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  • Weltoffen dank “weltwärts”? Zum Erwerb interkultureller Kompetenz am Beispiel des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes

Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Abb.: 23
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

‘Ich bin es, der sie beschreiben und der sie erschaffen wird’, schrieb Bronislaw Malinowski über die Trobriander während seiner Feldforschung in den Jahren 1915-1918 in seine Feldtagebücher (Malinowski 1986:127). Die Kritik an der Ethnographie als einseitige Repräsentation des Fremden war eine der zentralen Debatten in der postmodernen Ethnologie (Stocking 1983 Rabinow 1986 Clifford 1988 Marcus 2002). Dieses Spannungsfeld zwischen Perspektive und Repräsentation beschreibt Appadurai in den Theorien über ‘global ethnoscapes’ als ein ethnographisches Dilemma (Appadurai 1989, 1996). Internationale Freiwilligendienstleistende bilden im Sinne der ‘ethnoscapes’ eine Landschaft von Personen, die sich ebenfalls in diesem Spannungsfeld befinden. Die intensive interkulturelle Begegnung einerseits und ihre Rolle als MultiplikatorInnen nach ihrer Rückkehr andererseits stellt die Freiwilligen vor Herausforderungen, deren erfolgreiches Meistern ein ‘global mindset’ und somit interkulturelle Kompetenz voraussetzt (Hammer 2011). Am Beispiel von ‘weltwärts’, dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), geht die vorliegende Studie der Frage nach, ob die Erfahrungen durch einen internationalen Freiwilligendienst eine Zunahme der interkulturellen Kompetenz bewirkt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.5, Konzepte interkultureller Kompetenz: In den letzten Jahrzehnten ist interkurkulturelle Kompetenz in allen beruflichen und zum Teil außerberuflichen Lebensbereichen zu einer Schlüsselqualifikation geworden. (Bolten 2001, 2007b Lüsebrink 2005, 2008). Im Englischen reichen die Bezeichnungen von ‘intercultural sensitivity’, ‘intercultural communication skills’, über ‘intercultural effectivness’ bis hin zu ‘cultural awareness’. (Barmeyer 1996:61.) Auch im Deutschen ist die Debatte je nach Fachrichtung von einer Vielzahl verwendeter Begrifflichkeiten gekennzeichnet. So werden zum Beispiel die Begriffe ‘interkulturelle Kompetenz’, ‘interkulturelles Lernen’ und ‘interkulturelle Kommunikation’ häufig im gleichen Kontext benutzt. (vgl. Heimann 2010:77ff). In dieser Studie wird interkulturelle Kompetenz als Folge interkultureller Sensibilität verstanden, deren Entwicklung sich am Prozess interkulturellen Lernens vollzieht. In der Wissenschaft beteiligen sich neben den Sozialpsychologen u.a. Soziologen, Ethnologen, Kulturwissenschaftler, Pädagogen, Philosophen, Linguisten und Wirtschaftswissenschaftler an der Diskussion in der interkulturellen Kompetenzforschung (Leenen/Grosch 1998:4 Bennett 2004:149 Zülch 2005:12 Rathje 2006:1). Dieser ‘Multidisziplinarität’ des Diskurses (Bolten 2006a:166) ist es zuzuschreiben, dass bisher trotz der Errichtung einer gesetzlichen Definition des Landes Berlin im Jahr 2010 im wissenschaftlichen Kontext bisher keine Einigung auf eine einheitliche Definition interkultureller Kompetenz besteht. Differenzen im grundsätzlichen Verständnis, wozu interkulturelle Kompetenz benötigt wird, führen zu unterschiedlichen Antworten auf die Frage, aus welchen Teilkompetenzen sie sich zusammensetzt (vgl. Rathje 2006:2). So definieren Müller/Gelbrich beispielsweise interkulturelle Kompetenz als ‘[…] die Fähigkeit, mit Angehörigen anderer Kulturen effektiv und angemessen zu interagieren’ (Müller/Gelbrich 2004:793 ähnlich: Bergemann/Bergemann 2005:62). Ähnlich sprechen Thomas/Kinast/Scholl-Machl von interkultureller Kompetenz als eine ‘[…] Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Denken, Urteilen, Empfinden und Handeln, einmal bei sich selbst und zum anderen bei kulturell fremden Personen zu erfassen, zu würdigen, zu respektieren und produktiv zu nutzen’ (Thomas/Kinast/Scholl-Machl 2002:99). Auch Schönhuth kommt zu einer ähnlichen Definition, in der interkulturelle Kompetenz das