschaft angesammelten Kenntnisse über sie, die persönliche Beziehung zur ihr und die soziale Bedeutung zu den Gegenständen. BENKE hat in seinem Buch Geographie(n) der Kinder (2005) diesen sozialgeographische Aspekt herausgearbeitet und stellt dabei fest, dass der Mensch seine eigene Geographie macht, ergänzt aber diese Überlegungen, dass besonders junge Menschen als handelnde Individuen ihre eigenen Lebenswelten inszenieren und somit auch verschiedenen Räume erschaffen, gestalten und sich aneignen. Orientierung im Raum bedeute für Kinder und Jugendliche Bewegung in Räumen, die sie am liebsten spielintensiv wahrnehmen und erlebnisreich erfahren, die also in Handlungen inbegriffen sind (BENKE 2005:46, vgl. WESTPHAL 2000:159f).

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