Ziel hat: ‘[…] die beteiligten Kulturen so zu verstehen, dass sich eine für alle Beteiligten zufriedenstellende und angenehme Zusammenarbeit entwickeln kann, damit die vorhandene Diversität […] optimal für die Erreichung gemeinsamer Ziele genutzt werden kann’ (Schönhuth 2005:103). Im englischsprachigen Raum wird häufig auf Milton J. Bennetts Definition interkultureller Kompetenz zurückgegriffen: ‘[…] intercultural competence is the ability to communicate effectively in cross-cultural situations and to relate appropriately in a variety of cultural contexts” (Bennet 2004:149). Auch wenn die Definitionen nicht weiter auf die verwendeten Begriffe ‘Produktivität’ ‘Effektivität’ und ‘optimal Zielerreichen’ eingehen, liegt ihnen die gemeinsame Vorstellung zu Grunde, dass das Ziel der interkulturellen Kompetenz das Gelingen und die Produktivität einer interkulturellen Interaktion sei (vgl. Rathje 2006:25) Dieser ‘Effizienz’-Ansatz sieht sich dem Vorwurf der Manipulation ausgesetzt, da die Instrumentalisierung interkultureller Kompetenz im Sinne eines Zweckrationalismus die Gefahr der Durchsetzung der Vorteile der mächtigeren Interaktionspartner birgt (Straub 2003:207). Nach Aries/Wolf scheinen Effizienz-Ansätze interkultureller Kompetenz das ‘Gegenüber als etwas zu betrachten, das durch Erklärbarkeit manipulierbar wird: Schließlich will der, der ‘versteht’, weil er erklären kann, als Verhandelnder zum Erfolg kommen [...]’ (Aries/Wolf 2003:153). Dem gegenüber stehen Ansätze, welche die interkulturelle Kompetenz ‘[…] in der persönlichen Weiterentwicklung der Interaktionspartner suchen. Interkulturelle Kompetenz erhält dann das Ziel, dieses Wachstum anzuregen bzw. zu ermöglichen’ (Rathje 2003:26). Stellvertretend für diesen Ansatz stehen z.B. Wierlacher und Leenen/Grosch, die interkulturelle Kompetenz als eine Fähigkeit definieren, die im Erfolgsfall zu einer Veränderung der Interaktionsteilnehmer führt. (Leenen/Grosch 1998:13 Wierlacher 2003:216). Von der Annahme, interkulturelle Kompetenz habe das Ziel, die Welt aus der Sicht einer fremden Kultur zu sehen, wird hier Abstand genommen. Wie auch Geertz (1987) feststellt, kann das Hineinversetzen in Personen mit einem fremden kulturellen Hintergrund kein realistisches Lernziel sein. Vielmehr besteht die Notwendigkeit, die Symbole einer Kultur zu erfassen und sie richtig zu deuten. Dazu entwickelte Geertz die Methode der ‘Dichten Beschreibung’. Aus diesem Grund eignet sich für den Kontext dieser Arbeit ein Verständnis von interkultureller Kompetenz, welches kulturspezifisches Wissen einschließt und das Ziel hat, ethnozentristisches Bewusstsein zu überwinden. Interkulturelle Kompetenz wird als personaler Entwicklungsprozess verstanden, in dem Lernen einen dynamischen und nicht abgeschlossenen Lernprozess darstellt (vgl. Leenen/Grosch 1998:18 Sandhaas 1988:431). Ähnlich sieht Straub interkulturelle Kompetenz als: ‘[…] ein Bündel aus vielen verschiedenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sowohl auf strategischer und professioneller als auch auf individueller und sozialer Ebene anzusiedeln sind. Sie muss als ein lebenslanger Lernprozess verstanden werden’ (Straub 2010: 31). Der Vorwurf, Konzepte interkultureller Kompetenz seien dezidiert westliche Konstrukte, lässt sich nicht vollständig ausräumen (z. B.: Rathje 2003 Straub et al. 2010). So kritisiert beispielsweise Miike, die interkulturelle Kompetenzforschung sei ‘[…] one-sidedly dominated by U.S. Eurocentric anthropocentered, individualistic, efficiency-oriented, positivistic theory and research” (Miike 2002:1ff). Auch Henze schreibt von ‘forschungsstrategisch dominanten Kulturräumen’ in Europa, USA und Australien und verweist auf eine nicht-westliche Perspektive am Beispiel chinesischsprachiger Wissenschaftsdiskurse über interkulturelle Kompetenz (vgl. Henze 2007:304). Trotz dieser kritischen Einwände sind Modelle interkultureller Kompetenz sinnvoll, um Lernprozesse sichtbar zu machen und werden aus diesem Grund in den folgenden Kapiteln vorgestellt.

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